Die Regel des heiligen Benedikt (verfasst um 540 in dem von ihm gegründeten Kloster Montecassino) ist nach der Heiligen Schrift für uns Nonnen und Mönche bis heute das wichtigste Buch (übrigens ist es nach der Bibel auch das weitverbreitetste Buch in der ganzen Welt überhaupt). Aus ihr schöpfen wir die Quellen unseres klösterlich-monastischen Lebens, aus ihr leben wir als einzelne und als Gemeinschaft. Wir möchten Ihnen den spirituellen Reichtum dieses Werkes nicht vorenthalten, sondern Sie ermuntern, sich darin zu vertiefen und Wege gelebten Glaubens zu entdecken. Wer sich über die Lektüre hinaus mit der Benediktusregel beschäftigen möchte, dem empfehlen wir den jüngst erschienenen Kommentar zur Benediktusregel, herausgegeben im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz, Eos-Verlag, St.Ottilien 2002).

Prolog

Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat! So kehrst du durch die Mühe des Gehorsams zu dem zurück, den du durch die Trägheit des Ungehorsams verlassen hast. An dich also richte ich jetzt mein Wort, wer immer du bist, wenn du nur dem Eigenwillen widersagst, für Christus, den Herrn und wahren König, kämpfen willst und den starken und glänzenden Schild des Gehorsams ergreifst Vor allem: wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme ihn beharrlich im Gebet, er möge es vollenden. Dann muss er, der uns jetzt zu seinen Söhnen zählt, einst nicht über unser böses Tun traurig sein. Weil er Gutes in uns wirkt, müssen wir ihm jederzeit gehorchen; dann wird er uns einst nicht enterben wie ein erzürnter Vater seine Söhne; er wird auch nicht wie ein furchterregender Herr über unsere Bosheit ergrimmt sein und uns wie verkommene Knechte der ewigen Strafe preisgeben, da wir ihm in die Herrlichkeit nicht folgen wollten. Stehen wir also endlich einmal auf! Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: „Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen.“ Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“ Und wiederum: „Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Und was sagt er? „Kommt, ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren. Lauft, solange ihr das Licht des Lebens habt, damit die Schatten des Todes euch nicht überwältigen.“ Und der Herr sucht in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen Arbeiter für sich und sagt wieder: „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ Wenn du das hörst und antwortest: „Ich“, dann sagt Gott zu dir: „Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tu das Gute; suche Frieden und jage ihm nach! Wenn ihr das tut, blicken meine Augen auf euch, und meine Ohren hören auf eure Gebete; und noch bevor ihr zu mir ruft, sage ich euch: Seht, ich bin da.“ Liebe Brüder, was kann beglückender für uns sein als dieses Wort des Herrn, der uns einlädt? Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg des Lebens. Gürten wir uns also mit Glauben und Treue im Guten, und gehen wir unter der Führung des Evangeliums seine Wege, damit wir ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat. Wollen wir in seinem Reich und in seinem Zelt wohnen, dann müssen wir durch gute Taten dorthin eilen; anders kommen wir nicht ans Ziel. Fragen wir nun mit dem Propheten den Herrn: „Herr, wer darf wohnen in deinem Zelt, wer darf weilen auf deinem heiligen Berg?“ Hören wir, Brüder, was der Herr auf diese Frage antwortet und wie er uns den Weg zu seinem Zelt weist: „Der makellos lebt und das Rechte tut; der von Herzen die Wahrheit sagt und mit seiner Zunge nicht verleumdet; der seinem Freund nichts Böses antut und seinen Nächsten nicht schmäht; der den arglistigen Teufel, der ihm etwas einflüstert, samt seiner Einflüsterung vom Auge seines Herzens wegstößt, ihn zunichte macht, seine Gedankenbrut packt und sie an Christus zerschmettert.“ Diese Menschen fürchten den Herrn und werden wegen ihrer Treue im Guten nicht überheblich; sie wissen vielmehr, dass das Gute in ihnen nicht durch eigenes Können, sondern durch den Herrn geschieht. Sie lobpreisen den Herrn, der in ihnen wirkt, und sagen mit dem Propheten: „Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern deinen Namen bring zu Ehren.“ Auch der Apostel Paulus hat nichts von seiner Verkündigung als Verdienst angesehen, sagt er doch: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Und er sagt auch: „Wer sich rühmen will, der rühme sich im Herrn.“ Schließlich sagt der Herr im Evangelium: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels gebaut hat. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.“ Nach all diesen Worten erwartet der Herr, dass wir jeden Tag auf seine göttlichen Mahnungen mit unserem Tun antworten. Deshalb sind uns die Tage des Lebens als Frist gewährt, damit wir uns von unseren Fehlern bessern, wie der Apostel sagt: „Weißt du nicht, dass Gottes Geduld dich zur Umkehr führt?“ Denn in seiner Güte sagt der Herr: „Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er umkehrt und lebt.“ Brüder, wir haben also den Herrn befragt, wer in seinem Zelt wohnen darf, und die Bedingungen für das Wohnen gehört. Erfüllen wir doch die Pflichten eines Bewohners! Wir müssen unser Herz und unseren Leib zum Kampf rüsten, um den göttlichen Weisungen gehorchen zu können. Für alles, was uns von Natur aus kaum möglich ist, sollen wir die Gnade und Hilfe des Herrn erbitten. Wir wollen den Strafen der Hölle entfliehen und zum unvergänglichen Leben gelangen. Noch ist Zeit, noch sind wir in diesem Leib, noch lässt das Licht des Lebens uns Zeit, all das zu erfüllen. Jetzt müssen wir laufen und tun, was uns für die Ewigkeit nützt. Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten. Bei dieser Gründung hoffen wir, nichts Hartes und nichts Schweres festzulegen. Sollte es jedoch aus wohlüberlegtem Grund etwas strenger zugehen, um Fehler zu bessern und die Liebe zu bewahren, dann lass dich nicht sofort von Angst verwirren und fliehe nicht vom Weg des Heils; er kann am Anfang nicht anders sein als eng. Wer aber im klösterlichen Leben und im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes. Darum wollen wir uns seiner Unterweisung niemals entziehen und in seiner Lehre im Kloster ausharren bis zum Tod. Wenn wir so in Geduld an den Leiden Christi Anteil haben, dann dürfen wir auch mit ihm sein Reich erben.

Kapitel 1: Die Arten der Mönche

Wir kennen vier Arten von Mönchen. Die erste Art sind die Koinobiten: Sie leben in einer klösterlichen Gemeinschaft und dienen unter Regel und Abt. Die zweite Art sind die Anachoreten, das heißt Einsiedler. Nicht in der ersten Begeisterung für das Mönchsleben, sondern durch Bewährung im klösterlichen Alltag und durch die Hilfe vieler hinreichend geschult, haben sie gelernt, gegen den Teufel zu kämpfen. In der Reihe der Brüder wurden sie gut vorbereitet für den Einzelkampf in der Wüste. Ohne den Beistand eines anderen können sie jetzt zuversichtlich mit eigener Hand und eigenem Arm gegen die Sünden des Fleisches und der Gedanken kämpfen, weil Gott ihnen hilft. Die dritte Art sind die Sarabaiten, eine ganz widerliche Art von Mönchen. Weder durch eine Regel noch in der Schule der Erfahrung wie Gold im Schmelzofen erprobt, sind sie weich wie Blei. In ihren Werken halten sie der Welt immer noch die Treue. Man sieht, dass sie durch ihre Tonsur Gott belügen. Zu zweit oder zu dritt oder auch einzeln, ohne Hirten, sind sie nicht in den Hürden des Herrn, sondern in ihren eigenen eingeschlossen: Gesetz ist ihnen, was ihnen behagt und wonach sie verlangen. Was sie meinen und wünschen, das nennen sie heilig, was sie nicht wollen, das halten sie für unerlaubt. Die vierte Art der Mönche sind die sogenannten Gyrovagen. Ihr Leben lang ziehen sie landauf landab und lassen sich für drei oder vier Tage in verschiedenen Klöstern beherbergen. Immer unterwegs, nie beständig, sind sie Sklaven der Launen ihres Eigenwillens und der Gelüste ihres Gaumens. In allem sind sie noch schlimmer als die Sarabaiten. Besser ist es, über den erbärmlichen Lebenswandel all dieser zu schweigen als zu reden. Lassen wir sie also beiseite, und gehen wir mit Gottes Hilfe daran, der stärksten Art, den Koinobiten, eine Ordnung zu geben.

Kapitel 2: Der Abt

Der Abt, der würdig ist, einem Kloster vorzustehen, muss immer bedenken, wie man ihn anredet, und er verwirkliche durch sein Tun, was diese Anrede für einen Oberen bedeutet. Der Glaube sagt ja: Er vertritt im Kloster die Stelle Christi; wird er doch mit dessen Namen angeredet nach dem Wort des Apostels: „Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ Deshalb darf der Abt nur lehren oder bestimmen und befehlen, was der Weisung des Herrn entspricht. Sein Befehl und seine Lehre sollen wie Sauerteig göttlicher Heilsgerechtigkeit die Herzen seiner Jünger durchdringen. Der Abt denke immer daran, dass in gleicher Weise über seine Lehre und über den Gehorsam seiner Jünger beim erschreckenden Gericht Gottes entschieden wird. So wisse der Abt: Die Schuld trifft den Hirten, wenn der Hausvater an seinen Schafen zu wenig Ertrag feststellen kann. Andererseits gilt ebenso: Hat ein Hirt einer unruhigen und ungehorsamen Herde all seine Aufmerksamkeit geschenkt und ihrem verdorbenen Treiben jede nur mögliche Sorge zugewandt, wird er im Gericht des Herrn freigesprochen. Er darf mit dem Propheten zum Herrn sagen: „Deine Gerechtigkeit habe ich nicht in meinem Herzen verborgen, ich habe von deiner Treue und Hilfe gesprochen, sie aber haben mich verhöhnt und verachtet.“ Dann kommt über die Schafe, die sich seiner Hirtensorge im Ungehorsam widersetzt haben, als Strafe der allgewaltige Tod. Wer also den Namen „Abt“ annimmt, muss seinen Jüngern in zweifacher Weise als Lehrer vorstehen: Er mache alles Gute und Heilige mehr durch sein Leben als durch sein Reden sichtbar. Einsichtigen Jüngern wird er die Gebote des Herrn mit Worten darlegen, hartherzigen aber und einfältigeren wird er die Weisungen Gottes durch sein Beispiel veranschaulichen. In seinem Handeln zeige er, was er seine Jünger lehrt, dass man nicht tun darf, was mit dem Gebot Gottes unvereinbar ist. Sonst würde er anderen predigen und dabei selbst verworfen werden. Gott könnte ihm eines Tages sein Versagen vorwerfen: „Was zählst du meine Gebote auf und nimmst meinen Bund in deinen Mund? Dabei ist Zucht dir verhasst, meine Worte wirfst du hinter dich.“ Auch gilt: „Du sahst im Auge deines Bruders den Splitter, in deinem hast du den Balken nicht bemerkt.“ Der Abt bevorzuge im Kloster keinen wegen seines Ansehens. Den einen liebe er nicht mehr als den anderen, es sei denn, er finde einen, der eifriger ist in guten Werken und im Gehorsam. Er ziehe nicht den Freigeborenen einem vor, der als Sklave ins Kloster eintritt, wenn es dafür keinen vernünftigen Grund gibt. Der Abt kann aber jede Rangänderung vor nehmen, wenn er es aus Gründen der Gerechtigkeit für gut hält. Sonst sollen die Brüder den Platz einnehmen, der ihnen zukommt. Denn ob Sklave oder Freier, in Christus sind wir alle eins, und unter dem einen Herrn tragen wir die Last des gleichen Dienstes. Denn bei Gott gibt es kein Ansehen der Person. Nur dann unterscheiden wir uns in seinen Augen, wenn wir in guten Werken und in der Demut eifriger sind als andere. Der Abt soll also alle in gleicher Weise lieben, ein und dieselbe Ordnung lasse er für alle gelten wie es jeder verdient. Wenn der Abt lehrt, halte er sich immer an das Beispiel des Apostels, der sagt: „Tadle, ermutige, weise streng zurecht.“ Das bedeutet für ihn: Er lasse sich vom Gespür für den rechten Augenblick leiten und verbinde Strenge mit gutem Zureden. Er zeige den entschlossenen Ernst des Meisters und die liebevolle Güte des Vaters. Härter tadeln muss er solche, die keine Zucht kennen und keine Ruhe geben; zum Fortschritt im Guten ermutige er alle, die gehorsam, willig und geduldig sind; streng zurechtweisen und bestrafen soll er jene, die nachlässig und wider spenstig sind. Auf keinen Fall darf er darüber hinwegsehen, wenn sich jemand verfehlt; vielmehr schneide er die Sünden schon beim Entstehen mit der Wurzel aus, so gut er kann. Er soll daran denken, dass ihm sonst das Schicksal des Priesters Heli von Schilo droht. Rechtschaffene und Einsichtige weise er einmal und ein zweites Mal mit mahnenden Worten zurecht. Boshafte aber, Hartherzige, Stolze und Ungehorsame soll er beim ersten Anzeichen eines Vergehens durch Schläge und körperliche Züchtigung im Zaum halten. Er kennt doch das Wort der Schrift: „Ein Tor lässt sich durch Worte nicht bessern.“ Und auch dieses: „Schlage deinen Sohn mit der Rute, so rettest du sein Leben vor dem Tod.“ Der Abt muss bedenken, was er ist, und bedenken, wie man ihn anredet. Er wisse: Wem mehr anvertraut ist, von dem wird mehr verlangt. Er muss wissen, welch schwierige und mühevolle Aufgabe er auf sich nimmt: Menschen zu führen und der Eigenart vieler zu dienen. Muss er doch dem einen mit gewinnenden, dem anderen mit tadelnden, dem dritten mit überzeugenden Worten begegnen. Nach der Eigenart und Fassungskraft jedes einzelnen soll er sich auf alle einstellen und auf sie eingehen. So wird er an der ihm anvertrauten Herde keinen Schaden erleiden, vielmehr kann er sich am Wachsen einer guten Herde freuen. Vor allem darf er über das Heil der ihm Anvertrauten nicht hinwegsehen oder es geringschätzen und sich größere Sorge machen um vergängliche, irdische und hinfällige Dinge. Stets denke er daran: Er hat die Aufgabe übernommen, Menschen zu führen, für die er einmal Rechenschaft ablegen muss. Wegen des vielleicht allzu geringen Klostervermögens soll er sich nicht beunruhigen; vielmehr bedenke er das Wort der Schrift: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dies alles wird euch dazugegeben.“ Ein anderes Schriftwort sagt: „Wer ihn fürchtet, leidet keinen Mangel.“ Der Abt muss wissen: Wer es auf sich nimmt, Menschen zu führen, muss sich bereithalten, Rechenschaft abzulegen. Er sei sich darüber ganz im klaren: Wie groß auch die Zahl der Brüder sein mag, für die er Verantwortung trägt, am Tag des Gerichtes muss er für sie alle dem Herrn Rechenschaft ablegen, dazu ohne Zweifel auch für sich selbst. Immer in Furcht vor der bevorstehenden Untersuchung des Hirten über die ihm anvertrauten Schafe, sorgt er für seine eigene Rechenschaft, wenn er sich um die anderen kümmert. Wenn er mit seinen Ermahnungen anderen zur Besserung verhilft, wird er selbst von seinen Fehlern geläutert.

Kapitel 3: Die Einberufung der Brüder zum Rat

Sooft etwas Wichtiges im Kloster zu behandeln ist, soll der Abt die ganze Gemeinschaft zusammenrufen und selbst darlegen, worum es geht. Er soll den Rat der Brüder anhören und dann mit sich selbst zu Rate gehen. Was er für zuträglicher hält, das tue er. Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist. Die Brüder sollen jedoch in aller Demut und Unterordnung ihren Rat geben. Sie sollen nicht anmaßend und hartnäckig ihre eigenen Ansichten verteidigen. Vielmehr liegt die Entscheidung im Ermessen des Abtes: Was er für heilsamer hält, darin sollen ihm alle gehorchen. Wie es jedoch den Jüngern zukommt, dem Meister zu gehorchen, muss er seinerseits alles vorausschauend und gerecht ordnen. Alle sollen in allem der Regel als Lehrmeisterin folgen, und niemand darf leichtfertig von ihrer Weisung abweichen. Keiner darf im Kloster dem Willen seines eigenen Herzens folgen. Niemand masse sich an, mit seinem Abt unverschämt oder gar außerhalb des Klosters zu streiten. Geht aber einer in seiner Anmaßung so weit, dann treffe ihn die von der Regel vorgesehene Strafe. Der Abt allerdings muss seine Anordnungen immer in Gottesfurcht treffen und sich dabei an die Regel halten. Er muss wissen, dass er sich ohne Zweifel für all seine Entscheidungen vor Gott, dem gerechten Richter, zu verantworten hat. Wenn weniger wichtige Angelegenheiten des Klosters zu behandeln sind, soll er nur die Älteren um Rat fragen, lesen wir doch in der Schrift: „Tu alles mit Rat, dann brauchst du nach der Tat nichts zu bereuen.“

 Kapitel 4: Die Werkzeuge der geistlichen Kunst

Vor allem: Gott, den Herrn, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Ebenso: Den Nächsten lieben wie sich selbst. Dann: nicht töten. Nicht die Ehe brechen. Nicht stehlen. Nicht begehren. Nicht falsch aussagen. Alle Menschen ehren. Und keinem anderen antun, was man selbst nicht erleiden möchte. Sich selbst verleugnen, um Christus zu folgen. Den Leib in Zucht nehmen. Sich Genüssen nicht hingeben. Das Fasten lieben. Arme bewirten. Nackte bekleiden. Kranke besuchen. Tote begraben. Bedrängten zu Hilfe kommen. Trauernde trösten. Sich dem Treiben der Welt entziehen. Der Liebe zu Christus nichts vorziehen. Den Zorn nicht zur Tat werden lassen. Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben. Keine Arglist im Herzen tragen. Nicht unaufrichtig Frieden schließen. Von der Liebe nicht lassen. Nicht schwören, um nicht falsch zu schwören. Die Wahrheit Herz und Mund bekennen. Nicht Böses mit Bösem vergelten. Nicht Unrecht tun, vielmehr erlittenes geduldig ertragen. Die Feinde lieben. Die uns verfluchen, nicht auch verfluchen, sondern mehr noch sie segnen. Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen. Nicht stolz sein, nicht trunksüchtig, nicht gefräßig, nicht schlafsüchtig, nicht faul sein. Nicht murren. Nicht verleumden. Seine Hoffnung Gott anvertrauen. Sieht man Gutes bei sich, es Gott zuschreiben, nicht sich selbst. Das Böse aber immer als eigenes Werk erkennen, sich selbst zuschreiben. Den Tag des Gerichtes fürchten. Vor der Hölle erschrecken. Das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehnen. Den unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben. Das eigene Tun und Lassen jederzeit überwachen. Fest überzeugt sein, dass Gott überall auf uns schaut. Böse Gedanken, die sich in unser Herz einschleichen, sofort an Christus zerschmettern und dem geistlichen Vater eröffnen. Seinen Mund vor bösem und verkehrtem Reden hüten. Das viele Reden nicht lieben. Leer oder zum Gelächter reizende Worte meiden. Häufiges oder ungezügeltes Gelächter nicht lieben. Heilige Lesungen gern hören. Sich oft zum Beten niederwerfen. Seine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott bekennen; und sich von allem Bösen künftig bessern. Die Begierden des Fleisches nicht befriedigen. Den Eigenwillen hassen. Den Anweisungen des Abtes in allem gehorchen, auch wenn er selbst, was ferne sei, anders handelt; man denke an die Weisung des Herrn: „Was sie sagen, das tut; was sie aber tun, das tut nicht.“ Nicht heilig genannt werden wollen, bevor man es ist, sondern es erst sein, um mit Recht so genannt zu werden. Gottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen. Die Keuschheit lieben. Niemand hassen. Nicht eifersüchtig sein. Nicht aus Neid handeln. Streit nicht lieben. Überheblichkeit fliehen. Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben. In der Liebe Christi für die Feinde beten. Nach einem Streit noch vor Sonnenuntergang zum Frieden zurückkehren. Und an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln. Das sind also die Werkzeuge der geistlichen Kunst. Wenn wir sie Tag und Nacht unaufhörlich gebrauchen und sie am Tag des Gerichts zurückgeben, werden wir vom Herrn jenen Lohn empfangen, den er selbst versprochen hat: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.“ Die Werkstatt aber, in der wir das alles sorgfältig verwirklichen sollen, ist der Bereich des Klosters und die Beständigkeit in der Gemeinschaft.

Kapitel 5: Der Gehorsam

Der erste Schritt zur Demut ist Gehorsam ohne Zögern. Er ist die Haltung derer, denen die Liebe zu Christus über alles geht. Wegen des heiligen Dienstes, den sie gelobt haben, oder aus Furcht vor der Hölle und wegen der Herrlichkeit des ewigen Lebens darf es für sie nach einem Befehl des Oberen kein Zögern geben, sondern sie erfüllen den Auftrag sofort, als käme er von Gott. Von ihnen sagt der Herr: „Aufs erste Hören hin gehorcht er mir.“ Und ebenso sagt er den Lehrern: „Wer euch hört, hört mich.“ Daher verlassen Mönche sofort, was ihnen gerade wichtig ist, und geben den Eigenwillen auf. Sogleich legen sie unvollendet aus der Hand, womit sie eben beschäftigt waren. Schnellen Fußes folgen sie gehorsam dem Ruf des Befehlenden mit der Tat. Mit der Schnelligkeit, die aus der Gottesfurcht kommt, geschieht beides rasch wie in einem Augenblick: der ergangene Befehl des Meisters und das voll brachte Werk des Jüngers. So drängt sie die Liebe, zum ewigen Leben voranzuschreiten. Deshalb schlagen sie entschlossen den engen Weg ein, von dem der Herr sagt: „Eng ist der Weg, der zum Leben führt.“ Sie leben nicht nach eigenem Gutdünken, gehorchen nicht ihren eigenen Gelüsten und Begierden, sondern gehen ihren Weg nach der Entscheidung und dem Befehl eines anderen. Sie bleiben im Kloster und haben das Verlangen, dass ein Abt ihnen vorstehe. Ohne Zweifel folgen sie auf diesem Weg dem Herrn nach, der sagt: „Ich bin nicht gekommen, meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ Ein Gehorsam dieser Art ist nur dann Gott angenehm und für die Menschen beglückend, wenn der Befehl nicht zaghaft, nicht saumselig, nicht lustlos oder gar mit Murren und Widerrede ausgeführt wird. Denn der Gehorsam, den man den Oberen leistet, wird Gott erwiesen; sagt er doch: „Wer euch hört, hört mich.“ Die Jünger müssen ihn mit frohem Herzen leisten, denn Gott liebt einen fröhlichen Geber. Wenn aber der Jünger verdrossen gehorcht, also nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit dem Herzen murrt, so findet er, selbst wenn er den Befehl ausführt, doch kein Gefallen bei Gott, der das Murren seines Herzens wahrnimmt. Für solches Tun empfängt er keinen Lohn, sondern verfällt der Strafe der Murrer, wenn er nicht Buße tut und sich bessert.

Kapitel 6: Die Schweigsamkeit

Tun wir, was der Prophet sagt: „Ich sprach, ich will auf meine Wege achten, damit ich mich mit meiner Zunge nicht verfehle. Ich stellte eine Wache vor meinen Mund, ich verstummte, demütigte mich und schwieg sogar vom Guten.“ Hier zeigt der Prophet: Man soll der Schweigsamkeit zuliebe bisweilen sogar auf gute Gespräche verzichten. Um so mehr müssen wir wegen der Bestrafung der Sünde von bösen Worten lassen. Mag es sich also um noch so gute, heilige und aufbauende Gespräche handeln, vollkommenen Jüngern werde nur selten das Reden erlaubt wegen der Bedeutung der Schweigsamkeit. Steht doch geschrieben: „Beim vielen Reden wirst du der Sünde nicht entgehen“, und an anderer Stelle: „Tod und Leben stehen in der Macht der Zunge.“ Denn Reden und Lehren kommen dem Meister zu, Schweigen und Hören dem Jünger. Muss man den Oberen um etwas bitten, soll es in aller Demut und ehrfürchtiger Unterordnung erbeten werden. Albernheiten aber, müßiges und zum Gelächter reizendes Geschwätz verbannen und verbieten wir für immer und überall. Wir gestatten nicht, dass der Jünger zu solchem Gerede den Mund öffne.

Kapitel 7: Die Demut

Laut ruft uns, Brüder, die Heilige Schrift zu: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Mit diesen Worten zeigt sie uns also, daß jede Selbsterhöhung aus dem Stolz hervorgeht. Davor hütet sich der Prophet und sagt: „Herr, mein Herz ist nicht überheblich, und meine Augen schauen nicht hochmütig; ich ergehe mich nicht in Dingen, die für mich zu hoch und zu wunderbar sind. Wenn ich nicht demütig gesinnt bin und mich selbst erhöhe, was dann? Du behandelst mich wie ein Kind, das die Mutter nicht mehr an die Brust nimmt.“ Brüder, wenn wir also den höchsten Gipfel der Demut erreichen und rasch zu jener Erhöhung im Himmel gelangen wollen, zu der wir durch die Demut in diesem Leben aufsteigen, dann ist durch Taten, die uns nach oben führen, jene Leiter zu errichten, die Jakob im Traum erschienen ist. Auf ihr sah er Engel herab und hinaufsteigen. Ganz sicher haben wir dieses Herab und Hinaufsteigen so zu verstehen: Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf. Die so errichtete Leiter ist unser irdisches Leben. Der Herr richtet sie zum Himmel auf, wenn unser Herz demütig geworden ist. Als Holme der Leiter bezeichnen wir unseren Leib und unsere Seele. In diese Holme hat Gottes Anruf verschiedene Sprossen der Demut und der Zucht eingefügt, die wir hinaufsteigen sollen. Die erste Stufe der Demut: Der Mensch achte stets auf die Gottesfurcht und hüte sich, Gott je zu vergessen. Stets denke er an alles, was Gott geboten hat, und erwäge immer bei sich, wie das Feuer der Hölle der Sünden wegen jene brennt, die Gott verachten, und wie das ewige Leben jenen bereitet ist, die Gott fürchten. Zu jeder Stunde sei er auf der Hut vor Sünden und Fehlern, die im Denken, Reden, Tun und Wandel durch Eigenwillen, aber auch durch Begierden des Fleisches geschehen. Der Mensch erwäge: Gott blickt vom Himmel zu jeder Stunde auf ihn und sieht an jedem Ort sein Tun; die Engel berichten ihm jederzeit davon. Der Prophet weist uns darauf hin, dass Gott unserem Denken immer gegenwärtig ist, wenn er sagt: „Gott prüft auf Herz und Nieren.“ „Der Herr kennt die Gedanken der Menschen.“ Ebenso sagt er: „Von fern erkennst du meine Gedanken.“ „Das Denken des Menschen liegt offen vor dir.“ Vor seinen verkehrten Gedanken auf der Hut, spreche der Bruder, der etwas taugt, ständig in seinem Herzen: „Dann bin ich makellos vor ihm, wenn ich mich vor meiner Bosheit in acht nehme.“ Den Eigenwillen zu tun, verwehrt uns die Schrift, wenn sie sagt: „Von deinem Willen wende dich ab!“ Dass aber Gottes Wille in uns geschehe, darum bitten wir ihn im Gebet. Mit Recht werden wir also belehrt, nicht unseren Willen zu tun, sondern zu beachten, was die Schrift sagt: „Es gibt Wege, die den Menschen richtig erscheinen, die aber am Ende in die Tiefe der Hölle hinabführen.“ Ebenso zittern wir vor dem Wort, das von den Nachlässigen gesagt ist: „Verdorben sind sie und abscheulich geworden in ihren Gelüsten.“ Selbst bei den Begierden des Fleisches ist uns Gott, so glauben wir, immer gegenwärtig. Sagt doch der Prophet zum Herrn: „All mein Begehren liegt offen vor dir.“ Nehmen wir uns also vor jeder bösen Begierde in acht; denn der Tod steht an der Schwelle der Lust. Darum gebietet die Schrift: „Lauf deinen Begierden nicht nach!“ Wenn also die Augen des Herrn über Gute und Böse wachen und der Herr immer vom Himmel auf die Menschenkinder blickt, um zu sehen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht, und wenn die Engel, die uns zugewiesen sind, täglich bei Tag und bei Nacht dem Herrn über unsere Taten und Werke berichten, dann, Brüder, müssen wir uns zu jeder Stunde in acht nehmen, damit Gott uns nicht irgendwann einmal als abtrünnig und verdorben ansehen muss, wie der Prophet im Psalm sagt. Weil er gütig ist, schont er uns in dieser Zeit und erwartet unsere Bekehrung zum Besseren, damit er uns dereinst nicht sagen muss: „Das hast du getan, und ich habe geschwiegen.“ Die zweite Stufe der Demut: Der Mönch liebt nicht den eigenen Willen und hat deshalb keine Freude daran, sein Begehren zu erfüllen. Vielmehr folgt er in seinen Taten dem Wort des Herrn, der sagt: „Ich bin nicht gekommen, meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ Ebenso steht geschrieben: „Eigensinn führt zur Strafe, Bindung erwirbt die Krone.“ Die dritte Stufe der Demut: Aus Liebe zu Gott unterwirft sich der Mönch dem Oberen in vollem Gehorsam. So ahmt er den Herrn nach, von dem der Apostel sagt: „Er war gehorsam bis zum Tod.“ Die vierte Stufe der Demut: Der Mönch übt diesen Gehorsam auch dann, wenn es hart und widrig zugeht. Sogar wenn ihm dabei noch so viel Unrecht geschieht, schweigt er und umarmt gleichsam bewusst die Geduld. Er hält aus, ohne müde zu werden oder davonzulaufen, sagt doch die Schrift: „Wer bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet“ Ferner: „Dein Herz sei stark und halte den Herrn aus.“ Um zu zeigen, dass der Glaubende für den Herrn alles, sogar Widriges aushalten muss, sagt die Schrift durch den Mund derer, die das erdulden: „Um deinetwillen werden wir den ganzen Tag dem Tode ausgesetzt, behandelt wie Schafe, die zum Schlachten bestimmt sind.“ Doch zuversichtlich und voll Hoffnung auf Gottes Vergeltung fügen sie freudig hinzu: „All das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat.“ Und ebenso sagt die Schrift an anderer Stelle: „Gott, du hast uns geprüft und uns im Feuer geläutert. Du hast uns in die Schlinge geraten lassen, hast drückende Last unserem Rücken aufgeladen.“ Um zu zeigen, dass wir unter einem Oberen stehen müssen, sagt sie weiter: „Du hast Menschen über unser Haupt gesetzt.“ Selbst bei Widrigkeiten und Unrecht erfüllen die Mönche in Geduld die Weisung des Herrn: Auf die eine Wange geschlagen, halten sie auch die andere hin; des Hemdes beraubt, lassen sie auch den Mantel; zu einer Meile gezwungen, gehen sie zwei. Wie der Apostel Paulus halten sie falsche Brüder aus und segnen jene, die ihnen fluchen. Die fünfte Stufe der Demut: Der Mönch bekennt demütig seinem Abt alle bösen Gedanken, die sich in sein Herz schleichen, und das Böse, das er im Geheimen begangen hat und er verbirgt nichts. Dazu ermahnt uns die Schrift mit den Worten: „Eröffne dem Herrn deinen Weg und vertrau auf ihn!“ Sie sagt auch: „Legt vor dem Herrn ein Bekenntnis ab; denn er ist gut, denn seine Huld währt ewig.“ Ebenso sagt der Prophet: „Mein Vergehen tat ich dir kund, und meine Ungerechtigkeit habe ich dir nicht verborgen. Ich sagte: Vor dem Herrn will ich gegen mich meine Schuld bekennen, und du hast mir die Bosheit meines Herzens vergeben.“ Die sechste Stufe der Demut: Der Mönch ist zufrieden mit dem Allergeringsten und Letzten und hält sich bei allem, was ihm aufgetragen wird, für einen schlechten und unwürdigen Arbeiter. Er sagt sich mit dem Propheten: „Zu nichts bin ich geworden und verstehe nichts; wie ein Lasttier bin ich vor dir und bin doch immer bei dir.“ Die siebte Stufe der Demut: Der Mönch erklärt nicht nur mit dem Mund, er sei niedriger und geringer als alle, sondern glaubt dies auch aus tiefstem Herzen. Er erniedrigt sich und spricht mit dem Propheten: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volk verachtet. Ich habe mich erhöht und wurde erniedrigt und zunichte.“ „Gut war es für mich, dass du mich erniedrigt hast; so lerne ich deine Gebote.“ Die achte Stufe der Demut: Der Mönch tut nur das, wozu ihn die gemeinsame Regel des Klosters und das Beispiel der Väter mahnen. Die neunte Stufe der Demut: Der Mönch hält seine Zunge vom Reden zurück, verharrt in der Schweigsamkeit und redet nicht, bis er gefragt wird. Zeigt doch die Schrift: „Bei vielem Reden entgeht man der Sünde nicht.“ „Der Schwätzer hat keine Richtung auf Erden.“ Die zehnte Stufe der Demut: Der Mönch ist nicht leicht und schnell zum Lachen bereit, steht doch geschrieben: „Der Tor bricht in schallendes Gelächter aus.“ Die elfte Stufe der Demut: Der Mönch spricht, wenn er redet, ruhig und ohne Gelächter, demütig und mit Würde wenige und vernünftige Worte und macht kein Geschrei, da geschrieben steht: „Den Weisen erkennt man an den wenigen Worten.“ Die zwölfte Stufe der Demut: Der Mönch sei nicht nur im Herzen demütig, sondern seine ganze Körperhaltung werde zum ständigen Ausdruck seiner Demut für alle, die ihn sehen. Das heißt: Beim Gottesdienst, im Oratorium, im Kloster, im Garten, unterwegs, auf dem Feld, wo er auch sitzt, geht oder steht, halte er sein Haupt immer geneigt und den Blick zu Boden gesenkt. Wegen seiner Sünden sieht er sich zu jeder Stunde angeklagt und schon jetzt vor das schreckliche Gericht gestellt. Immer wiederhole er im Herzen die Worte des Zöllners im Evangelium, der die Augen zu Boden senkt und spricht: „Herr, ich Sünder bin nicht würdig, meine Augen zum Himmel zu erheben.“ Und ebenso sagt er mit dem Propheten: „Gebeugt bin ich und tief erniedrigt.“ Wenn also der Mönch alle Stufen auf dem Weg der Demut erstiegen hat, gelangt er alsbald zu jener vollendeten Gottesliebe, die alle Furcht vertreibt. Aus dieser Liebe wird er alles, was er bisher nicht ohne Angst beobachtet hat, von nun an ganz mühelos, gleichsam natürlich und aus guter Gewohnheit einhalten, nicht mehr aus Furcht vor der Hölle, sondern aus Liebe zu Christus, aus guter Gewohnheit und aus Freude an der Tugend. Dies wird der Herr an seinem Arbeiter, der von Fehlern und Sünden rein wird, schon jetzt gütig durch den Heiligen Geist erweisen.

Kapitel 8: Der Gottesdienst in der Nacht

Im Winter, das heißt vom ersten November bis Ostern, soll man zur achten Stunde der Nacht aufstehen; das entspricht vernünftiger Überlegung. So können die Brüder etwas länger als die halbe Nacht schlafen und dann ausgeruht aufstehen. Was nach den Vigilien an Zeit noch übrigbleibt, sollen die Brüder, die es brauchen, auf das Einüben der Psalmen und Lesungen verwenden. Von Ostern bis zum ersten November werde die Stunde des Aufstehens so bestimmt: Auf die Feier der Vigilien folgen nach einer kurzen Pause für die natürlichen Bedürfnisse der Brüder die Laudes, die bei Tagesanbruch zu halten sind.

Kapitel 9: Die Ordnung der Vigilien im Winter

Im Winter singt man zuerst dreimal den Vers: „Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde.“ Darauf folgen Psalm 3 und das „Ehre sei dem Vater“, Psalm 94, mit Antiphon oder wenigstens einfach gesungen, ein Hymnus des Ambrosius, dann sechs Psalmen mit Antiphonen. 05 Anschließend wird der Versikel gesungen, der Abt spricht den Segen, und alle setzen sich auf die Bänke. Aus dem Buch, das auf dem Pult liegt, tragen die Brüder abwechselnd drei Lesungen vor; dazwischen werden auch drei Responsorien gesungen. Zwei Responsorien singt man ohne „Ehre sei dem Vater“, aber bei jenem nach der dritten Lesung singt der Vorsänger das „Ehre sei dem Vater“. Sobald der Vorsänger es anstimmt, erheben sich aus tiefer Ehrfurcht vor der heiligen Dreifaltigkeit sofort alle von ihren Sitzen. In den Vigilien lese man die von Gott beglaubigten Bücher des Alten und des Neuen Testamentes, aber auch Erklärungen dazu, die von anerkannten und rechtgläubigen katholischen Vätern verfaßt sind. Nach den drei Lesungen mit ihren Responsorien folgen weitere sechs Psalmen, die mit „Halleluja“ gesungen werden, eine Lesung aus den Apostelbriefen, auswendig vorgetragen, der Versikel und das Bittgebet der Litanei, nämlich das „Kyrie eleison“. Damit sind die nächtlichen Vigilien beendet.

Kapitel 10: Die Ordnung der Vigilien im Sommer

Von Ostern bis zum ersten November wird die schon erwähnte Zahl der Psalmen beibehalten. Die Lesungen aus dem Buch entfallen jedoch, weil die Nächte kurz sind; statt der drei Lesungen wird eine aus dem Alten Testament auswendig vorgetragen. Darauf folgt ein kurzes Responsorium. Alles andere wird gehalten, wie bereits gesagt. Zu den nächtlichen Vigilien werden also, abgesehen von Psalm 3 und Psalm 94, niemals weniger als zwölf Psalmen gesungen.

Kapitel 11: Die Ordnung der Vigilien am Sonntag

Am Sonntag steht man zu den Vigilien früher auf. Für diese Vigilien gilt folgende Ordnung: Zuerst werden sechs Psalmen und der Versikel gesungen. Wenn hierauf alle in rechter Haltung und Reihenfolge auf ihren Plätzen sitzen, werden aus dem Buch vier Lesungen vorgetragen, dazu die Responsorien. Nur beim vierten Responsorium fügt der Vorsänger das „Ehre sei dem Vater“ an; sobald er es anstimmt, erheben sich alle in Ehrfurcht. Auf die Lesung folgen die nächsten sechs Psalmen mit Antiphonen wie zuvor und der Versikel. Dann liest man nach der angegebenen Ordnung wieder vier Lesungen mit ihren Responsorien. Danach werden drei Cantica aus den Propheten gesungen, die der Abt bestimmt; diese Cantica singt man mit „Halleluja“. Nach dem Versikel und dem Segen des Abtes werden nach der gleichen Ordnung vier Lesungen aus dem Neuen Testament vorgetragen. Nach dem vierten Responsorium beginnt der Abt den Hymnus „Dich, Gott, loben wir“. Anschließend trägt der Abt einen Abschnitt aus dem Evangelium vor, bei dem alle in Ehrfurcht stehen. Nach dem Evangelium antworten alle: „Amen“. Der Abt schließt sogleich den Hymnus „Dir gebührt Lob“ an. Nach dem Segen beginnt die Laudes. Diese Ordnung der Vigilien bleibt an allen Sonntagen gleich, im Sommer wie im Winter. Wenn man aber zu spät aufsteht, was ferne sei, werden Lesungen oder Responsorien gekürzt. Doch sorge man auf jede Weise dafür, dass es nicht vorkommt. Wenn es doch geschieht, tue der, durch dessen Nachlässigkeit es verursacht wurde, vor Gott im Oratorium geziemend Buße.

Kapitel 12: Die Laudes am Sonntag

Zu den Laudes am Sonntag singt man zuerst Psalm 66 ohne Antiphon und ohne Unterbrechung. Es folgen Psalm 50 mit Halleluja, Psalm 117, Psalm 62, der Lobpreis, die Lobpsalmen, eine Lesung aus der Offenbarung des Johannes, auswendig vorgetragen, ein Responsorium, ein Hymnus des Ambrosius, der Versikel, das Canticum aus dem Evangelium, die Litanei und der Abschluß.

Kapitel 13: Die Laudes an den Werktagen

Die Laudes an den Werktagen werden in folgender Ordnung gefeiert: Man singt Psalm 66 ohne Antiphon wie am Sonntag, etwas langsam, damit alle beim Psalm 50 anwesend sind. Psalm 50 wird mit Antiphon gesungen. Es folgen zwei Psalmen nach der üblichen Ordnung: am Montag Psalm 5 und Psalm 35; am Dienstag Psalm 42 und Psalm 56; am Mittwoch Psalm 63 und Psalm 64; am Donnerstag Psalm 87 und Psalm 89; am Freitag Psalm 75 und Psalm 91; am Samstag aber Psalm 142 und das Canticum aus dem Deuteronomium, das in zwei „Ehre sei dem Vater“ geteilt wird. An den anderen Tagen singt man je ein Canticum aus den Propheten, wie es in der Kirche von Rom Brauch ist. Darauf folgen die Lobpsalmen, eine Lesung aus den Briefen des Apostel Paulus, auswendig vorgetragen, ein Responsorium, ein Hymnus des Ambrosius, der Versikel, Das Canticum aus dem Evangelium, die Litanei und der Abschluss. Die Feier von Laudes und Vesper gehe niemals zu Ende, ohne dass am Schluß der Obere das Gebet des Herrn von Anfang an so spricht, dass alle es hören können; denn immer wieder gibt es Ärgernisse, die wie Dornen verletzen. Wenn die Brüder beten und versprechen: „Vergib uns, wie auch wir vergeben“, sind sie durch dieses Wort gebunden und reinigen sich von solchen Fehlern. Bei den anderen Gebetszeiten wird nur der Schluss dieses Gebetes laut gesprochen, so daß alle antworten: „Sondern erlöse uns von dem Bösen.“

Kapitel 14: Die Vigilien an den Festtagen

An den Festen der Heiligen und an allen Feiertagen halte man es so, wie wir es für den Sonntag bestimmt haben. Nur Psalmen, Antiphonen und Lesungen sind eigens für die Festtage ausgewählt. Die oben angegebene Ordnung werde aber beibehalten.

Kapitel 15: Die Zeiten für das Halleluja

Vom heiligen Osterfest bis Pfingsten wird immer wieder das Halleluja gesungen, zu den Psalmen wie auch zu den Responsorien. Von Pfingsten bis zum Beginn der Fastenzeit singt man es jede Nacht, aber nur zu den letzten sechs Psalmen der Vigil. An allen Sonntagen außerhalb der Fastenzeit werden die Cantica, Die Laudes, Prim, Terz, Sext und Non mit Halleluja gesungen, die Vesper aber hat Antiphonen. Die Responsorien werden nie mit Halleluja gesungen, außer in der Zeit vom Osterfest bis Pfingsten.

Kapitel 16: Der Gottesdienst am Tage

Es gelte, was der Prophet sagt: „Siebenmal am Tag singe ich dein Lob.“ Diese geheiligte Siebenzahl wird von uns dann erfüllt, wenn wir unseren schuldigen Dienst leisten zur Zeit von Laudes, Prim, Terz, Sext, Non Vesper und Komplet; denn von diesen Gebetsstunden am Tag sagt der Prophet: „Siebenmal am Tag singe ich dein Lob.“ Von den nächtlichen Vigilien sagt derselbe Prophet: „Um Mitternacht stehe ich auf, um dich zu preisen.“ Zu diesen Zeiten lasst uns also unserem Schöpfer den Lobpreis darbringen wegen seiner gerechten entscheide, nämlich in Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet. Auch in der Nacht lasst uns aufstehen, um ihn zu preisen.

Kapitel 17: Die Psalmen im Gottesdienst am Tage

Für die Vigilien und die Laudes haben wir die Ordnung des Psalmengesanges bestimmt; wenden wir uns nun den folgenden Gebetszeiten zu. Zur Prim singt man drei Psalmen, und zwar einzeln, nicht unter einem einzigen „Ehre sei dem Vater“. Zuerst singt man den Vers „O Gott, komm mir zu Hilfe“; es folgt der Hymnus dieser Gebetszeit. Dann beginnen die Psalmen. Nach den drei Psalmen werden eine Lesung vorgetragen, der Versikel, das „Kyrie eleison“ und der Abschluß. Die Gebetszeiten der Terz, Sext und Non werden in der gleichen Ordnung gefeiert, das heißt, es folgen aufeinander der Vers, der Hymnus der Gebetszeit, drei Psalmen, eine Lesung, der Versikel, das „Kyrie eleison“ und der Abschluß. Wenn die Gemeinschaft größer ist, singt man die Psalmen mit Antiphonen, ist sie kleiner, singt man sie ohne Unterbrechung. Für die Feier der Vesper werden vier Psalmen mit Antiphonen festgesetzt. Nach den Psalmen werden eine Lesung vorgetragen, dann das Responsorium, ein Hymnus des Ambrosius, der Versikel, das Canticum aus dem Evangelium, die Litanei und als Abschluß das Gebet des Herrn. Für die Komplet werden drei Psalmen festgesetzt; diese Psalmen betet man ohne Unterbrechung und ohne Antiphon. Es folgen der Hymnus dieser Gebetszeit, eine Lesung, der Versikel, das „Kyrie eleison“ und das Segensgebet als Abschluß.

Kapitel 18: Die Ordnung der Psalmen

Als erstes wird der Vers gesungen „O Gott, komm mir zu Hilfe; Herr, eile mir zu helfen. Ehre sei dem Vater“ Dann folgt der Hymnus der Gebetszeit. Zur Prim am Sonntag singt man vier Abschnitte des Psalmes 118. In den folgenden Gebetszeiten Terz, Sext, Non werden je drei Abschnitte dieses Psalmes 118 gesungen. Zur Prim am Montag singt man drei Psalmen, nämlich Psalm 1, Psalm 2 und Psalm 6. Auch zur Prim an den folgenden Tagen bis zum Sonntag werden der Reihe nach je drei Psalmen gesungen bis zum Psalm 19; dabei werden jedoch Psalm 9 und Psalm 17 geteilt. So können die Vigilien des Sonntags immer mit Psalm 20 einsetzen. Zur Terz, Sext und Non des Montags werden die restlichen neun Abschnitte des Psalmes 118 gesungen, je drei zu jeder Gebetszeit. So ist Psalm 118 auf zwei Tage verteilt, nämlich auf Sonntag und Montag. Am Dienstag werden dann zur Terz, Sext und Non je drei Psalmen gesungen, angefangen von Psalm 119 bis Psalm 127, zusammen neun Psalmen. Diese Psalmen werden bis zum Sonntag jeweils bei denselben Gebetszeiten wiederholt, wie auch die Ordnung der Hymnen, Lesungen und Versikel an allen Tagen unverändert beibehalten wird. So beginnt man am Sonntag immer mit Psalm 118. Zur Vesper werden täglich vier Psalmen feierlich gesungen, angefangen von Psalm 109 bis Psalm 147; ausgenommen sind Psalmen, die schon anderen Gebetszeiten zugewiesen wurden, nämlich die Psalmen 117 bis 127, Psalm 133 und 142. Alle anderen sind zur Vesper zu singen. Weil aber drei Psalmen fehlen, sind die längeren der genannten Reihe zu teilen, nämlich Psalm 138, Psalm 143 und Psalm 144. Weil Psalm 116 kurz ist, wird er mit Psalm 115 verbunden. Damit ist die Reihe der Vesperpsalmen festgelegt. Für alles übrige gilt die oben gegebene Ordnung, also für Lesung, Responsorium, Hymnus, Versikel und Canticum. Zur Komplet werden täglich dieselben Psalmen wiederholt, nämlich Psalm 4, Psalm 90 und Psalm 133. Damit ist die Ordnung des Psalmengesangs am Tage festgelegt. Die anderen Psalmen verteile man gleichmäßig auf die Vigilien der sieben Nächte. Dabei teilt man die längeren Psalmen und bestimmt so zwölf für jede Nacht. Wir machen ausdrücklich auf folgendes aufmerksam: Wenn jemand mit dieser Psalmenordnung nicht einverstanden ist, stelle er eine andere auf, die er für besser hält. Doch achte er unter allen Umständen darauf, daß jede Woche der ganze Psalter mit den 150 Psalmen gesungen und zu den Vigilien am Sonntag stets von vorn begonnen wird. Denn Mönche, die im Verlauf einer Woche weniger singen als den ganzen Psalter mit den üblichen Cantica, sind zu träge im Dienst, den sie gelobt haben. Lesen wir doch, daß unsere heiligen Väter in ihrem Eifer an einem einzigen Tag vollbracht haben, was wir in unserer Lauheit wenigstens in einer ganzen Woche leisten wollen.

Kapitel 19: Die Haltung beim Gottesdienst

Überall ist Gott gegenwärtig, so glauben wir, und die Augen des Herrn schauen an jedem Ort auf Gute und Böse. Das wollen wir ohne Zweifel ganz besonders dann glauben, wenn wir Gottesdienst feiern. Denken wir daher immer an die Worte des Propheten: „Dient dem Herrn in Furcht.“ „Singt die Psalmen in Weisheit.“ „Vor dem Angesicht der Engel will ich dir Psalmen singen.“ Beachten wir also, wie wir vor dem Angesicht Gottes und seiner Engel sein müssen, und stehen wir so beim Psalmensingen, dass Herz und Stimme in Einklang sind.

Kapitel 20: Die Ehrfurcht beim Gebet

Wenn wir mächtigen Menschen etwas unterbreiten wollen, wagen wir es nur in Demut und Ehrfurcht. Um wie viel mehr müssen wir zum Herrn, dem Gott des Weltalls, mit aller Demut und lauterer Hingabe flehen. Wir sollen wissen, dass wir nicht erhört werden, wenn wir viele Worte machen, sondern wenn wir in Lauterkeit des Herzens und mit Tränen der Reue beten. Deshalb sei das Gebet kurz und lauter; nur wenn die göttliche Gnade uns erfasst und bewegt, soll es länger dauern. In der Gemeinschaft jedoch sei das Gebet auf jeden Fall kurz, und auf das Zeichen des Oberen hin sollen sich alle gemeinsam erheben.

Kapitel 21: Die Dekane des Klosters

Wenn die Gemeinschaft größer ist, sollen aus ihrer Mitte Brüder von gutem Ruf und vorbildlicher Lebensführung ausgewählt und zu Dekanen bestellt werden. Sie tragen in allem Sorge für ihre Dekanien nach den Geboten Gottes und den Weisungen ihres Abtes. Als Dekane sollen nur solche ausgewählt werden, mit denen der Abt seine Last unbesorgt teilen kann. Nicht die Rangordnung sei bei der Wahl entscheidend, sondern Bewährung im Leben und Weisheit in der Lehre. Wenn einer der Dekane Tadel verdient, weil der Stolz ihn aufbläht, werde er einmal, ein zweites und ein drittes Mal zurechtgewiesen; wenn er sich nicht bessern will, wird er abgesetzt, und ein anderer, der geeignet ist, soll an seine Stelle treten. Das gleiche bestimmen wir für den Prior.

Kapitel 22: Die Nachtruhe der Mönche

Jeder soll zum Schlafen ein eigenes Bett haben. Das Bettzeug erhalten die Brüder, wie es der Lebensweise von Mönchen entspricht und wie der Abt es ihnen zuteilt. Alle schlafen wenn möglich in einem Raum; lässt die große Zahl es aber nicht zu, ruhen sie zu zehn oder zwanzig mit den Älteren, die für sie verantwortlich sind. In diesem Raum brennt ständig eine Lampe bis zum Morgen. Die Brüder schlafen angekleidet und umgürtet mit einem Gürtel oder Strick. Ihre Messer aber haben sie während des Schlafes nicht an der Seite, damit sie sich nicht etwa im Schlaf verletzen. So seien die Mönche stets bereit: Auf das Zeichen hin sollen sie ohne Zögern aufstehen und sich beeilen, einander zum Gottesdienst zuvorzukommen, jedoch mit allem Ernst und mit Bescheidenheit. Die jüngeren Brüder haben ihre Betten nicht nebeneinander, sondern zwischen denen der älteren. Wenn sie zum Gottesdienst aufstehen, sollen sie sich gegenseitig behutsam ermuntern, damit die Schläfrigen keine Ausrede haben.

Kapitel 23: Das Vorgehen bei Verfehlungen

Es kommt vor, dass ein Bruder trotzig oder ungehorsam oder hochmütig ist oder daß er murrt und in einer Sache gegen die Heilige Regel und die Weisungen seiner Vorgesetzten handelt. Wenn er sich so als Verächter erweist, werde er nach der Weisung unseres Herrn einmal und ein zweites Mal im geheimen von seinen Vorgesetzten ermahnt. Wenn er sich nicht bessert, werde er öffentlich vor allen zurechtgewiesen. Wenn er sich aber auch so nicht bessert, treffe ihn die Ausschließung, falls er einsehen kann, was diese Strafe bedeutet. Wenn er es aber nicht versteht, erhalte er eine körperliche Strafe.

Kapitel 24: Die Ausschließung bei leichten Verfehlungen

Nach der Schwere der Schuld muß sich das Maß von Ausschließung und Bestrafung richten. Es steht dem Abt zu, die Schwere der Schuld zu beurteilen. Wenn nun bei einem Bruder eine leichte Schuld festgestellt wird, werde er von der Teilnahme an der Mahlzeit ausgeschlossen. Für den, der von der Tischgemeinschaft ausgeschlossen ist, gilt folgendes Verfahren: In Oratorium darf er weder einen Psalm noch eine Antiphon vorsingen und keine Lesung vortragen, bis die Buße geleistet ist. Sein Essen erhalte er für sich allein nach der Mahlzeit der Brüder; wenn die Brüder zum Beispiel zur sechsten Stunde essen, dann jener Bruder zur neunten; wenn die Brüder zur neunten Stunde essen, dann jener am Abend. Dies gilt so lange, bis er durch angemessene Buße Verzeihung erlangt hat.

Kapitel 25: Die Ausschließung bei schweren Verfehlungen

Der Bruder, auf dem eine schwere Schuld lastet, werde vom Tisch und vom Oratorium ausgeschlossen. Keiner der Brüder darf mit ihm in Verbindung treten oder mit ihm reden. Bei der aufgetragenen Arbeit sei er allein. Er verharre in Trauer und Buße und denke an das furchterregende Wort des Apostels: „Ein solcher Mensch ist dem Untergang des Fleisches ausgeliefert, damit der Geist gerettet wird für den Tag des Herrn.“ Sein Essen erhalte er für sich allein; der Abt bestimmt für ihn Maß und Stunde. Von denen, die vorbeigehen, wird er nicht gegrüßt, und das Essen, das man ihm gibt, wird nicht gesegnet.

Kapitel 26: Unerlaubter Umgang mit Ausgeschlossenen

Wenn ein Bruder sich herausnimmt, ohne Erlaubnis des Abtes mit dem ausgeschlossenen Bruder irgendwie in Verbindung zu treten, mit ihm zu sprechen oder ihm einen Auftrag zu übermitteln, treffe ihn die gleiche Strafe der Ausschließung.

Kapitel 27: Die Sorge des Abtes für die Ausgeschlossenen

Mit größter Sorge muss der Abt sich um die Brüder kümmern, die sich verfehlen, denn nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Daher muss der Abt in jeder Hinsicht wie ein weiser Arzt vorgehen. Er schicke Senpekten, das heißt ältere weise Brüder. Diese sollen den schwankenden Bruder im persönlichen Gespräch trösten und ihn zu Demut und Buße bewegen. Sie sollen ihn trösten, damit er nicht in zu tiefe Traurigkeit versinkt. Es gelte, was der Apostel sagt: „Die Liebe zu ihm soll erstarken.“ Alle sollen für ihn beten. Der Abt muss sich sehr darum sorgen und mit Gespür und großem Eifer danach streben, dass er keines der ihm anvertrauten Schafe verliert. Er sei sich bewußt, dass er die sorge für gebrechliche Menschen übernommen hat, nicht die Gewaltherrschaft über gesunde. Er fürchte das Drohwort des Propheten, durch das Gott sagt: „Was fett schien, habt ihr euch genommen, was schwach war, habt ihr weggestoßen.“ Er ahme den Guten Hirten mit seinem Beispiel der Liebe nach: Neunundneunzig Schafe ließ er in den Bergen zurück und machte sich auf, um das eine verirrte Schaf zu suchen. Mit dessen Schwäche hatte  er so viel Mitleid, dass er es auf seinen heiligen Schultern nahm und so zur Herde zurücktrug.

Kapitel 28: Die Unverbesserlichen

Wenn ein Bruder öfter für ein Vergehen zurechtgewiesen und wenn er sogar ausgeschlossen wurde, sich aber nicht gebessert hat, verschärfe man die Strafe, das heißt, er erhalte noch Rutenschläge. Wenn er sich aber auch so nicht bessert oder wenn er gar, was ferne sei stolz und überheblich sein Verhalten verteidigen will, dann handle der Abt wie ein weiser Arzt. Er wende zuerst lindernde Umschläge und Salben der Ermahnung an, dann die Arzneien der Heiligen Schrift und schließlich wie ein Brenneisen Ausschließung und Rutenschläge. Wenn er dann sieht, dass seine Mühe keinen Erfolg hat, greife er zu dem, was noch stärker wirkt: Er und alle Brüder beten für den kranken Bruder, dass der Herr, der alles vermag, ihm die Heilung schenkt. Wenn er sich aber auch so nicht heilen lässt, dann erst setze der Abt das Messer zum Abschneiden an. Es gelte, was der Apostel sagt: „Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte.“ Und an anderer Stelle: „Wenn der Ungläubige gehen will, soll er gehen.“ Ein räudiges Schaf soll nicht die ganze Herde anstecken.

Kapitel 29: Die Wiederaufnahme von Brüdern

Es kann sein, dass ein Bruder eigenmächtig das Kloster verlässt und später wieder zurückkehren will. In diesem Fall verspreche er zuerst gründliche Besserung von dem Fehlverhalten, das zum Austritt geführt hat. Danach werde er aufgenommen, aber als letzter eingereiht; dadurch wird seine Demut geprüft. Geht er aber nochmals weg, so werde er in der gleichen Weise bis zu drei Malen aufgenommen; aber dann muss er wissen, dass ihm jeder Weg der Rückkehr versagt ist.

Kapitel 30: Die Strafe bei Mangel an Einsicht

Nach Alter und Einsicht muss es unterschiedliche Maßstäbe geben. Daher gelte: Knaben und Jugendliche oder andere, die nicht recht einsehen können, was die Ausschließung als Strafe bedeutet, sollen für Verfehlungen mit strengem Fasten oder mit kräftigen Rutenschlägen bestraft werden. Sie sollen dadurch geheilt werden.

Kapitel 31: Der Cellerar des Klosters

Als Cellerar des Klosters werde aus der Gemeinschaft ein Bruder ausgewählt, der weise ist, reifen Charakters und nüchtern. Er sei nicht maßlos im essen, nicht überheblich, nicht stürmisch, nicht verletzend, nicht umständlich und nicht verschwenderisch. Vielmehr sei er gottesfürchtig und der ganzen Gemeinschaft wie ein Vater. Er trage Sorge für alles. Ohne Weisung des Abtes tue er nichts; an seine Aufträge halte er sich. er mache die Brüder nicht traurig. Falls ein Bruder unvernünftig etwas fordert, kränke er ihn nicht durch Verachtung, sondern schlage ihm die unangemessene Bitte vernünftig und mit Demut ab. Er wache über seine Seele und denke immer an das Apostelwort: „Wer seinen Dienst gut versieht, erlangt einen hohen Rang.“ Um Kranke, Kinder, Gäste und Arme soll er sich mit großer Sorgfalt kümmern; er sei fest davon überzeugt: Für sie alle muss er am Tag des Gerichtes Rechenschaft ablegen. Alle Geräte und den ganzen Besitz des Klosters betrachte er als heiliges Altargerät. Nichts darf er vernachlässigen. Er sei weder der Habgier noch der Verschwendung ergeben. Er vergeude nicht das Vermögen des Klosters, sondern tue alles mit Maß und nach Weisung des Abtes. Vor allem habe er Demut. Kann er einem Bruder nichts geben, dann schenke er ihm wenigstens ein gutes Wort. Es steht ja geschrieben: „Ein gutes Wort geht über die beste Gabe.“ Alles, was der Abt ihm zuweist, übernehme er in seiner Verantwortung; was er ihm aber verwehrt, maße er sich nicht an. Den Brüdern gebe er das festgesetzte Maß an Speise und Trank ohne jede Überheblichkeit oder Verzögerung, damit sie nicht Anstoß nehmen. Er denke daran, was nach Gottes Wort der verdient, der einem von den Kleinen Ärgernis gibt. In größeren Gemeinschaften gebe man ihm Helfer. Mit ihrer Unterstützung kann er das ihm anvertraute Amt mit innerer Ruhe verwalten. Zur bestimmten Stunde werde gegeben, was zu geben ist, und erbeten, was zu erbitten ist; denn niemand soll verwirrt und traurig werden im Hause Gottes.

Kapitel 32: Werkzeug und Gerät des Klosters

Den Besitz des Klosters, nämlich Werkzeug, Kleidung und alle anderen Dinge, vertraue der Abt Brüdern an, auf deren Lebensweise und Charakter er sich verlassen kann. Nach seinem ermessen übergebe er ihnen alle Gegenstände, die sie verwahren und wieder einfordern sollen. Der Abt führe ein Verzeichnis all dieser Dinge. So weiß er, was er gibt und was er zurückerhält, wenn die Brüder einander in den zugewiesenen Aufgaben ablösen. Wenn einer die Sachen des Klosters verschmutzen lässt oder nachlässig behandelt, werde er getadelt.

Kapitel 33: Eigenbesitz des Mönches

Vor allem dieses Laster muss mit der Wurzel aus dem Kloster ausgerottet werden. Keiner maße sich an, ohne Erlaubnis des Abtes etwas zu geben oder an zunehmen. Keiner habe etwas als Eigentum, überhaupt nichts, kein Buch, keine Schreibtafel, keinen Griffel gar nichts. Den Brüdern ist es ja nicht einmal erlaubt, nach eigener Entscheidung über ihren Leib und ihren Willen zu verfügen. Alles Notwendige dürfen sie aber vom Vater des Klosters erwarten, doch ist es nicht gestattet, etwas zu haben, was der Abt nicht gegeben oder erlaubt hat. „Alles sei allen gemeinsam“, wie es in der Schrift heißt, damit keiner etwas als sein Eigentum bezeichnen oder beanspruchen kann. Stellt sich heraus, dass einer an diesem schlimmen Laster Gefallen findet, werde er einmal und ein zweites Mal ermahnt. Wenn er sich nicht bessert, treffe ihn eine Strafe.

Kapitel 34: Die Zuteilung des Notwendigen

Man halte sich an das Wort der Schrift: „Jedem wurde so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ Damit sagen wir nicht, dass jemand wegen seines Ansehens bevorzugt werden soll, was ferne sei. Wohl aber nehme man Rücksicht auf Schwächen. Wer weniger braucht, danke Gott und sei nicht traurig. Wer mehr braucht, werde demütig wegen seiner Schwäche und nicht überheblich wegen der ihm erwiesenen Barmherzigkeit. So werden alle Glieder der Gemeinschaft im Frieden sein. Vor allem darf niemals das Laster des Murrens aufkommen, in keinem Wort und keiner Andeutung, was auch immer als Anlaß vorliegen mag. Wird einer dabei ertappt, treffe ihn eine schärfere Strafe.

Kapitel 35: Der wöchentliche Dienst in der Küche

Die Brüder sollen einander dienen. Keiner werde vom Küchendienst ausgenommen, es sei denn, er wäre krank oder durch eine dringende Angelegenheit beansprucht; denn dieser Dienst bringt großen Lohn und lässt die Liebe wachsen. Den Schwachen aber gebe man Hilfe, damit sie ihren Dienst verrichten, ohne traurig zu werden. Überhaupt sollen alle je nach Größe der Gemeinschaft und nach den örtlichen Verhältnissen Hilfe bekommen. Ist die Gemeinschaft größer, sei der Cellerar vom Küchendienst ausgenommen, ebenso wer, wie gesagt, durch wichtigere Angelegenheiten beansprucht ist. Die übrigen Brüder sollen einander in Liebe dienen. Wer den Wochendienst beendet, soll am Samstag alles reinigen und die Tücher waschen, mit denen sich die Brüder Hände und Füße abtrocknen. Die Brüder, die den Wochendienst beginnen und die ihn beenden, sollen allen die Füße waschen. Die benutzten Geräte sollen dem Cellerar sauber und unbeschädigt zurückgegeben werden. Der Cellerar aber übergebe sie dem weiter, der den Dienst antritt. So weiß er, was er gibt und was er zurückerhält. Die Wochendiener sollen (an Fasttagen) vor der einzigen Mahlzeit über das festgesetzte Maß hinaus etwas zu trinken und Brot erhalten, damit sie ihren Brüdern zur Stunde der Mahlzeit ohne Murren und besondere Mühe dienen können. An Festtagen aber müssen sie bis zum Schluss warten. Die Brüder, die den Wochendienst beginnen und die ihn beenden, sollen sich am Sonntag gleich nach dem Morgenlob im Oratorium tief vor allen verbeugen und um das Gebet für sich bitten. Wer den Wochendienst beendet spreche folgenden Vers: „Gepriesen bist du, Herr und Gott, du hast mir geholfen und mich getröstet.“ Hat er dreimal so gesprochen und den Segen zum Abschluss seines Dienstes empfangen, folgt, wer den Dienst beginnt, und spricht: „O Gott, komm mir zu Hilfe, Herr, eile mir zu helfen.“ Auch diesen Vers wiederholen alle dreimal, dann empfängt der Bruder den Segen und beginnt seinen Dienst.

Kapitel 36: Die kranken Brüder

Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen: man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus; hat er doch gesagt: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“, und: „Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Aber auch die Kranken mögen bedenken, dass man ihnen dient, um Gott zu ehren; sie sollen ihre Brüder, die ihnen dienen, nicht durch übertriebene Ansprüche traurig machen. Doch auch solche Kranke müssen in Geduld ertragen werden; denn durch sie erlangt man größeren Lohn. Daher sei es eine Hauptsorge des Abtes, dass sie unter keiner Vernachlässigung zu leiden haben. Die kranken Brüder sollen einen eigenen Raum haben und einen eigenen Pfleger, der Gott fürchtet und ihnen sorgfältig und eifrig dient. Man biete den Kranken, sooft es ihnen guttut, ein Bad an; den Gesunden jedoch und vor allem den Jüngeren erlaube man es nicht so schnell. Die ganz schwachen Kranken dürfen außerdem zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit Fleisch essen. Doch sobald es ihnen besser geht, sollen sie alle nach allgemeinen Brauch auf Fleisch verzichten. Der Abt sehe es als seine Hauptsorge an, dass die Kranken weder vom Cellerar noch von den Pflegern vernachlässigt werden. Auf ihn fällt zurück, was immer die Jünger verschulden.

Kapitel 37: Alte und Kinder

Zwar neigt der Mensch schon von Natur aus zu barmherziger Rücksicht auf die Lage der Alten und der Kinder; doch soll auch durch die Autorität der Regel für sie gesorgt sein. Immer achte man auf ihre Schwäche. Für ihre Nahrung darf die Strenge der Regel keinesfalls gelten. Güte und Verständnis; sie dürfen schon vor der festgesetzten Zeit essen.

Kapitel 38: Der wöchentliche Dienst des Tischlesers

Beim Tisch der Brüder darf die Lesung nicht fehlen. Doch soll nicht der Nächstbeste nach dem Buch greifen und lesen, sondern der vorgesehene Leser beginne am Sonntag seinen Dienst für die ganze Woche. Wer den Dienst antritt, erbitte nach der Messe und der Kommunion das Gebet aller, damit Gott den Geist der Überheblichkeit von ihm fernhalte. Daher beten alle im Oratorium dreimal folgenden Vers, den der Leser anstimmt: „Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde.“ So erhält er den Segen und beginnt dann seinen Dienst als Leser. Es herrsche größte Stille. Kein Flüstern und kein Laut sei zu hören, nur die Stimme des Lesers. Was sie aber beim Essen und Trinken brauchen, sollen die Brüder einander so reichen, dass keiner um etwas bitten muss. Fehlt trotzdem etwas, erbitte man es eher mit einem vernehmbaren Zeichen als durch ein Wort. Niemand nehme sich heraus, bei Tisch Fragen über die Lesung oder über etwas anderes zu stellen, damit es keine Gelegenheit zum Unfrieden gibt. Doch der Obere kann zur Erbauung kurz etwas sagen. Der Tischleser der Woche erhält vor Beginn der Lesung etwas Mischwein, und zwar wegen der heiligen Kommunion; auch soll ihm das Fasten nicht zu schwer werden. Nachher isst er mit denen, die in der Küche oder anderswo ihren Wochendienst haben.Die Brüder dürfen übrigens nicht der Reihe nach vorlesen oder vorsingen, sondern nur, wenn sie die Zuhörer erbauen.

Kapitel 39: Das Maß der Speise

Nach unserer Meinung dürften für die tägliche Hauptmahlzeit, ob zur sechsten oder neunten Stunde, für jeden Tisch mit Rücksicht auf die Schwäche einzelner zwei gekochte Speisen genügen. Wer etwa von der einen Speise nicht essen kann, dem bleibt zur Stärkung die andere. Zwei gekochte speisen sollen also für alle Brüder genug sein. Gibt es Obst oder frisches Gemüse, reiche man es zusätzlich. Ein reichlich bemessenes Pfund Brot genüge für den Tag, ob man nur eine Mahlzeit hält oder Mittag und Abendessen einnimmt. Essen die Brüder auch am Abend, hebe der Cellerar ein Drittel dieses Pfundes auf, um es ihnen beim Abendtisch zu geben. War die Arbeit einmal härter, liegt es im Ermessen und in der Zuständigkeit des Abtes, etwas mehr zu geben, wenn es guttut. Doch muss vor allem Unmäßigkeit vermieden werden; und nie darf sich bei den Mönchen Übersättigung einschleichen. Denn nichts steht so im Gegensatz zu einem Christen wie Unmäßigkeit, sagt doch unser Herr: „Nehmt euch in acht, dass nicht Unmäßigkeit euer Herz belaste.“ Knaben erhalten nicht die gleiche Menge wie Erwachsene, sondern weniger. In allem achte man auf Genügsamkeit. Auf das Fleisch vierfüßiger Tiere sollen alle verzichten, außer die ganz schwachen Kranken.

Kapitel 40: Das Maß des Getränkes

Jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so. Deshalb bestimmen wir nur mit einigen Bedenken das Maß der Nahrung für andere. Doch mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Schwachen meinen wir, dass für jeden täglich eine Hemina Wein genügt. Wem aber Gott die Kraft zur Enthaltsamkeit gibt, der wisse, dass er einen besonderen Lohn empfangen wird. Ob ungünstige Ortsverhältnisse, Arbeit oder Sommerhitze mehr erfordern, steht im Ermessen des Oberen. Doch achte er darauf, dass sich nicht Übersättigung oder Trunkenheit einschleichen. Zwar lesen wir, Wein passe überhaupt nicht für Mönche. Aber weil sich die Mönche heutzutage davon nicht überzeugen lassen, sollten wir uns wenigstens darauf einigen, nicht bis zum Übermaß zu trinken, sondern weniger. Denn der Wein bringt sogar die Weisen zu Fall. Wo aber ungünstige Ortsverhältnisse es mit sich bringen, dass nicht einmal das oben angegebene Maß, sondern viel weniger oder überhaupt nichts zu bekommen ist, sollen Brüder, die dort wohnen Gott preisen und nicht murren. Dazu mahnen wir vor allem: Man unterlasse das Murren.

Kapitel 41: Die Mahlzeiten

Vom heiligen Osterfest bis Pfingsten halten die Brüder zur sechsten Stunde die Hauptmahlzeit und nehmen am Abend eine Stärkung zu sich. Doch von Pfingsten an sollen die Mönche während des ganzen Sommers am Mittwoch und Freitag bis zur neunten Stunde fasten, wenn sie keine Feldarbeit haben und die Sommerhitze nicht zu sehr drückt. An den übrigen Tagen nehmen sie die Hauptmahlzeit zur sechsten Stunde ein. Die sechste Stunde für die Hauptmahlzeit wird auch beibehalten, wenn die Brüder auf dem Feld arbeiten oder die Sommerhitze unerträglich ist; der Abt sorge dafür. Überhaupt regle und ordne er alles so, dass es den Brüdern zum Heil dient und sie ohne einen berechtigten Grund zum Murren ihre Arbeit tun können. Vom 13.September bis zum Beginn der Fastenzeit essen sie nur zur neunten Stunde. Vom Beginn der Fastenzeit bis Ostern halten sie die Mahlzeit erst am Abend. Die Vesper aber wird so angesetzt, dass man bei Tisch kein Lampenlicht braucht. Vielmehr muss alles noch bei Tageslicht fertig werden. Auch zu anderen Jahreszeiten werde die Stunde für das Abendessen oder für die Hauptmahlzeit so gewählt, dass alles bei Tageslicht geschehen kann.

Kapitel 42: Das Schweigen nach der Komplet

Immer müssen sich die Mönche mit Eifer um das Schweigen bemühen, ganz besonders aber während der Stunden der Nacht. Daher treffen wir eine Regelung für das ganze Jahr, sowohl für Fasttage wie für Tage ohne Fasten. An Tagen mit Mittag und Abendessen gilt: Sobald man vom Abendessen aufgestanden ist, setzen sich alle zusammen. Dann lese einer die „Unterredungen“, die „Lebensbeschreibungen der Väter“ oder sonst etwas vor, das die Hörer erbaut, nicht aber den Heptateuch oder die Bücher der Könige, denn für weniger gefestigte Brüder ist es nicht gut, wenn sie zur Abendstunde diese Schriften hören; zu anderer Zeit aber soll man sie lesen. An Fastagen dagegen gilt: Nach der Feier der Vesper und einer kurzen Pause begibt man sich, wie schon gesagt, zur Lesung der „Unterredungen“. Man lese vier oder fünf Blätter, soviel die Zeit eben erlaubt. So können während dieser Lesung alle zusammenkommen, auch wenn sie noch mit den zugewiesenen Arbeiten beschäftigt waren. sind alle versammelt, halten sie die Komplet. Wenn sie dann aus der Komplet kommen, gebe es für keinen mehr die Erlaubnis, irgend etwas zu reden. Findet sich einer, der diese Regel des Schweigens übertritt, werde er schwer bestraft, ausgenommen, das Reden sei wegen der Gäste nötig, oder der Abt gebe jemandem einen Auftrag. Aber auch dann geschehe es mit großem Ernst und vornehmer Zurückhaltung.

Kapitel 43: Die Bußen für Unpünktlichkeit

Hört man das Zeichen zum Gottesdienst, lege man sofort alles aus der Hand und komme in größter Eile herbei, allerdings mit Ernst, um nicht Anlass zu Albernheiten zu geben. Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden. Kommt einer zu den Vigilien erst nach dem „Ehre sei dem Vater“ des Psalmes 94, der deswegen sehr langsam und gedehnt zu singen ist, darf er nicht an seinem Platz im Chor stehen. Vielmehr stehe er als letzter von allen oder auf dem Platz, den der Abt für so Nachlässige abseits bestimmt hat, damit sie von ihm und von allen gesehen werden. Dort bleibe er, bis er am Schluss des Gottesdienstes öffentlich Buße getan hat. Wir lassen die unpünktlichen Brüder bewusst auf dem letzten Platz oder abseits stehen, damit sie von allen gesehen werden, sich schämen und deshalb sich bessern. Bleiben sie nämlich außerhalb des Oratoriums, könnte sich vielleicht einer wieder schlafen legen oder sogar sich draußen hinsetzen und sich Zeit nehmen für Geschwätz; so gibt er dem Bösen Gelegenheit zur Versuchung. Sie sollen vielmehr hereinkommen, damit sie nicht alles versäumen und sich in Zukunft bessern. Kommt einer zum Gottesdienst der Gebetszeiten am Tage erst nach dem Vers und nach dem „Ehre sei dem Vater“ des anschließenden ersten Psalmes, stehe er nach der obigen Vorschrift auf dem letzten Platz. Er nehme sich nicht heraus, sich vor seiner Buße dem Chor der psalmensingenden Brüder anzuschließen, außer der Abt ist nachsichtig und erlaubt es; selbst dann muss der Schuldige Buße tun. Kommt einer zu Tisch nicht vor dem Vers denn alle sollen gemeinsam den Vers singen und beten und sich zusammen zu Tisch setzen , werde er dafür bis zu zweimal gerügt, wenn er aus Nachlässigkeit oder eigener Schuld nicht pünktlich kommt. Bessert er sich nicht, versage man ihm die Teilnahme am gemeinsamen Tisch. Getrennt von der Gemeinschaft aller Brüder, esse er allein. Auch sein Anteil an Wein werde ihm genommen, bis er Buße tut und sich bessert. Ebenso werde auch der bestraft, der beim Vers nach dem Essen nicht da ist. Keiner darf sich herausnehmen, vor oder nach der festgesetzten Zeit eigenmächtig etwas zu essen oder zu trinken. Weigert sich einer anzunehmen, was der Obere ihm angeboten hat, dann soll er überhaupt nichts erhalten, wenn er zu einer anderen Zeit verlangt, was er vorher ausgeschlagen hat, oder wenn er sonst etwas haben will. Das gilt, bis er sich entsprechend gebessert hat.

Kapitel 44 Die Bußen der Ausgeschlossenen

Wer für ein schweres Vergehen vom Oratorium und vom Tisch ausgeschlossen ist, werfe sich am Ende der gottesdienstlichen Feier vor der Tür des Oratoriums zu Boden. Ohne etwas zu sagen, mit dem Gesicht zur Erde soll er dort zu Füßen aller liegen, die aus dem Oratorium kommen. Das tue er solange, bis der Abt entscheidet, dass es genügt. Sobald der Abt ihn rufen lässt und er hereinkommt, werfe er sich dem Abt und dann allen zu Füßen, damit sie für ihn beten. Dann werde er auf Geheiß des Abtes wieder in den Chor aufgenommen, und zwar an dem Platz, den der Abt bestimmt. Doch darf er ohne Erlaubnis des Abtes noch keinen Psalm, keine Lesung oder sonst etwas im Oratorium vortragen. Bei allen Gebetszeiten werfe er sich am Ende des Gottesdienstes an seinem Platz zu Boden. So tue er Buße, bis der Abt ihm befiehlt, dies zu beenden. Wer aber für ein leichtes Vergehen nur vom Tisch ausgeschlossen ist, soll im Oratorium Buße tun, solange der Abt es befiehlt. Das muß er tun, bis der Abt den Segen gibt und sagt: Genug.

Kapitel 45: Die Buße für Fehler im Oratorium

Wer beim Vortrag eines Psalmes, eines Responsoriums, einer Antiphon oder einer Lesung einen Fehler macht und sich nicht gleich vor allen demütigt und so Buße tut, den treffe eine schwerere Strafe. Denn er wollte nicht durch Demut wiedergutmachen, was er durch Nachlässigkeit verschuldet hatte. Knaben aber erhalten für eine solche Verfehlung Rutenschläge.

Kapitel 46: Die Bußen für andere Verfehlungen

Wenn jemand bei irgendeiner Arbeit, in der Küche, im Vorratsraum, bei einem Dienst, in der Bäckerei, im Garten, oder sonst irgendwo einen Fehler macht oder etwas zerbricht oder verliert oder irgendwo etwas verschuldet und nicht unverzüglich kommt, um von sich aus vor Abt und Gemeinschaft Buße zu tun und seinen Fehler zu bekennen, sondern wenn sein Fehler durch einen anderen bekannt wird, dann treffe ihn eine schwerere Strafe. Handelt es sich aber um eine in der Seele verborgene Sünde, eröffne er sie nur dem Abt oder einem der geistlichen Väter, der es versteht, eigene und fremde Wunden zu heilen, ohne sie aufzudecken und bekanntzumachen.

Kapitel 47: Das Zeichen zum Gottesdienst

Die Zeit zum Gottesdienst am Tage und in der Nacht anzukündigen sei Sorge des Abtes. Er gebe selbst das Zeichen oder übertrage die Sorge dafür einem gewissenhaften Bruder, damit alles zur rechten Zeit geschieht. Psalmen und Antiphonen sollen nach dem Abt die Brüder, denen es aufgetragen wird, nach ihrer Rangordnung vortragen. Keiner aber nehme sich heraus, zu singen oder zu lesen, wenn er diese Aufgabe nicht erfüllen kann, daß die Hörer erbaut werden. Es geschehe mit Demut, Ernst und Ehrfurcht und im Auftrag des Abtes.

Kapitel 48: Die Ordnung für Handarbeit und Lesung

Müßiggang ist der Seele Feind. Deshalb sollen die Brüder zu bestimmten Zeiten mit Handarbeit, zu bestimmten Stunden mit heiliger Lesung beschäftigt sein. Und so meinen wir, durch folgende Verfügung die Zeit für beides ordnen zu können: Von Ostern bis zum 1.Oktober verrichten sie morgens nach der Prim bis ungefähr zur vierten Stunde die notwendigen Arbeiten. Von der vierten Stunde aber bis zur Sext sollen sie frei sein für die Lesung. Nach der Sext und der Mahlzeit sollen sie unter völligem Schweigen auf ihren Betten ruhen. Will aber einer für sich lesen, dann lese er so, dass er keinen anderen stört. Die Non werde früher gehalten, zur Mitte der achten Stunde; dann gehen sie bis zur Vesper wieder an die Arbeit. Wenn es die Ortsverhältnisse oder die Armut fordern, daß sie die Ernte selber einbringen, sollen sie nicht traurig sein. Sie sind dann wirklich Mönche, wenn sie wie unsere Väter und die Apostel von ihrer Hände Arbeit leben. Alles aber geschehe der Kleinmütigen wegen maßvoll. Vom 1.Oktober bis zum Beginn der Fastenzeit sollen sie bis zum Ende der zweiten Stunde für die Lesung frei sein. Zur zweiten Stunde werde die Terz gehalten. Bis zur neunten Stunde verrichten alle die Arbeit, die ihnen aufgetragen ist. Beim ersten Zeichen zur Non breche jeder seine Arbeit ab, um bereit zu sein, wenn das zweite Zeichen gegeben wird. Nach dem Essen sollen sie für die Lesung oder für die Psalmen frei sein. In den Tagen der Fastenzeit aber sollen sie vom Morgen bis zum Ende der dritten Stunde für die Lesung frei sein. Dann verrichten sie bis zum Ende der zehnten Stunde, was ihnen aufgetragen wird. In diesen Tagen der Fastenzeit erhält jeder einen Band der Bibel, den er von Anfang bis Ende lesen soll. Diese Bände werden zu Beginn der Fastenzeit ausgegeben. Vor allem aber bestimme man einen oder zwei Ältere, die zu den Stunden, da die Brüder für die Lesung frei sind, im Kloster umhergehen. Sie müssen darauf achten, ob sich etwa ein träger Bruder findet, der mit Müßiggang oder Geschwätz seine Zeit verschwendet, anstatt eifrig bei der Lesung zu sein; damit bringt einer nicht nur sich selbst um den Nutzen, sondern lenkt auch andere ab. Wird ein solcher, was ferne sei, ertappt, werde er einmal und ein zweites Mal zurechtgewiesen. Bessert er sich nicht, treffe ihn die von der Regel vorgesehene Strafe so, dass die anderen sich fürchten. Überhaupt darf ein Bruder mit einem anderen nur in den vorgesehenen Stunden zusammensein. Am Sonntag sollen ebenfalls alle für die Lesung frei sein außer jenen, die für verschiedene Dienste eingeteilt sind. Ist aber einer so nachlässig und träge, dass er nicht willens oder fähig ist, etwas zu lernen oder zu lesen, trage man ihm eine Tätigkeit auf, damit er nicht müßig ist. Kranken oder empfindlichen Brüdern werde eine passende Beschäftigung oder ein geeignetes Handwerk zugewiesen; sie sollen nicht müßig sein, aber auch nicht durch allzu große Last der Arbeit erdrückt oder sogar fortgetrieben werden. Der Abt muss auf ihre Schwäche Rücksicht nehmen.

Kapitel 49: Die Fastenzeit

Der Mönch soll zwar immer ein Leben führen wie in der Fastenzeit. Dazu aber haben nur wenige die Kraft. Deshalb raten wir, dass wir wenigstens in diesen Tagen der Fastenzeit in aller Lauterkeit auf unser Leben achten und gemeinsam in diesen heiligen Tagen die früheren Nachlässigkeiten tilgen. Das geschieht dann in rechter Weise, wenn wir uns vor allen Fehlern hüten und uns um das Gebet unter Tränen, um die Lesung, die Reue des Herzens und um Verzicht mühen. Gehen wir also in diesen Tagen über die gewohnte Pflicht unseres Dienstes hinaus durch besonderes Gebet und durch Verzicht beim Essen und Trinken. So möge jeder über das ihm zugewiesene Maß hinaus aus eigenem Willen in der Freude des Heiligen Geistes Gott etwas darbringen; er entziehe seinem Leib etwas an Speise, Trank und Schlaf und verzichte auf Geschwätz und Albernheiten. Mit geistlicher Sehnsucht und Freude erwarte er das heilige Osterfest. Was aber der einzelne als Opfer bringen will, unterbreite er seinem Abt. Es geschehe mit seinem Gebet und seiner Einwilligung; denn was ohne Erlaubnis des geistlichen Vaters geschieht, wird einmal als Anmaßung und eitle Ehrsucht gelten und nicht belohnt. Also werde alles mit Einwilligung des Abtes getan.

Kapitel 50: Gebetszeiten außerhalb des Klosters

Wenn Brüder sehr weit entfernt arbeiten, nicht zur rechten Zeit zum Oratorium kommen können und wenn der Abt festgestellt hat, dass es wirklich so ist, dann müssen sie den Gottesdienst an ihrem Arbeitsplatz halten. Mit Ehrfurcht sollen sie vor Gott die Knie beugen. Auch die Brüder, die auf Reisen geschickt werden, übergehen die festgesetzten Gebetsstunden nicht; sie feiern diese für sich, so gut sie können. Sie sollen nicht versäumen, die Pflicht ihres Dienstes zu erfüllen.

Kapitel 51: Mahlzeiten außerhalb des Klosters

Wird ein Bruder zu einer Besorgung ausgeschickt und ist zu erwarten, daß er am gleichen Tag ins Kloster zurückkehrt, darf er sich nicht herausnehmen, draußen zu essen, auch wenn ihn jemand sehr dazu drängt, es sei denn, sein Abt habe ihm die Erlaubnis gegeben. Handelt er anders, werde er ausgeschlossen.

Kapitel 52: Das Oratorium des Klosters

Das Oratorium sei, was sein Name besagt, Haus des Gebetes. Nichts anderes werde dort getan oder aufbewahrt. Nach dem Gottesdienst gehen alle in größter Stille hinaus und bezeugen Ehrfurcht vor Gott. So wird ein Bruder, der noch für sich allein beten möchte, nicht durch die Rücksichtslosigkeit eines anderen daran gehindert. Auch wenn sonst einer still für sich beten will, trete er einfach ein und bete, nicht mit lauter Stimme, sondern unter Tränen und mit wacher Aufmerksamkeit des Herzens. Wer sich nicht so verhalten will, darf nach dem Gottesdienst nicht im Oratorium zurückbleiben, damit, wie gesagt, ein anderer nicht gestört wird.

Kapitel 53: Die Aufnahme der Gäste

Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus; denn er wird sagen: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“ Allen erweise man die angemessene Ehre, besonders den Brüdern im Glauben und den Pilgern. Sobald ein Gast gemeldet wird, sollen ihm daher der Obere und die Brüder voll dienstbereiter Liebe entgegeneilen. Zuerst sollen sie miteinander beten und dann als Zeichen der Gemeinschaft den Friedenskuß austauschen. Diesen Friedenskuß darf man wegen der Täuschung des Teufels erst nach dem Gebet geben. Allen Gästen begegne man bei der Begrüßung und beim Abschied in tiefer Demut: man verneige sich, werfe sich ganz zu Boden und verehre so in ihnen Christus, der in Wahrheit aufgenommen wird. Hat man die Gäste aufgenommen, nehme man sie mit zum Gebet; dann setze sich der Obere zu ihnen oder ein Bruder, dem er es aufträgt. Man lese dem Gast die Weisungen Gottes vor, um ihn im Glauben zu erbauen; dann nehme man sich mit aller Aufmerksamkeit gastfreundlich seiner an. Das Fasten breche der Obere dem Gast zuliebe, nur nicht an einem allgemein vorgeschriebenen Fasttag, der eingehalten werden muss. Die Brüder aber fasten wie gewohnt. Der Abt gieße den Gästen Wasser über die Hände; Abt und Brüder zusammen sollen allen Gästen die Füße waschen. Nach der Fußwaschung beten sie den Psalmvers: „Wir haben, o Gott, deine Barmherzigkeit aufgenommen inmitten deines Tempels.“ Vor allem bei der Aufnahme von Armen und Fremden zeige man Eifer und Sorge, denn besonders in ihnen wird Christus aufgenommen. Das Auftreten der Reichen verschafft sich ja von selbst Beachtung. Abt und Gäste sollen eine eigene Küche haben; so stören Gäste, die unvorhergesehen kommen und dem Kloster nie fehlen, die Brüder nicht. Diese Küche übernehmen für je ein Jahr zwei Brüder, die für diese Arbeit gut geeignet sind. Sooft sie es brauchen, gebe man ihnen Hilfen, damit sie ohne Murren dienen; sind sie jedoch zu wenig beschäftigt, sollen sie zu der Arbeit gehen, die man ihnen aufträgt. Doch nicht nur hier, sondern für alle Aufgabenbereiche im Kloster gelte der Grundsatz: Wer Hilfe braucht, soll sie erhalten; wer jedoch frei ist, übernehme gehorsam jeden Auftrag. Die Unterkunft für die Gäste vertraue man einem Bruder an, der von Gottesfurcht ganz durchdrungen ist. Dort sollen genügend Betten bereitstehen. Das Haus Gottes soll von Weisen auch weise verwaltet werden. Mit den Gästen darf niemand ohne Auftrag zusammensein oder sprechen. Wer ihnen begegnet oder sie sieht, grüße sie, wie schon gesagt, in Demut, bitte um den Segen und gehe weiter mit der Bemerkung, es sei ihm nicht gestattet, sich mit einem Gast zu unterhalten.

Kapitel 54: Die Annahme von Briefen und Geschenken

Der Mönch darf keinesfalls ohne Weisung des Abtes von seinen Eltern oder irgend jemandem, auch nicht von einem anderen Mönch Briefe, Eulogien oder sonst kleine Geschenke annehmen oder geben. Selbst wenn seine Eltern ihm etwas geschickt haben, darf er sich nicht anmaßen, es anzunehmen, ehe der Abt benachrichtigt wurde. Hat der Abt die Annahme erlaubt, kann er immer noch verfügen, wem es zu geben ist. Dann sei der Bruder, dem es geschickt wurde, nicht traurig, damit dem Teufel kein Raum gegeben werde. Wer sich etwas anderes herausnimmt, den treffe die von der Regel vor gesehene Strafe.

Kapitel 55: Kleidung und Schuhe der Brüder

Die Kleidung, welche die Brüder erhalten, soll der Lage und dem Klima ihres Wohnortes entsprechen; denn in kalten Gegenden braucht man mehr, in warmen weniger. Darauf zu achten ist Aufgabe des Abtes. Unserer Meinung nach genügen in Gegenden mit gemäßigtem Klima für jeden Mönch Kukulle und Tunika, die Kukulle im Winter wollig, im Sommer leicht oder abgetragen, für die Arbeit ein Überwurf und als Fußbekleidung Socken und Schuhe. Über Farbe oder groben Stoff dieser Kleidungsstücke sollen sich die Mönche nicht beschweren; man nehme alles so, wie es sich in der Gegend, wo sie wohnen, findet, oder was man billiger kaufen kann. Der Abt sorge aber für das rechte Maß, dass die Kleider nicht zu kurz sind, sondern denen, die sie tragen, passen. Bekommen sie etwas Neues, geben sie das Alte immer gleich ab; es wird in der Kleiderkammer für die Armen aufbewahrt. Für einen Mönch genügen zwei Tuniken und zwei Kukullen; so kann er zur Nacht und zum Waschen die Kleider wechseln. Was darüber hinausgeht, ist überflüssig und muss entfernt werden. Ebenso gibt man die Socken und alles Abgetragene ab, wenn man Neues bekommt. Wer auf Reisen geschickt wird, erhält Hosen aus der Kleiderkammer; nach der Rückkehr gibt er sie gewaschen wieder ab. Kukulle und Tunika, die er für die Reise aus der Kleiderkammer erhält und nach der Rückkehr zurückzugeben hat, seien ein wenig besser, als man sie für gewöhnlich trägt. Als Bettzeug genügen Matte, Tuch, Decke und Kopfkissen. Der Abt durchsuche häufig die Betten, ob sich dort nicht Eigenbesitz finde. Wenn sich bei einem etwas findet, das er nicht vom Abt bekommen hat, treffe ihn strengste Strafe. Um dieses Laster des Eigenbesitzes mit der Wurzel auszurotten, muss der Abt alles Notwendige geben: Kukulle, Tunika, Socken, Schuhe, Gürtel, Messer, Griffel, Nadel, Tuch, Schreibtafel; so kann sich keiner damit entschuldigen, es habe ihm etwas Notwendiges gefehlt. Der Abt erwäge aber immer jenen Satz der Apostelgeschichte: „Jedem wurde so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ So berücksichtige der Abt die Schwäche der Bedürftigen, nicht die Missgunst der Neider. Doch bei allen Entscheidungen denke er an die Vergeltung Gottes.

Kapitel 56: Der Tisch des Abtes

Der Abt habe seinen Tisch immer mit den Gästen und Pilgern gemeinsam. Sooft jedoch nur wenig Gäste da sind, steht es ihm frei, von den Brüdern zu rufen, wen er will. Immer aber lasse er der Ordnung wegen einen oder zwei Ältere bei den Brüdern.

Kapitel 57: Mönche als Handwerker

Sind Handwerker im Kloster, können sie in aller Demut ihre Tätigkeit ausüben, wenn der Abt es erlaubt. Wird aber einer von ihnen überheblich, weil er sich auf sein berufliches Können etwas einbildet und meint, er bringe dem Kloster etwas ein, werde ihm seine Arbeit genommen. Er darf sie erst wieder aufnehmen, wenn er Demut zeigt und der Abt es ihm von neuem erlaubt. Wenn etwas von den Erzeugnissen der Handwerker verkauft wird, sollen jene, durch deren Hand die Waren veräußert werden, darauf achten, dass sie keinen Betrug begehen. Sie sollen immer an Hananias und Saphira denken, damit sie nicht etwa den Tod an der Seele erleiden, der jene am Leib traf. Das gilt ebenso für alle anderen, die mit dem Eigentum des Klosters unredlich umgehen. Bei der Festlegung der Preise darf sich das Übel der Habgier nicht einschleichen. Man verkaufe sogar immer etwas billiger, als es sonst außerhalb des Klosters möglich ist, damit in allem Gott verherrlicht werde.

Kapitel 58: Die Ordnung bei der Aufnahme von Brüdern

Kommt einer neu und will das klösterliche Leben beginnen, werde ihm der Eintritt nicht leicht gewährt, sondern man richte sich nach dem Wort des Apostels: „Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind.“ Wenn er also kommt und beharrlich klopft und es nach vier oder fünf Tagen klar ist, daß er die ihm zugefügte harte Behandlung sowie die Schwierigkeiten beim Eintritt geduldig erträgt, aber trotzdem auf seiner Bitte besteht, gestatte man ihm den Eintritt, und er halte sich einige Tage in der Unterkunft für Gäste auf. Danach wohne er im Raum für die Novizen, wo sie lernen, essen und schlafen. Ein erfahrener Bruder werde für sie bestimmt, der geeignet ist, Menschen zu gewinnen, und der sich mit aller Sorgfalt ihrer annimmt. Man achte genau darauf, ob der Novize wirklich Gott sucht, ob er Eifer hat für den Gottesdienst, ob er bereit ist zu gehorchen und ob er fähig ist, Widerwärtiges zu ertragen. Offen rede man mit ihm über alles Harte und Schwere auf dem Weg zu Gott. Wenn er verspricht, beharrlich bei seiner Beständigkeit zu bleiben, lese man ihm nach Ablauf von zwei Monaten diese Regel von Anfang bis Ende vor und sage ihm: Siehe das Gesetz, unter dem du dienen willst; wenn du es beobachten kannst, tritt ein, wenn du es aber nicht kannst, geh in Freiheit fort. Wenn er noch immer bleiben will, dann führe man ihn in den oben erwähnten Raum der Novizen und prüfe ihn wieder in aller Geduld. Nach Ablauf von sechs Monaten lese man ihm die Regel vor: Er soll wissen, was der Eintritt für ihn bedeutet. Wenn er noch bei seinem Entschluss bleibt, liest man ihm nach vier Monaten dieselbe Regel wieder vor. Hat er es sich reiflich überlegt und verspricht er, alles zu beachten und sich an alles zu halten, was ihm aufgetragen wird, dann soll er in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Doch muss er wissen, dass er, auch nach dem Gesetz der Regel, von diesem Tag an weder das Kloster verlassen noch das Joch der Regel von seinem Nacken abschütteln darf; er hatte ja lange genug Zeit zu überlegen, ob er es von sich weisen oder auf sich nehmen wolle. Bei der Aufnahme verspreche er im Oratorium in Gegenwart aller Beständigkeit, klösterlichen Lebenswandel und Gehorsam, vor Gott und seinen Heiligen. Sollte er einmal anders handeln, so muss er wissen, dass er von dem verworfen wird, den er nicht ernstnimmt. Über sein Versprechen verfasse er eine Urkunde auf den Namen der Heiligen, deren Reliquien dort sind, und des anwesenden Abtes. Diese Urkunde schreibe er mit eigener Hand. Kann er dies jedoch nicht, soll sie auf seine Bitte hin ein anderer schreiben. Der Novize setze sein Zeichen darunter und lege die Urkunde mit eigener Hand auf den Altar. Wenn er sie niedergelegt hat, stimmt der Novize sofort folgenden Vers an: „Nimm mich auf, Herr, nach deinem Wort, und ich werde leben; lass mich in meiner Hoffnung nicht scheitern.“ Diesen Vers wiederholt die ganze Gemeinschaft dreimal und fügt das „Ehre sei dem Vater“ hinzu. Dann wirft sich der neue Bruder jedem einzelnen zu Füßen, damit sie für ihn beten. Von dieser Stunde an wird er zur Gemeinschaft gerechnet. Wenn er Eigentum hat, verteile er es vorher an die Armen oder vermache es in aller Form durch eine Schenkung dem Kloster. Er darf sich gar nichts vor behalten; denn er weiß ja: Von diesem Tag an hat er nicht einmal das Verfügungsrecht über seinen eigenen Leib. Noch im Oratorium ziehe man ihm also die eigenen Sachen aus, mit denen er bekleidet ist, und ziehe ihm die Sachen des Klosters an. Jene Kleider aber, die man ihm ausgezogen hat, sollen in die Kleiderkammer gebracht und dort aufbewahrt werden. Sollte er nämlich einmal der Einflüsterung des Teufels nachgeben und das Kloster verlassen, was ferne sei, dann ziehe man ihm die Sachen des Klosters aus und entlasse ihn. Seine Urkunde aber, die der Abt vom Altar genommen hat, soll er nicht zurückbekommen, sondern sie werde im Kloster zurückbehalten.

Kapitel 59: Die Aufnahme von Kindern

Wenn ein Vornehmer seinen Sohn im Kloster Gott darbringt und dieser noch ein Kind ist, dann stellen die Eltern die oben erwähnte Urkunde aus. Zusammen mit einer Opfergabe wickeln sie diese Urkunde und die Hand des Knaben in das Altartuch und bringen ihn so dar. Was ihr Vermögen angeht, so sollen sie in der vorliegenden Urkunde unter Eid versprechen, dass sie niemals selbst, auch nie durch eine vorgeschobene Person noch auf irgendeine andere Weise dem Knaben etwas schenken oder ihm die Möglichkeit bieten, etwas zu besitzen. Sind sie jedoch damit nicht zufrieden, sondern möchten etwas Gutes tun, können sie dem Kloster eine Spende anbieten. Was sie geben wollen, das sollen sie dem Kloster als Schenkung vermachen. Wenn sie es wünschen, können sie sich die Nutznießung vorbehalten. Auf diese Weise werde allem vorgebeugt, so dass dem Knaben keine Aussicht bleibt, die ihn betören und verderben könnte, was ferne sei. Wir kennen das aus Erfahrung. Entsprechend sollen es auch Ärmere halten. Wer aber gar nichts hat, stellt einfach die Urkunde aus und bringt in Gegenwart von Zeugen seinen Sohn zusammen mit der Opfergabe dar.

Kapitel 60: Die Aufnahme von Priestern

Wenn einer aus dem Priesterstand um Aufnahme in das Kloster bittet, so stimme man nicht gleich zu. Beharrt er trotzdem fest auf seiner Bitte, so muss er wissen, dass er die Regel in ihrer ganzen Strenge zu halten hat. Nichts wird ihm erleichtert, es gelte das Wort der Schrift: „Freund, wozu bist du gekommen?“ Man gestatte ihm allerdings, seinen Platz gleich nach dem Abt zu haben, den Segen zu sprechen und den Gottesdienst zu halten, aber nur, wenn der Abt ihn beauftragt. Sonst nehme er sich nichts heraus; er weiß ja, dass er der Zucht der Regel unterworfen ist, und mehr als andere gebe er allen ein Beispiel der Demut. Wenn es um die Besetzung eines Amtes oder eine andere Angelegenheit im Kloster geht, nimmt er den Platz ein, der seinem Eintritt ins Kloster entspricht, nicht jenen, der ihm sonst aus Ehrfurcht vor dem Priestertum eingeräumt wird. Wenn Kleriker das gleiche Verlangen haben und sich dem Kloster an schließen möchten, weist man ihnen einen mittleren Platz zu, aber nur dann, wenn sie die Beobachtung der Regel und Beständigkeit versprechen.

Kapitel 61: Die Aufnahme fremder Mönche

Es kann sein, dass ein fremder Mönch von weither kommt und als Gast im Kloster bleiben möchte. Wenn er mit der Lebensweise, die er dort antrifft, zufrieden ist und nicht etwa durch übertriebene Ansprüche Verwirrung ins Kloster bringt, sondern sich ohne Umstände mit dem was er vorfindet, begnügt, nehme man ihn auf, und er bleibe, solange er will. Sollte er in Demut und Liebe eine begründete Kritik äußern oder auf etwas aufmerksam machen, so erwäge der Abt klug, ob ihn der Herr nicht vielleicht gerade deshalb geschickt hat. Will er sich aber zur Beständigkeit verpflichten, weise man einen solchen Wunsch nicht zurück; man konnte ja seine Lebensführung kennenlernen, solange er Gast war. Erweist er sich aber in der Zeit seines Aufenthaltes als anspruchsvoll und mit vielen Fehlern behaftet, muß man ihm nicht nur die Aufnahme in die klösterliche Gemeinschaft verweigern, sondern man sage ihm zudem höflich, er solle gehen, damit nicht durch seinen beklagenswerten Zustand auch noch andere verdorben werden. Verdient er es jedoch nicht, weggeschickt zu werden, nehme man ihn nicht erst auf seine eigene Bitte hin als Glied der Gemeinschaft auf, sondern lege ihm das Bleiben sogar nahe, damit andere von seinem Beispiel lernen. Wir dienen doch überall dem einen Herrn und kämpfen für den einen König. Hat der Abt einen solchen Mönch als vorbildlich erkannt, darf er ihm einen etwas höheren Platz zuweisen. Kommt der Abt bei Priestern und Klerikern, wie schon gesagt wurde, zu einem ähnlichen Urteil, darf er nicht nur einen Mönch, sondern auch sie an einen höheren Platz stellen, als es ihrem Eintritt entspricht. Der Abt hüte sich aber, jemals einen Mönch aus einem anderen bekannten Kloster ohne Einwilligung oder Empfehlungsschreiben seines Abtes in sein Kloster aufzunehmen, steht doch geschrieben: „Was du selbst nicht erleiden willst, das tu auch keinem anderen an!“

Kapitel 62: Die Priester des Klosters

Wenn ein Abt die Weihe eines Priesters oder Diakons erbitten will, so wähle er aus seinen Mönchen einen aus, der würdig ist, den priesterlichen Dienst auszuüben. Der Geweihte aber hüte sich vor Überheblichkeit und Stolz. 0 3 Er nehme sich nichts heraus und handle nie ohne Auftrag des Abtes. Er weiß ja, dass gerade er sich der Zucht der Regel zu fügen hat. Das Priesteramt sei ihm kein Anlass, den Gehorsam und die Ordnung der Regel zu vergessen, sondern er schreite mehr und mehr auf Gott zu. Er nimmt stets den Platz ein, der seinem Eintritt ins Kloster entspricht, außer beim Dienst am Altar oder wenn ihn die Wahl der Gemeinschaft und der Wille des Abtes an einen höheren Platz stellen, weil seine Lebensführung es verdient. Doch wisse er, dass auch er sich an die Ordnung zu halten hat, die für Dekane und Prioren gilt. Nimmt er sich heraus, anders zu handeln, gelte er nicht mehr als Priester, sondern als Aufrührer. Und ändert er sich trotz wiederholter Ermahnung nicht, so ziehe man noch den Bischof als Zeugen hinzu. Wenn er sich auch dann nicht bessert und seine Schuld klar zutage liegt, werde er aus dem Kloster gewiesen, doch nur, wenn er so widerspenstig ist, dass er sich nicht unterordnen und der Regel nicht gehorchen will.

Kapitel 63: Die Rangordnung in der Gemeinschaft

Die Rangordnung im Kloster halte man so ein, wie sie sich aus dem Zeitpunkt des Eintritts oder aufgrund verdienstvoller Lebensführung ergibt und wie sie der Abt festlegt. Der Abt bringe jedoch die ihm anvertraute Herde nicht in Verwirrung. Er treffe keine ungerechte Verfügung, als könnte er seine Macht willkürlich gebrauchen, sondern er bedenke immer, dass er über all seine Entscheidungen und all sein Tun Gott Rechenschaft geben muss. Entsprechend der Rangordnung also, die er festlegt oder die ihnen von selber zukommt, sollen die Brüder zum Friedenskuss und zur Kommunion gehen, einen Psalm vortragen und im Chor stehen. Nirgendwo darf das Lebensalter für die Rangordnung den Ausschlag geben oder sie von vornherein bestimmen, haben doch Samuel und Daniel, obgleich noch jung, Gericht über die Ältesten gehalten. Außer denen also, die der Abt, wie gesagt, nach reiflicher Überlegung voranstellt oder aus bestimmten Gründen zurücksetzt, sollen alle übrigen den Platz einnehmen, der ihrem Eintritt entspricht. Wer zum Beispiel zur zweiten Stunde des Tages gekommen ist, muss wissen, dass er jünger ist als jener, der zur ersten Stunde des Tages gekommen ist, welches Alter oder welche Stellung er auch haben mag. Die Knaben aber sollen in allem und von allen zur Ordnung angehalten werden. Die Jüngeren sollen also die Älteren ehren, die Älteren die Jüngeren lieben. Spricht man einander an, so darf keiner den anderen mit dem bloßen Namen anreden, sondern die Älteren sollen die Jüngeren „Bruder“ nennen, die Jüngeren aber die Älteren „nonnus“, was soviel wie „ehrwürdiger Vater“ heißt. Der Abt aber werde mit „Herr“ und „Abt“ angeredet, weil man im Glauben erkennt, dass er Christi Stelle vertritt. Das maßt er sich nicht selbst an, vielmehr geschieht dies aus Ehrfurcht und Liebe zu Christus. Er selbst aber bedenke das und verhalte sich so, dass er dieser Ehre würdig ist. Wo immer Brüder einander begegnen, bittet der Jüngere den Älteren um den Segen. Kommt ein Älterer, steht der Jüngere auf und bietet ihm den Platz zum Sitzen an. Und der Jüngere nehme sich nicht heraus, sich wieder zu setzen, bevor ihn der Ältere dazu auffordert. So geschieht, was geschrieben steht: „Kommt einander in gegenseitiger Achtung zuvor.“ Knaben und Jugendliche sollen im Oratorium und bei Tisch ihre Reihenfolge ordentlich einhalten. Draußen aber und überall sollen sie beaufsichtigt und zur Ordnung an gehalten werden, bis sie das verständige Alter erreichen.

Kapitel 64: Einsetzung und Dienst des Abtes

Bei der Einsetzung eines Abtes soll man stets so verfahren: Es werde der bestellt, den die ganze Gemeinschaft einmütig in Gottesfurcht gewählt hat oder ein noch so kleiner Teil in besserer Einsicht. Entscheidend für die Wahl und Einsetzung seien Bewährung im Leben und Weisheit in der Lehre, mag einer in der Rangordnung der Gemeinschaft auch der Letzte sein. Es kann sogar vorkommen, was ferne sei, dass die ganze Gemeinschaft einmütig jemanden wählt, der mit ihrem sündhaften Leben einverstanden ist. Kommen etwa solche Missstände dem Bischof der betreffenden Diözese zur Kenntnis oder erfahren die Äbte oder Christen der Nachbarschaft davon, so sollen diese verhindern, dass sich die Absprache der verkommenen Mönche durchsetzt; vielmehr sollen sie für das Haus Gottes einen würdigen Verwalter bestellen. Sie dürfen wissen: Wenn sie sich von reiner Absicht und vom Eifer für Gott leiten lassen, werden sie dafür reich belohnt, andererseits machen sie sich schuldig, wenn sie es versäumen. Der eingesetzte Abt bedenke aber stets, welche Bürde er auf sich genommen hat und wem er Rechenschaft über seine Verwaltung ablegen muss. Er wisse, dass er mehr helfen als herrschen soll. Er muss daher das göttliche Gesetz genau kennen, damit er Bescheid weiß und (einen Schatz) hat, aus dem er Neues und Altes hervorholen kann. Er sei selbstlos, nüchtern, barmherzig. Immer gehe ihm Barmherzigkeit über strenges Gericht, damit er selbst Gleiches erfahre. Er hasse die Fehler, er liebe die Brüder. Muss er aber zurechtweisen, handle er klug und gehe nicht zu weit; sonst könnte das Gefäß zerbrechen, wenn er den Rost allzu heftig auskratzen will. Stets rechne er mit seiner eigenen Gebrechlichkeit. Er denke daran, dass man das geknickte Rohr nicht zerbrechen darf. Damit wollen wir nicht sagen, er dürfe Fehler wuchern lassen, vielmehr schneide er sie klug und liebevoll weg, wie es seiner Absicht nach jedem weiterhilft; wir sprachen schon davon. Er suche, mehr geliebt als gefürchtet zu werden. Er sei nicht stürmisch und nicht ängstlich, nicht maßlos und nicht engstirnig, nicht eifersüchtig und allzu argwöhnisch, sonst kommt er nie zur Ruhe. In seinen Befehlen sei er vorausschauend und besonnen. Bei geistlichen wie bei weltlichen Aufträgen unterscheide er genau und halte Maß. Er denke an die maßvolle Unterscheidung des heiligen Jakob, der sprach: „Wenn ich meine Herden unterwegs überanstrenge, werden alle an einem Tag zugrundegehen.“ Diese und andere Zeugnisse maßvoller Unterscheidung, der Mutter aller Tugenden, beherzige er. So halte er in allem Maß, damit die Starken finden, wonach sie verlangen, und die Schwachen nicht davonlaufen. Besonders wahre er in allem die vorliegende Regel. Hat er seinen Dienst gut verrichtet, dann darf er vom Herrn hören, was für den guten Knecht gilt, der seinen Mitknechten den Weizen zur rechten Zeit gegeben hat: „Amen, ich sage euch, er wird ihn zum Verwalter seines ganzen Vermögens bestellen.“

Kapitel 65: Der Prior des Klosters

Zu oft schon sind durch die Einsetzung eines Priors schwere Streitigkeiten in den Klöstern entstanden. Vom bösen Geist des Stolzes aufgebläht, bilden sich manche ein, zweite Äbte zu sein; sie reißen die Herrschaft über andere an sich, sie schüren Ärger und Streit, sie stiften Zwietracht in ihren Gemeinschaften. Das geschieht vor allem dort, wo derselbe Bischof und dieselben Äbte, die den Abt einsetzen, auch den Prior einsetzen. Wie verkehrt das ist, lässt sich leicht einsehen; denn schon vom Tag seiner Einsetzung an wird dem Prior Anlass zum Stolz gegeben. Seine Gedanken flüstern ihm nämlich ein, er sei der Autorität seines Abtes entzogen, weil er von denselben eingesetzt sei wie der Abt. Daraus entstehen Neid, Streit, Verleumdung, Eifersucht, Zwietracht und Unordnung. Wenn Abt und Prior gegeneinander stehen, bringt diese Zwietracht ihre Seelen zwangsläufig in Gefahr, und auch ihre Untergebenen laufen ins Verderben, wenn sie den Parteien schmeicheln. Die Hauptverantwortung für diesen gefährlichen Missstand trifft jene, die eine solche Unordnung verursacht haben. Daher halten wir es zur Wahrung des Friedens und der Liebe für angebracht, dass der Abt die Ämter in seinem Kloster nach eigenem Ermessen besetzt. Wenn möglich sollen Dekane alle Belange des Klosters nach den Anweisungen des Abtes regeln, wie wir schon früher bestimmt haben. Sind mehrere beauftragt, kann ein einzelner nicht stolz werden. Erfordern es aber die örtlichen Verhältnisse oder äußert die Gemeinschaft begründet und mit Demut die Bitte und hält es der Abt für gut, wähle er mit dem Rat gottesfürchtiger Brüder einen aus und setze ihn selber als seinen Prior ein. Der Prior führe in Ehrfurcht aus, was ihm sein Abt aufträgt; er tue nichts gegen den Willen oder die Anordnung des Abtes. Denn je höher er über andere gestellt ist, um so sorgfältiger muss er die Weisungen der Regel beobachten. Stellt sich heraus, dass der Prior voller Fehler ist oder, vom Hochmut betört, sich stolz überhebt oder nachweislich die Regel verachtet, werde er bis zu viermal mit Worten zurechtgewiesen. Bessert er sich nicht, treffe ihn die in der Regel vorgesehene Strafe. Ändert er sich auch so nicht, werde er seines Amtes als Prior enthoben, und ein anderer, der geeignet ist, soll an seine Stelle treten. Ist er auch danach in der Gemeinschaft nicht ruhig und gehorsam, werde er sogar aus dem Kloster gestoßen. Doch bedenke der Abt, dass er über alle seine Entscheidungen vor Gott Rechenschaft ablegen muss, damit nicht die Flamme des Neids oder der Eifersucht seine Seele verzehrt.

Kapitel 66: Die Pförtner des Klosters

An die Pforte des Klosters stelle man einen weisen älteren Bruder, der Bescheid zu empfangen und zu geben weiß und den seine Reife daran hindert, sich herumzutreiben. Der Pförtner soll seine Zelle neben der Pforte haben, damit alle, die ankommen, dort immer einen antreffen, von dem sie Bescheid erhalten. Sobald jemand anklopft oder ein Armer ruft, antworte er: „Dank sei Gott“ oder „Segne mich“. Mit der ganzen Sanftmut eines Gottesfürchtigen und mit dem Eifer der Liebe gebe er unverzüglich Bescheid. Braucht der Pförtner eine Hilfe, erhalte er einen jüngeren Bruder. Das Kloster soll, wenn möglich, so angelegt werden, dass sich alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten, innerhalb des Klosters befindet und die verschiedenen Arten des Handwerks dort ausgeübt werden können. So brauchen die Mönche nicht draußen herumlaufen, denn das ist für sie überhaupt nicht gut. Diese Regel soll nach unserem Willen in der Gemeinschaft oft vorgelesen werden, damit sich keiner der Brüder mit Unkenntnis entschuldigen kann.

Kapitel 67: Brüder auf Reisen

Sollen Brüder auf Reisen geschickt werden, empfehlen sie sich dem Gebet aller Brüder und des Abtes. Beim letzten Gebet des Gottesdienstes wird immer aller Abwesender gedacht. Bei der Rückkehr von der Reise aber sollen sich die Brüder noch am selben Tag bei allen festgesetzten Gebetszeiten am Schluss des Gottesdienstes im Oratorium zu Boden werfen und alle um das Gebet bitten wegen der Fehler, die vielleicht unterwegs vorgekommen sind, wenn sie Böses gesehen und gehört oder Unnützes geredet haben. Auch nehme sich keiner heraus, einem anderen alles zu erzählen, was er außerhalb des Klosters gesehen und gehört hat, denn das richtet großen Schaden an. Wenn sich einer das herausnimmt, verfällt er der von der Regel vorgesehenen Strafe, ebenso jeder, der den Bereich des Klosters eigenmächtig verlässt, irgend wohin geht oder sonst etwas ohne Erlaubnis des Abtes unternimmt, sei es auch noch so geringfügig.

Kapitel 68: Überforderung durch einen Auftrag

Wenn einem Bruder etwas aufgetragen wird, das ihm zu schwer oder unmöglich ist, nehme er zunächst den erteilten Befehl an, in aller Gelassenheit und im Gehorsam. Wenn er aber sieht, dass die Schwere der Last das Maß seiner Kräfte völlig übersteigt, lege er dem Oberen dar, warum er den Auftrag nicht ausführen kann, und zwar geduldig und angemessen, ohne Stolz, ohne Widerstand, ohne Widerrede. Wenn er seine Bedenken geäußert hat, der Obere aber bei seiner Ansicht bleibt und auf seinem Befehl besteht, sei der Bruder überzeugt, dass es so für ihn gut ist; und im Vertrauen auf Gottes Hilfe gehorche er aus Liebe.

Kapitel 69: Eigenmächtige Verteidigung eines Bruders

Man achte darauf, dass im Kloster sich keiner bei irgendeinem Anlass herausnimmt, als Verteidiger oder Beschützer eines anderen Mönches aufzutreten, wären die beiden auch noch so eng durch Blutsverwandtschaft verbunden. Auf gar keine Weise dürfen sich die Mönche das herausnehmen, weil dies zum Anlass für schlimmste Ärgernisse werden kann. Wer diese Vorschrift übertritt, werde streng in Schranken gewiesen.

Kapitel 70: Eigenmächtige Bestrafung eines Bruders

Man beuge im Kloster jeder Gelegenheit zur Anmaßung vor. Darum bestimmen wir: Keiner darf einen seiner Brüder ausschließen oder schlagen, es sei denn, der Abt habe ihm dazu die Vollmacht erteilt. Wer sich dagegen verfehlt, werde vor allen zurechtgewiesen, damit die anderen abgeschreckt werden. Alle sollen jedoch Knaben bis zum Alter von fünfzehn Jahren gewissenhaft zur Ordnung anhalten und beaufsichtigen, doch geschehe auch dies immer maßvoll und überlegt. Wer sich ohne Weisung des Abtes irgend etwas gegen einen Erwachsenen herausnimmt oder gar den Knaben gegenüber sich zu maßlosem Zorn hinreißen lässt, den treffe die von der Regel vorgesehene Strafe. Es steht ja geschrieben: „Was du selbst nicht erleiden willst, das tu auch keinem anderen an!“

Kapitel 71: Der gegenseitige Gehorsam

Das Gut des Gehorsams sollen alle nicht nur dem Abt erweisen. Die Brüder müssen ebenso einander gehorchen; sie wissen doch, dass sie auf diesem Weg des Gehorsams zu Gott gelangen. Ein Befehl des Abtes oder der von ihm eingesetzten Oberen habe jedoch immer den Vorrang, und wir erlauben nicht, dass private Befehle vorgezogen werden. Sonst sollen alle jüngeren ihren älteren Brüdern in aller Liebe und mit Eifer gehorchen. Ist einer streitsüchtig, werde er zurechtgewiesen. Wenn aber ein Bruder vom Abt oder von einem der Oberen aus einem noch so geringfügigen Grund irgendwie zurechtgewiesen wird, oder wenn er merkt, dass ein Älterer innerlich gegen ihn erzürnt oder ein wenig erregt ist, dann werfe er sich unverzüglich zu Boden und liege zur Buße so lange zu seinen Füßen, bis die Erregung durch den Segen zur Ruhe kommt. Wer sich aus Geringschätzung weigert, das zu tun, den treffe körperliche Züchtigung, oder er werde, wenn er trotzig bleibt, aus dem Kloster gestoßen.

Kapitel 72: Der gute Eifer der Mönche

Wie es einen bitteren und bösen Eifer gibt, der von Gott trennt und zur Hölle führt, so gibt es den guten Eifer, der von den Sünden trennt, zu Gott und zum ewigen Leben führt. Diesen Eifer sollen also die Mönche mit glühender Liebe in die Tat umsetzen, das bedeutet: Sie sollen einander in gegenseitiger Achtung zuvorkommen; ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen sollen sie mit unerschöpflicher Geduld ertragen; im gegenseitigen Gehorsam sollen sie miteinander wetteifern; keiner achte auf das eigene Wohl, sondern mehr auf das des anderen; die Bruderliebe sollen sie einander selbstlos erweisen; in Liebe sollen sie Gott fürchten; ihrem Abt seien sie in aufrichtiger und demütiger Liebe zugetan. Christus sollen sie überhaupt nichts vorziehen. Er führe uns gemeinsam zum ewigen Leben.

Kapitel 73: Die Regel als Anfang unseres Weges zur vollen Gerechtigkeit

Diese Regel haben wir geschrieben, damit wir durch ihre Beobachtung in unseren Klöstern eine dem Mönchtum einigermaßen entsprechende Lebensweise oder doch einen Anfang im klösterlichen Leben bekunden. Für den aber, der zur Vollkommenheit des klösterlichen Lebens eilt, gibt es die Lehren der heiligen Väter, deren Beobachtung den Menschen zur Höhe der Vollkommenheit führen kann. Ist denn nicht jede Seite oder jedes von Gott beglaubigte Wort des Alten und Neuen Testamentes eine verlässliche Wegweisung für das menschliche Leben? Oder welches Buch der heiligen katholischen Väter redet nicht laut von dem geraden Weg, auf dem wir zu unserem Schöpfer gelangen? Aber auch die Unterredungen der Väter, ihre Einrichtungen und Lebensbeschreibungen sowie die Regel unseres heiligen Vater Basilius, sind sie nicht für Mönche, die recht leben und gehorsam sind, Anleitungen zur Tugend? Wir aber sind träge, leben schlecht, sind nachlässig und müssen deshalb vor Scham erröten. Wenn du also zum himmlischen Vaterland eilst, wer immer du bist, nimm diese einfache Regel als Anfang und erfülle sie mit der Hilfe Christi. Dann wirst du schließlich unter dem Schutz Gottes zu den oben erwähnten Höhen der Lehre und der Tugend gelangen. (Amen.) Verantwortlich für den Text: Regelkommission der Salzburger Äbtekonferenz; Quelle: Die Benediktusregel (lateinisch / deutsch), herausgegeben im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz Beuroner Kunstverlag, Beuron 21996 – Alle Rechte vorbehalten

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