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Die heilige Hildegard
und der Wein

Die geschichtlichen Wurzeln des Klosterweinguts reichen bis ins 12. Jahrhundert, in die Zeit unserer Gründeräbtissin Hildegard von Bingen (1098 – 1179). Schon damals betrieben die Schwestern der Klöster Rupertsberg und Eibingen erfolgreich Weinbau. Ihre Weingüter hatten beträchtliche Bedeutung in der Region. Diese Tradition setzt das heutige Klosterweingut fort. 

Die Abtei St. Hildegard kann auf eine mehr als 850-jährige Geschichte zurückblicken, und von den ersten Anfängen an war vermutlich der Weinbau mit ihr verbunden. Die Klostergründung läßt sich auf Hildegard selbst, die später den Beinamen „von Bingen“ erhielt, zurückführen. Geboren wurde Hildegard 1098 als zehntes Kind des Edelfreien Hildebert von Bermersheim und seiner Gemahlin Mechtild, deren Stammsitz nahe bei Alzey lag, – „in einem weiten, von Reben und Korn umgebenen Tal“. Die Eltern vertrauten das ebenso begabte wie begnadete Kind schon in früher Jugend der Klausnerin Jutta von Sponheim zur Erziehung an, die 1112 mit ihm und noch zwei weiteren halbwüchsigen Mädchen auf den Disibodenberg zog. Hier war einige Jahre zuvor die Gründung einer bedeutenden Benediktinerabtei erfolgt, zu deren weitläufigem Besitz im Nahegebiet mit Sicherheit auch große Weingüter gehörten.
Nachdem Hildegard sich endgültig für die klösterliche Lebensform entschieden und nach Juttas Tod auch die Leitung der stets größer werdenden Frauengemeinschaft übernommen hatte, begann sie 1141 mit der Niederschrift ihres ersten theologisch-visionären Werkes „SCIVIAS“, das Papst Eugen III. auf der Synode zu Trier öffentlich anerkannte.

Er ermutigte die „Seherin“ zu weiteren Schriften. In eben dieser Zeit reifte in Hildegard auch der Entschluß, die Frauengemeinschaft von der Mönchsabtei zu lösen und den Disibodenberg zu verlassen. Sie ließ daher an der Mündung der Nahe in den Rhein das Kloster Rupertsberg erbauen und besiedelte es mit ihrem aus 18 Nonnen bestehenden Konvent. Bereits 15 Jahre später machte ein weiteres Anwachsen der Gemeinschaft eine zweite Gründung notwendig, so daß Hildegard 1165 ein leerstehendes Klostergebäude auf der anderen Rheinseite oberhalb Rüdesheim nahe dem Dorf Eibingen übernahm. Dieses hatte 1148 eine edle Frau Marka von Rüdesheim als Augustiner-Doppelkloster gestiftet, das jedoch infolge von Kriegswirren bald wieder geräumt werden mußte. Hildegard entsandte Nonnen vom Rupertsberg dorthin und leitete als „Meisterin“ die Geschicke beider Klöster.

Im Güterverzeichnis des „adlichen Benediktiner-Nonnenklosters Rupertsberg bei Bingen“ vermerkt die sogen. „Scriptrix“, die Schreiberin: “…als wir auf den Berg des hl. Rupertus zogen, woselbst unsere selige Mutter Hildegard 30 Jahre glücklich regierte, hatten wir keinen Besitz. Doch die Anzahl der um Aufnahme bittenden Jungfrauen aus dem rheinischen Adel wurde immer größer, und ihre Mitgift bestand vor allem aus Weinbergen und Ländereien…“ Viele Schenkungen kamen hinzu. So vermachte z.B. eine Frau Gepa dem Kloster auf dem Rupertsberg „…zu ihrem und ihrer Verwandten Seelengedächtnis…“ viele Weinberge, zusätzlich noch einen Weinberg zur Beschaffung von Lichtern in der Kirche.
Mit Hilfe der Fundationsbücher (Güterverzeichnisse) läßt sich eine Übersicht über den umfassenden Grundbesitz des Klosters Rupertsberg verschaffen. Nur zum kleineren Teil lag dieser in der nächsten Umgebung des Klosters, zumeist in der Pfalz und im linksrheinischen Gebiet des Mainzer Erzstiftes . Den wichtigsten Besitz stellten die Eigengüter dar, die entweder vom Kloster selbst oder durch Pächter bewirtschaftet wurden. In manchen Orten besaß das Kloster zwei oder drei Höfe. Der Flächeninhalt dieser „Hofreithen“ betrug gewöhnlich 120 bis 150 Morgen. Die Eigengüter, deren größtes nachweislich in Bermersheim nahe bei Alzey lag, verteilten sich auf 22 Ortschaften. Das Rupertsberger Fundationsbuch führt über neun Seiten hinweg Schenkungsnotizen aus diesem Gebiet auf, zudem die Vergabung des Herrenhofes zu Bermersheim durch die Brüder Hildegards. So dürfte sie aufgrund dessen wohl eindeutig als „Bermersheimerin“ ausgewiesen sein, abgesehen von der Tatsache, daß die Äbtissinnen vom Rupertsberg, – nach dessen Zerstörung die vom Kloster Eibingen, – durch die Jahrhunderte hindurch jeweils die Ortsherrschaft über Bermersheim ausübten bis zur Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich 1801.

Ausschließlich Weingüter bewirtschaftete das Kloster Rupertsberg einmal im Bereich des eigenen Umfeldes, sodann in Bingen, Eibingen, Rüdesheim, Geisenheim und Trechtings-hausen. Zudem konnte es noch aus 12 Ortschaften von sogen. Zinsgütern jährlich Naturalleistungen und Grundzinsen einziehen, sowie den Zehnten an Korn und Wein aus drei Dörfern. Als die Meisterin Hildegard vom Rupertsberg dann 1165 im Rheingau, dem „gar anmutig mit Wein und Obst reich gesegneten Land“, das Kloster Eibingen übernahm, fuhr sie zweimal in der Woche über den Rhein, um dort ihres Amtes als Mutter der klösterlichen Gemeinschaft zu walten. Auch nach dem Tod Hildegards 1179 blieben beide Klöster weiterhin als eine Einheit miteinander verbunden, obgleich dem Rupertsberg zunächst ein gewisses „Aufsichtsrecht“ über Eibingen zustand, auch als zeitweilig die Äbte von Johannisberg das Amt der geistlichen Visitatoren versahen. – Nach schicksalhaftem Auf und Ab im Laufe der Jahrhunderte hatte die Pest 1575 die Zahl der Eibinger Benediktinerinnen auf nur drei Nonnen herabgemindert. Diesen wurde dann vom Mainzer Erzbischof die Übersiedlung ins benachbarte Marienhausen verordnet, während vetriebene Augustinerinnen im Eibinger Kloster Unterkunft fanden. Der erste Abschnitt der Klostergründung Hildegards in Eibingen ging damit zu Ende.

1603 jedoch waren die wiederholten Bemühungen der Rupertsberger Äbtissin Kunigunde Frey von Dhern um Rückgabe des Eibinger Klosters und seines Gesamtbesitzes endlich erfolgreich abgeschlossen und urkundlich bestätigt. Von der Zeit an, – also seit 1603 – führen die Äbtissinnen den Titel: „Äbtissin von Rupertsberg und Eibingen“ bis auf den heutigen Tag.

Im Dreißigjährigen Krieg geriet der ganze Rheingau mitsamt der Stadt Bingen in die Gewalt der Schweden, bei deren Herannahen die Äbtissin Anna Lerch von Dirmstein mit einem Großteil des Konventes nach Köln geflohen war. Auch die Reliquien ihrer Gründerin Hildegard führten sie mit sich. 1631 legte der schwedische Major Alexander Hanna, Kommandant der Binger Besatzung, der Stadt eine Kriegskontribution von 15 000 Gulden auf und erpreßte sie unter Androhung von Gewalt und Plünderung. Allein das Kloster Rupertsberg sollte 2 000 Taler aufbringen. Weil es dazu jedoch nicht bereit war, wurden 80 Stück Wein (à 1 200 Liter), die im Keller lagen, beschlagnahmt. Ehe dann der Major aus Furcht, die feindlichen Soldaten könnten sich in den Rupertsberger Klostergebäuden verschanzen, den Befehl zur Einäscherung gab, ließ er dorthin alle leeren Fässer aus Bingen schaffen. Es waren aber nur 17 Stück aufzubringen, die auf dem Rupertsberg gefüllt und zur Burg Klopp transportiert wurden. Das geschah in der Osterwoche 1632. Am Sonntag nach Ostern, dem 19. April 1632, gab dann der Major den Befehl zur Einäscherung, und das Kloster wie auch die Kirche wurden ein Raub der Flammen mit allen Vorräten, darunter mehr als 60 Stück Wein mitsamt den Fässern, die noch im Keller lagen.

Als die nach Köln geflohenen Nonnen schließlich zum Rupertsberg zurückkehrten, – „aus einer hungersnott in die andere“, um fünf vermindert, die inzwischen schweren Krank-heiten erlegen waren, darunter die hoffnungsvollsten und jüngsten, – da scheiterten alle Bemühungen der Äbtissin Anna Lerch von Dirmstein, das Kloster Rupertsberg wieder aufzubauen. So übersiedelte sie mit ihrem kleinen Konvent 1641 nach Eibingen und ver-einigte ihn mit dem dortigen. Bald darauf legte die letzte Rupertsberger Äbtissin erschöpft ihr Amt nieder. Aus der Neuwahl ging die junge, tatkräftige Äbtissin Magdalena Ursula von Sickingen hervor, die den zweiten Abschnitt der Eibinger Klostergeschichte mit den beiden, nun vereinigten Konventen einleitete. Sie war bemüht, die Grundsätze des Ordens wiederherzustellen „zum Lobe Gottes“. Die Gemeinschaft erfreute sich eines neuen Zuwachses an Klosterberufen. Auch die wirtschaftlichen Belange erfuhren eine Neuordnung. Handwerker wurden eingestellt, 24 Morgen Weinbergsland im Eigenbau bearbeitet, erst 4 000, später sogar 26 000 Rebstöcke neu gesetzt, „Ökonomie und Weinzapf“ gehalten. Nur die steten Bemühungen um den Wiederaufbau des Klosters Rupertsberg blieben ohne Erfolg. Lediglich kleinere Unterkunftsmöglichkeiten konnten dort geschaffen werden. – Dem segensreichen Wirken der erst 52jährigen Äbtissin setzte dann die Pest 1666 ein Ende. –

Ihre Nachfolgerin wurde die letzte Rupertsberger Nonne, die noch dort ihre Gelübde abge-legt hatte, Kunigunde Schütz von Holtzhausen. Nachdem sie drei Jahre als Äbtissin den Eibinger Konvent geleitet hatte, weilte sie im Herbst wie gewohnt mit ihren geistlichen Töchtern auf dem Rupertsberg zur Weinlese. Eine Woche war bereits vergangen, als die Äbtissin am 19. Oktober ein heftiges Unwohlsein befiel. Die Umgebung erkannte den Ernst der Lage, und noch in der gleichen Stunde wurde Pater Erenfried von Eibingen herbeigerufen, um der an Pest Erkrankten in der letzten Stunde beizustehen. Am Abend des folgenden Tages entschlief sie und durfte als letzte Rupertsbergerin auf dem Rupertsberg heimgehen. Wie im Manuale vermerkt steht, „wurde die frau Abbatissin selig mit dem Schifflein herübergeholt umb zu begraben, …und zur fröhlichen Auferstehung in das Ruhebettlein geweihter Erden…“ in Eibingen beigesetzt. – „Als dunstige Nebelschwaden von Süden her weiterhin den furchtbaren Feind, die Pest, herbeiführten, fand er auch im Kloster der heiligen Hildegard Einlaß. Der schwarze Tod forderte erbarmungslos seine Opfer und legte seine Hand gerade auf die jüngsten der gottgeweihten Jungfrauen…“ Die Wirtschaftsbücher weisen in dieser Zeit große Lücken auf, weil die Arbeitskräfte fehlten. In einer Rheingauer Chronik heißt es:“…den Weinstöcken entfielen die Blätter, aber vergebens warteten die Trauben auf die Lese. Es war, als wenn die ganze Welt in einem tiefen, ernsten Schweigen verharrte….“

In den Ruinen des Rupertsberges waren im Laufe der Zeit wieder kleinere Bauten entstan-den: Unterkunftsmöglichkeiten für die in wirtschaftlichen Angelegenheiten aus Eibingen herüberkommenden Nonnen, außerdem auch zwei Pächterwohnungen. Man nahm dort die Zinsen der Pächter entgegen und verkaufte Wein und Korn. Der Erlös fiel der Äbtissin von Eibingen zu. Für ein neues Kelterhaus in den Ruinen des Rupertsberges – das frühere war 1632 ebenfalls Opfer der Flammen geworden – benötigte man 20 Bauhölzer und 4 750 Ziegel. Die Gesamtverwaltung lag in den Händen einer sogenannten „Schaffnerin“, die der jeweiligen Äbtissin zur Seite stand. Als Verwalterin hat sich die Nonne Scholastica von Manteuffel in besonderer Weise verdient gemacht. Von ihr ist ein Register der Dritteilwein- berge in und um Bingen erhalten, die am 7. und 8. Oktober 1667 offiziell besichtigt wurden. In 92 Einzelposten sind die Weinberge, die durchschnittlich zwei Morgen umfaßten, aufge-zählt mit Angabe von Lage, Grenzen, und Namen des Pächters. Kurze Bemerkungen charakterisieren den gegenwärtigen Stand wie z.B.:“Bene! Ist noch zu jung! Ist 1660 gerodet. Soll noch ein Jahr frei haben…“ und ähnlich. Ebenfalls 1667 notierte die Nonne Scholastica, daß die Weinlese am 15. Oktober auf dem Rupertsberg im sogenannten „Conventgarten“ begann und bis zum 30. Oktober dauerte. Viele Hilfskräfte waren erforderlich, und am Sonntag stellten sich sogar sechs Juden zur Lese ein. Der Gesamtertrag belief sich 1667 auf 330 ½ Legel (ca 16 000 Liter). Von der Ernte wurden gleich abgegeben: „den Franziskanern zwei Büttchen Trauben; den Herren Capucinern 1 ½ Legel; dem ‘Doctor’ für seine ‘Bestallung’ vier Körbchen mit Beeren und dem Naheschiffer zwei Legel roter Trauben“. Auch für Auslagen verschiedener Art fehlen die Aufzeichnungen in diesen Tagen nicht: Kordel für die Legel (= Tragebütten), Faßreifen, Kreide, Wagenschmiere und Öl mußten besorgt werden. Zwei Küfer richteten am Abend die Fässer. Für die Verpflegung der fleißigen Leser wurden eine Kuh und ein Schwein geschlachtet, Weck und Honig und Fisch gekauft. Einmal ist auch von Meßwein und Hostien die Rede, so daß man an-nehmen kann, während der Weinlese sei auch Gottesdienst gefeiert worden. – Der Wein wurde entweder verkauft oder zur Bezahlung benutzt, außerdem zum Eigenverbrauch nach Eibingen herübergebracht. – Manchmal besaß das Kloster für seine Erträge wohl nicht genügend Fässer. So hören wir, daß 1664 bei dem Herrn Hohenfeld in Mainz fünf Fässer, und beim Herrn Prälaten vom Jakobsberg 15 Fässer geliehen wurden, die jeweils ein Marktschiff nach Rüdesheim brachte.- Nach Beendigung der Weinlese wurde dann mit der Bebauung der Weinberge begonnen: 48 Karren „beserungh“ (= Mist) mußten eingefahren, die Reben geschnitten, die Pfähle „gestickt“ und mit sieben „zöpf“ Weiden gebunden werden. Die Fässer erhielten neue Reifen, und ältere Weinberge begann man zu roden. –

1670 wurde die bisherige tüchtige „Schaffnerin“ Scholastica von Manteuffel, deren Register zumal über den Weinbau Kenntnisse von einer sachkundigen Verwaltung verraten, zur Äbtissin gewählt. Ihr fällt auch das Verdienst zu, die Erneuerung der Eibinger Klostergebäude – seit den Tagen Hildegards immer nur notdürftig ausgebessert – in Angriff genommen zu haben. Innerhalb von zwei Jahren wurde der Bau der neuen Kirche und des Westflügels abgeschlossen. Die Vervollständigung der Klosteranlage blieb allerdings einer ihrer Nachfolgerinnen, Äbtissin Maria Antonetta Mühl zu Ulmen, ein halbes Jahrhundert später vorbehalten. Mit Hilfe vieler Wohltäter entstanden der Süd- und der Ostflügel, so daß die Gebäude nun ein Quadrat umschlossen, wie eine kleine Zeichnung des Klosterpropstes P. Joseph Otto bezeugt. – Aus der Amtszeit der Äbtissin Maria Antonetta Mühl zu Ulmen seit 1711 sind auch – zumal was den Weinbau des Klosters angeht – durchgreifende Dienstverträge erhalten. Da werden zwei „Weingartleut“ angewiesen, die Weinberge in gutem und „sittlichem“ Zustand zu erhalten und zur rechten Zeit ihre Arbeit zu tun. „Wann die gnädige Frau Äbtissin jemanden aus dem Kloster herüberschicket, es seye, wer es wolle, sollen sie denselben oder dieselbe respektieren und gehorsamen so, als wenn sie selbst da wäre. Und wenn sie was einzuwenden oder zu klagen hätten, so sollten sie sich bei der gnädigen Frau Äbtissin anmelten und nit mit solchen groben Worten, Schänden und Schmähen fortfahren….“

Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts stand im Zeichen der „Aufklärung“, und die neue Geistesrichtung ging auch am Kloster Eibingen nicht spurlos vorbei. Man versuchte, die Klöster aufzuheben bzw. sie in weltliche Stifte umzuwandeln und ihnen Neuaufnahmen zu untersagen. Unter der letzten Eibinger Äbtissin Philippine zu Guttenberg leistete der Konvent zwar oftmals Widerstand, mußte aber infolge der französischen Revolution doch tiefgreifende Änderungen hinnehmen. Scharen von Emigranten strömten ins Rheinland und hausten auch im Kloster Eibingen. Die Einkünfte waren ohnehin sehr gering, da seit 1794 die Abgaben aus den linksrheinischen, von den Franzosen beschlagnahmten Besitzungen ausfielen, was allein einen Verlust von 165 Stück Wein (à 1 200 Liter) bedeutete. Napoleon I. annektierte das linke Rheinufer, und der Adel wurde für seine dort verlorenen Güter durch Kirchengut entschädigt. Der Rheingau, der über 800 Jahre lang unter geistlicher Herrschaft gestanden hatte, fiel durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803 als Ersatz für die linksrheinischen Verluste an den Fürsten von Nassau, der aber bereits 1802 vom Kloster Eibingen Besitz ergriff. Damals befanden sich unter dem ersten Klosterflügel „gen Aufgang“ (= Osten) und unter dem dritten Klosterflügel „gen Abend“ (= Westen) wenigstens 80 Stück Wein fassende Keller; unter dem zweiten Klosterflügel „gen Mittag“ (= Süden) lag das Kelterhaus. Auch Weinberge sowie Äcker, Wiesen und Waldungen des Klosters Eibingen in den Gemarkungen Eibingen, Rüdesheim und Geisenheim fielen an Nas-sau. Zunächst durften die Nonnen noch in ihrem Haus bleiben, bis 1814 der Befehl zur vollständigen Räumung erging. Damit schien auch diese Klostergründung Hildegards in Eibingen endgültig untergegangen und der zweite Abschnitt ihrer bewegten Geschichte beendet.

Der Nassauer Landesherr ließ die Eibinger Klosterkirche sogleich in einen Kanonenschuppen umwandeln, der Ostflügel wurde Zeughaus, – der West- und Südflügel auf Abbruch versteigert. 1831 erwarb die Gemeinde, deren kleine Dorfkirche baufällig geworden war, die Klosterkirche als ihre Pfarrkirche. Sie hütete auch – und tut das bis auf den heutigen Tag – die Reliquien Hildegards, die sich im Laufe der Jahrzehnte zunehmender Verehrung erfreuten.

Nach fast hundertjähriger Unterbrechung sollte jedoch Hildegards Klostergründung Eibingen aus dem Jahre 1165 aufs neue erstehen, als dank der Initiative und der Großmut des Fürsten Karl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg 1900 der Grundstein zur Wiedererrichtung der Abtei St. Hildegard gelegt wurde, – nunmehr oberhalb des Ortes Eibingen an den Hängen des Rheingaugebirges. 1904 zogen Benediktinerinnen der Beuroner Kongregation in die neuerrichteten Klostergebäude und führen seitdem die Tradition des alten hildegardischen Klosters Eibingen fort, auch was den Weinbau betrifft.

Daß eine inmitten von Weinbergen gelegene benediktinische Abtei ein Klosterweingut bewirtschaftet, das eine Größe von 4,5 ha umfaßt und mit dem Anbau von Riesling und Spätburgunder in den Rüdesheimer Lagen „Klosterberg“, „Kirchenpfad“. „Magdalenen-kreuz“, „Klosterlay“, „Drachenstein“, „Bischofsberg“ „Assmannshäuser Hinterkirch“ Weinbau betreibt, legt sich von der Struktur her sogar nahe. Benedikt (6. Jh.) weist in seiner Ordensregel, nach der auch Hildegard und die von ihr gegründeten Klostergemeinschaften lebten, mehrfach darauf hin, daß man sich, was Nahrung und Kleidung angeht, danach richten soll, „was am Ort zu haben ist“, – und das betrifft natürlich auch den Lebensunterhalt des Klosters selbst. Nach der benediktinischen Devise „Ora et labora“ darf, wie es in der Benediktusregel heißt, dem „Gotteslob“ – also dem „Ora“,- “nichts vorgezogen werden“. Aber dann gilt auch die Anweisung des „Labora“: „Die Mönche sollen von ihrer Hände Arbeit leben….“. Was läge da für ein benediktinisches Kloster inmitten der Rheingauer Weinberge näher, als einen Teil seines Lebensunterhaltes mit dem An- und Ausbau von Wein zu bestreiten? Wie das vor mehr als 800 Jahren Gültigkeit hatte, so gilt es auch heute noch.

Hildegard, deren heilkundliche Erkenntnisse – gewiß von der frühmittelalterlichen Volks- und Klostermedizin beeinflußt – weithin bekannt waren, wußte von Kindheit an um den Wein und nennt ihn einmal „das Blut der Erde“. Sie rühmt seine reinigende Wirkung auf Blut, Säfte und Gefäße des Menschen und sagt über ihn aus: “Der Wein – maßvoll genossen – heilt und erfreut den Menschen zutiefst durch seine große Kraft und Wärme…“

Sr. Teresa Tromberend OSB

Verwendete Literatur:
Marianna Schrader OSB: Das Kloster der hl. Hildegard in Eibingen, in „75 Jahre Rheingaukreis“,
Adelheid Simon OSB: Aus der Baugeschichte des ehemaligen Eibinger Klosters,
in „Jahrbuch für das Bistums Mainz“ 1947
Das Kloster der hl.Hildgard in der Zeit von 1640-1692
in „Archiv für mittelrhein.Kirchengeschichte“, 35.Jhrg. 1983
Agape Menne OSB: Vom geistlichen Leben im Kloster der hl.Hildegard zu St.Rupertsberg und Eibingen
in „Erbe und Auftrag“ 1965