Eröffnungsrede der Ausstellung: „Transfiguratio“

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
Sehr geehrter Herr Pfarrer, mein lieber Mitbruder,
Sehr geehrter Herr Präsident des Kirchenvorstandes,
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde,
Ich fühle mich sehr geehrt und freue mich, dass ich an der Eröffnung des diesjährigen, 17. Chemins d’Art Sacré [Wege heiliger Kunst] in dieser schönen Stiftskirche von Lautenbach teilnehmen darf. Ich möchte Ihnen kurz die bisherigen Chemins d’Art Sacré vor Augen rufen, dann auf das Thema des diesjährigen Weges ein- und schließlich zu der Ausstellung übergehen, die wir heute Abend gemeinsam entdecken wollen.

• Das Projekt der Chemins d’Art Sacré ist zugleich einfach und ehrgeizig. Es besteht darin, für einen Sommer einen oder mehrere Künstler zu empfangen, – nicht etwa um eine Kirche in eine Galerie oder ein Museum zu verwandeln, sondern um einen Dialog zu ermöglichen, einen fruchtbaren Austausch zwischen einem Ort des Gebetes und der Feier auf der einen Seite und dem künstlerischen Einfühlungsvermögen eines Mannes oder einer Frau auf der anderen Seite. Dieser Dialog zwischen den Steinen, die durchdrungen sind von Glauben und Gebet zahlloser Gläubiger durch die Jahrhunderte bis heute, und der Reflektion, dem Wahrgenommenen, der ursprünglichen Begabung eines Malers oder Bildhauers weckt einen neuen Blick: einen neuen Blick auf den Ort, einen Blick auf den Künstler, Blick auf ein Fragen, eine Meditation, ein Gebet, das sich durch die Malerei ausdrückt, durch das Modellieren, das Formen einer Skulptur, das Foto, nicht zu vergessen das Installieren, den Umgang mit dem Raum, mit der Beleuchtung…

• Das Thema des Programmes 2014 der Chemins d’Art Sacré ist das folgende: „Sich sammeln in sich selbst, im Hören auf das Innere“.
Kürzlich hat, anlässlich der Versammlung des Elternverbandes der Schüler katholischer Privatschulen („Association des parents d’élèves de l’enseignement libre“) am PMC von Straßburg, Pascal Balmand, der Generalsekretär der Katholischen Erziehung, die zwei gegenwärtigen Prioritäten der Erziehung, wie er sie wahrnimmt, formuliert: einerseits die notwendige Erziehung zur Innerlichkeit und andererseits die Erziehung zum Prinzip Hoffnung. Ich teile diese Wahrnehmung vollkommen. In einer Welt, die so gesättigt ist an Tönen und Bildern, in einer Welt geprägt durch Informationsflut und Beziehungen, die immer mehr künstlich und virtuell sind, in einer Welt voll von falschem Schein ist es absolut notwendig und unerlässlich, die Innerlichkeit zu kultivieren. Es ist notwendig und unerlässlich, Schweigen und Stille zu bilden, zur Kontemplation zu erziehen, dazu, die Zeit zu zähmen, ein inneres Bauwerk zu bilden, das diesen Namen verdient.
Oft vergessen wir, dass wir innerlich bewohnt sind, dass wir Tempel des Heiligen Geistes sind, dass unsere innere Stimme in einer richtigen Weise zu uns sprechen kann, wenn wir ihr erlauben, in eine Harmonie mit dem Anderen zu finden.
Wir finden diese Harmonie, diese Übereinstimmung wenn wir selbst eintreten in den Raum, in dem die großen Fragen des Lebens widerklingen, eintreten in den Dialog mit den großen Stimmen derer, die uns vorangegangen sind.

• Die Ausstellung, die wir heute gemeinsam entdecken wollen, vereint zwei Künstlerinnen, die den gleichen Namen haben, ohne verwandtschaftliche Beziehungen. Die eine ist verheiratet und Mutter einer Familie, die andere ist benediktinische Nonne. Verbunden sind sie durch eine großartige Begabung, die bei ihnen sehr verschieden ist, und, wie ich glaube, einander ergänzend.
Erlauben Sie mir, zuerst von Susanne zu sprechen, bevor ich ihr Werk hier präsentiere. Ich kenne Susanne Janssen schon seit einigen Jahren. Sie war für mich zunächst die Frau von Thierry Mechler, dem brillanten Hauptorganisten der Basilika von Thierenbach, Professor der Musikhochschule Köln und fortan stellvertretender Bürgermeister von Guebwiller, Kulturbeauftragter dort. Auch wusste ich, dass sie eine künstlerische Begabung im Zeichnen hatte. Dann entdeckte ich, dass sie eine Sängerin mit einer schönen warmen Stimme ist, als sie Lieder und Gedichte von Hildegard von Bingen sang, anlässlich einer schönen Soirée im Rahmen der „Odiliades“ auf dem Odilienberg (Elsaß), mit Thierry am Klavier. Ich habe in ihnen auch die Eltern von ebenfalls begabten Kindern kennengelernt, bevor ich sie als äußerst temperamentvolle Frau erleben konnte. Du erinnerst dich sicher, Susanne, an die energische Diskussion über die Frage der Frauen in der Kirche. Und heute entdecke ich die Malerin. Eine Malerin, die in einen Dialog mit einer anderen Künstlerin eingetreten ist, Schwester Christophora (Christusträger!) Janssen, von der Benediktinerabtei St. Hildegard von Bingen, wo sie ihr Talent als Skulpturenkünstlerin verfolgt.
[auf deutsch!] „Ich begrüße Sie ganz herzlich, Schwester Christophora. Sie sprechen nur Deutsch, habe ich gehört. Aber Ihre Werke sprechen für Sie und jeder kann Sie verstehen. Vielen Dank für Ihre Arbeit mit Susanne. Vielen Dank auch, dass Sie gekommen sind, hier in diese schöne Kirche von Lautenbach.“
Voilà! Hier ist eine Ausstellung, die zweistimmig ist!, in der die Materie lichtdurchlässig wird, in der die Malerei transparent wird. Welch ein herrliches Echo auf das biblische Geschehen der Verklärung Jesu! Das Wort des Vaters lässt Jesus mit Mose und Elia, dem Gesetz und den Propheten zusammenkommen und es enthüllt den Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes die wahre Identität des Nazoräers, den Jüngern, die er mitgenommen hat auf den heiligen Berg. Es ist die Verklärung, die den Aposteln erlaubt hat, die Entstellung des Kreuzes zu ertragen und zu hoffen, selbst wenn nur ganz still, auf dem Grunde ihres Herzens, auf die Auferstehung des Herrn.
Bevor ich zum Schluss komme, erlauben Sie mir, die Künstlern zu danken, die bereit waren der Einladung Folge zu leisten und in vorläufiger Weise diesen Ort zu bewohnen um hier die Anwesenheit [Anm.: gemeint ist hier die Anwesenheit Gottes] zu entdecken. Erlauben Sie mir, die Künstler zu beglückwünschen für ihre zahlreichen Talente, von denen wir hier nur einen kleinen Teil entdecken. Erlauben Sie mir, Bertrand Schlund, dem Mitarbeiter der Pastoral, von der Diözese Straßburg mit der Organisation der Chemins d’Art Sacré beauftrag, zu beglückwünschen und zu danken. Es ist eine Arbeit, die sehr wichtig und sehr wertvoll ist für den Dialog zwischen Kultur und Glauben, der gegenwärtigen Kultur und dem Glauben, den wir von der Kirche und von unseren Vätern empfangen haben. Der Glaube muss sich notwendigerweise inkarnieren in das Heute unseres Lebens, das auch das Heute Gottes ist. Und erlauben Sie mir, ebenfalls all denen zu danken und sie zu beglückwünschen, die geholfen haben, diese schöne Ausstellung hier zu installieren und zu ermöglichen, und die sowohl für deren Sicherheit sorgen werden als auch dafür, dass alle Besucher und Touristen während des ganzen Sommers hier herzlich willkommen sein werden.
Zuletzt, erlauben Sie mir, kurz von Hildegard von Bingen zu sprechen. Benediktinische Nonne des 12. Jahrhunderts und Äbtissin ihres fränkischen Klosters, war sie Mystikerin und Visionärin, Musikern und Literatin, Spezialistin in Naturheilkunde und Edelsteinen, Historikerin und Theologin. Ihr Ruf durch die Jahrhunderte ist, selbst wenn von einigen Anhängern des New Age vereinnahmt, so profund und so stark, dass sie 2012 zum 35. Kirchenlehrer erhoben wurde. Die Visionen des Scivias laden uns ein, selbst auf das zu schauen, was wir glauben. Hildegards Suche nach dem Schönen und dem Vollkommen soll uns inspirieren in unserem Alltag mit seinen Anforderungen: der Arbeit, Härten, Gebet, gläubiges Vertrauen auf Gott.

Schwester Christophora Janssen und Susanne Janssen laden uns ein, ihre Werke anzuschauen – nicht, um bei ihnen stehenzubleiben, sondern um darüber hinaus zu gehen, weiter und höher, hin zur Wahrheit, zur Liebe und zur Schönheit, in einem Wort: hin zu Gott selbst.
Nun, erlauben Sie mir, den Wunsch zu formulieren, dass jeder und jede von uns, wenn sie diese Werke in dieser schönen Kirche anschaut, dass wir alle dabei empfänglich sein mögen, diesen speziellen Teil der Schönheit wahrzunehmen, der da Heiligkeit heißt. Wir kennen ihn wieder besser seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil: dort, in dem universalen Ruf zur Heiligkeit, liegt für alle und für immer unsere wahre Bestimmung, unsere wahre Berufung.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Kanoniker Franz Geissler
Bischöflicher Beauftragter für die weltlichen Angelegenheiten