“Scivias”-Kodex: Tafel 25: Das Erkennen Gottes

Innerhalb des Heilsgebäudes steht vor der Säule des Wortes Gottes auf dem Pflaster eine Gestalt, die stark vom Licht angestrahlt ist. Diese Wirkkraft nennt sich „ Erkenntnis Gottes“. Weder ihr Antlitz noch ihre Gewänder sind in dem hellen Glanz zu erkennen. Wie die übrigen Tugenden erscheint sie in Menschengestalt.
„Denn Gott schuf den Menschen kraft seiner Güte mit Vernunft, Erkenntnis und Einsicht, damit er Ihn mit innigster Liebe umfange, mit größter Hingabe verehre, die Trugbilder der Dämonen verachte und nur den liebt, der ihm eine derart große Ehre zuteil werden ließ.“ Mit der Offenbarung des Wortes Gottes ist die Tugend der Erkenntnis Gottes verbunden. Denn „innerhalb des Werkes Gottes des Vaters zeigt sich diese Tugend zur Erläuterung des Mysteriums des göttlichen Wortes.“ Sie hat alle Gerechtigkeit im Volk des Alten und Neuen Bundes eröffnet. In der Ordnung der Kräfte hat sie eine herausgehobene Stellung, denn sie steht in der Mitte der Miniatur im Licht, wie angestrahlt. Abwechselnd betrachtet die „Erkenntnis Gottes“ die Säule des Wortes Gottes und die Menschen, die in dem Heilsgebäude ein- und ausgehen. Sie spricht zu jedem von ihnen: „Bedenke, was für ein Gewand du angezogen hast, und vergiss nicht deines Schöpfers, der dich erschuf.“ In ihrem Mittlerdienst lässt sie die Menschen das Geheimnis, „das die Kraft der Gottheit im Wort Gottes hervorgebracht hat, betrachten und schaut von Gott aus auf die Menschen, „die in der Güte des Vaters wirken“.

Von der Erkenntnis Gottes durch die sterblichen Menschen unterscheidet sich die „Erkenntnis Gottes“ durch die Engel, die als lebendiges Licht Gott in der Glut der Liebe umfangen und allzeit sein Antlitz schauen. Ehrfürchtig um diese Tugendkraft herum steht eine Schar schöner engelhafter Wesen. Sie verehren die Erkenntnis Gottes mit unaufhörlichem reinsten Lob, damit umarmen sie Gott in seiner Glut. Durch die Kraft Gottes flammen sie auf ihrer Bahn als ob sie Flügel hätten. Zu beiden Seiten der „Erkenntnis Gottes“ mit den Engeln befinden sich Menschen in einer gewissen Distanz. Die einen stehen im dunklen Gewand (wegen ihrer sündigen Taten) wie in großer Beklemmung und Angst. Sie fürchten das Gericht Gottes. Die anderen sind herbei genötigt (sie wollen weglaufen) von Gott trotz ihrer Sünden durch die Erlösungstat des Gottessohnes.
„So sieht Gott durch alles, und gar nichts bleibt dem Anblick seiner Gottheit verborgen, weil er alles erkennt.“
Sr. Hiltrud Gutjahr OSB