Wir wollen mit euch gehen

Aus dem Propheten Sacharja (8,23):
So spricht der Herr, der Heere: In jenen Tagen werden zehn Männer aus Völkern aller Sprachen einen Mann aus Juda an seinem Gewand fassen, ihn festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch.

Sacharja, Prophet im 6. Jahrhundert vor Christus, legt seinen Zeitgenossen den Plan Gottes dar zur Wiederherstellung des zerstörten Jerusalem und zur Neuordnung des begnadeten Gottesvolkes. Auf unsere Zeit übertragen würde das bedeuten: den Plan zur Wiederbelebung unserer leeren Kirchen und Klöster und zur inneren Neuordnung des Gemeinde- und Familienlebens.
In jenen Tagen werden zehn Frauen aus Völkern aller Sprachen eine Nonne aus Sankt Hildegard an ihrem Habit fassen, sie festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch.
Die Verheißung ist da. Gott ist da. Woran also mangelt es?
Lassen wir uns vielleicht nicht am Gewand anfassen? Bieten wir keine Nähe, die einlädt, mitzugehen? Oder würden die zehn Männer oder Frauen, die bei Sacharja noch zupacken, heute nicht das Gewand, sondern nur das Bild des Gewandes „virtuell“ berühren?

Lassen wir uns noch in Anspruch nehmen von Gottes Ruf. Uns anblicken, berühren von Gottes Blick? Und fragen dann zurück: Herr, was willst du, das ich tun soll?
Kurz nach der Fertigstellung dieses Christusbildes schreibt im August 1909 ein Mitbruder aus Emaus, Prag, und anerkannter Kunstkritiker, Odilo Wolff, seinen Dank an den Maler:
„Aber vor allem schwebt mir, wo ich gehe und stehe, der Christus der Abside vor Augen. Nie habe ich ähnliches gesehen. – Man mag mich darob belächeln, meinetwegen; aber ich kann nicht anders sagen, als wie ich dort an Ort und Stelle sagte: Ich habe Jesum gesehen.
Eine menschliche Schönheit, die alles Vollkommenste enthielt, eine objektive Schönheit, die nicht von der Subjektivität und Auffassung eines Meisters eingeschränkt ist – an der vielmehr jede Linie sagt: „So muss ich sein, ich kann nicht anders sein.“ Ein Ernst so groß und eine so sanfte Milde – ohne jede Süßlichkeit oder Mattheit – dass ich gebannt war. Aber das konnte noch menschlich sein, das Ideal des Menschen.
Dazu aber kommt nun die ganz übermenschliche Größe, die alles Maß durchbricht, in kein menschliches Maß sich fassen und einengen lässt – das ist einfach göttlich!
Und anders konnte und kann man das Göttliche in Christus nicht ausdrücken, als durch dieses Übermaß. Einzig überwältigend, wie dieser Gott auftaucht in dem goldenen Aether der Concha; sich herüberneigend über den Opferaltar, herabneigend zu uns Menschen Ich war die Stunde, die ich von 6-7 Uhr da saß, gebannt. Ich war das ganze Hochamt hindurch gebannt, mein Blick konnte sich nicht abwenden von dem Antlitz des Gottmenschen.
Jetzt verstand ich das Wort: „Als Jesus in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung, und man fragte: Wer ist das?“ Ich schaute und verstand beim Hochamt, dass dieser da allein der Vermittler sein könnte zwischen Gott und Mensch, der vollkommene Fürbitter bei Gott, der allein Sich Ihm nahen konnte, weil Seine Größe die Größe Gottes ist.“
Die Malerei ist in dieser Kirche nicht Dekoration, sondern wie das Chorgebet Umkleidung, die Aureole, die das Opfer Christi umgibt, das in der Eucharistiefeier gegenwärtig gesetzt wird.
Der Raum und das Stundengebet laden ein, diesem Christus zu begegnen, ihn am Gewand zu fassen, damit ich heil werde.
Natürlich, es braucht nicht diesen Raum, um Gott zu begegnen. Es braucht nicht den Habit, um Mönch zu sein. Aber der Raum, die Einladung in die Gemeinschaft hilft, sich dem Geheimnis Gottes zu öffnen. Warum dann diese Einladung ausschlagen? Was wäre denn zu verpassen, wenn die Einladung Gottes angenommen wird?
Mit offenen Armen lädt er uns ein. Christus ist die Mitte. Nicht nur in der Darstellung dieser Kirche, sondern, ob wir es zugeben oder nicht, die Mitte unserer Seele. Kommt zu mir, und ruht ein wenig aus. Der Meister ist da, er ruft dich!

Von Sr. Klara Antons OSB