Ort des Lebens – Ort des Segens 

10 Gebote der Gelassenheit – Werkzeuge der geistlichen Kunst
ein Weg durch unseren Alltag
eine Einladung zum Verweilen im Eilen

„Nimm dir nicht zu viel vor. Es genügt die friedliche, ruhige Suche nach dem Guten: an jedem Tag, zu jeder Stunde, ohne Übertreibung, mit Geduld.“ ( hl. Papst Johannes XXIII.)


Leben

„Nur für heute werde ich mich bemühen, einfach den Tag zu erleben, ohne alle Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.“

02

Herr,
schenke mir Augen, die weiter sehen
schenke mir Ohren, die tiefer lauschen
schenke mir Gedanken, die unaufhörlich nach dir fragen
schenke mir Menschen, die dich mit mir suchen
und wenn wir dich gefunden haben,
dann blüht unser Mauerwerk auf
im Atemwind deines Geistes
wachsen Trost und Segen,
weil du überall auf uns schaust

 

Werkzeug
Fest überzeugt sein, dass Gott überall auf uns schaut. RB 4,49

apertis oculis nostris

ad deificum lumen
adtonitis auribus audiamus
divina cottidie clamans
HODIE

 

Sorgfalt 

„Nur für heute werde ich mit größter Sorgfalt auf mein Auftreten achten. Ich werde niemanden kritisieren, ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern. Nur mich selbst“

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sed magis benedicere 

Herr Keuner ging in ein Lebensmittelgeschäft, das sich gleich um die Ecke seines Hauses befand. „Gott zum Gruße“, sagte er beim Eintritt, doch man schenkte ihm nur ein müdes Lächeln. Er habe die Perle im Acker gefunden und wolle ein kleines Fest geben, ob die Herrschaften nicht kommen wollen, fragte er, jeder sei willkommen. Doch man

runzelte nur die Stirn und tat zugleich so, als habe man seine Worte nicht gehört. Mönch zu werden, ja, darüber habe er schon häufiger nachgedacht, mehr theoretisch als praktisch, aber plötzlich habe es ihn dann ergriffen und es lasse ihn nicht mehr los; nein, besser: ER lasse ihn nicht mehr los. Ob jemand der Anwesenden auch so eine beglückende Erfahrung gemacht habe, wollte er wissen, doch man schrie ihn an, er möge endlich still sein. Totenstille trat ein – und Herr Keuner trat aus, um schließlich woanders schweigend einzutreten. Die Perle aber, die ließ er im Acker.

Werkzeug
Von der Liebe nicht lassen. Die uns verfluchen, nicht auch verfluchen, sondern – mehr noch – sie segnen. RB 4,26.32

einmalig
unersetzbar
ähnlich und doch verschieden
zum Verbinden und Ergänzen geschaffen
Geduld ist gefragt und Ausdauer
Sorgfalt
mit dir und mit mir
Puzzleteile im Acker unseres Lebens


 Glück 

„Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich geschaffen bin, glücklich zu sein, nicht nur für die andere, sondern auch schon für diese Welt.“

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jubelnde Seele
streck deine Hände aus
grab nach der Quelle
hier ist der Garten
Ölberg und Eden
auch deines Lebens Rosen
wollen hier blühen
Dornwald und Wüste
Manna und Tränen
der Mächtige tut Grosses an uns
heute
hier
auch jetzt
und in der Stunde unseres Todes
stell dich in den Segen
lobpreise den Herrn

Werkzeug
Das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehnen.
Den unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben. RB 4,46f.

Realismus 

„Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass sich die Umstände an meine Wünsche anpassen.“

05

UM-WÖRTER 

In unserem Alltag benutzen wir viele
Wörter, die mit „um“ beginnen.
Manche dieser „Um-Wörter“ wollen eine
Veränderungen andeuten: Um-zug, Um-schwung, Um-wandlung.

Andere „Um-wörter“ verweisen auf
neue Wegstrecken (Um-wege) und längere Prozesse, die mitunter schmerzhaft verlaufen können: um-gehen, um-biegen, um-erziehen, um-pflanzen, um-leiten.

Aber es gibt auch „Um-wörter“, die selbst in scheinbar un-um-stößlichen Situationen neue Perspektiven eröffnen: Um-verteilung, Um-widmung.

Um-orientierung gelingt freilich nur, wenn aus der neuen Um-schreibung nicht sofort wieder ein neuer Um-stand wird, den man lieber gleich um-schiffen würde.

Ist in unserem Leben denn wirklich alles so vergebens und um-sonst?

Nein!

UM-KEHR – conversatio – ist nicht umsonst, aber dafür „gratis“ – eben voll der Gnade.

Jeden Tag neu!

Werkzeug
Nicht murren. RB 4,39

 Lesen 

„Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen. Wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, ist die gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele.“

06

 

Wie treffend, dass es von diesem „Gebot“ gleich zwei Varianten gibt: Lesen und Stille.

Beides liegt auch in unserem Kloster nah beieinander: Bibliothek und Oratorium.

Lectio und Oratio.

In das kleine Heftchen dürfen Empfehlungen geschrieben werden: Leseempfehlungen für das Leben der Seele.

Manchmal liest sie sich spannender als das Buch, das man sich gerade ausleihen möchte: die Leihkarte mit den Namen derer, die schon vor einem dieses Buch gelesen haben.

Leseempfehlungen der stillen Art.

Welcher Reichtum liegt hier verborgen.

Werkzeug
Heilige Lesungen gern hören. RB 4,55

Stille 

„Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit der Stille widmen und Gott zuhören. Wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, so ist das Horchen auf Gott in der Stille notwendig für das Leben der Seele.“

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Werkzeug
Sich oft zum Beten niederwerfen. RB 4,56

Vorübergang des Herrn
tritt einfach ein
bete
und lass die Welt
vorübergehen

simpliciter intret et oret 


Handeln

„Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen – und ich werde es niemandem erzählen.“

08

keine Schatten
sondern Licht wirfst du in unser Leben
malst bunte Farbe auf grauen Stein
verwandelst finstere Ecken
in helles Leuchten
zart
verspielt
für Achtsame
nur einen Augenblick
wie leises Säuseln
o Schöpfer der Welt
wie staunenswert
ist dein Blick
für uns
ist dein Atem
in uns
ist dein Antlitz
unter uns
Licht ist gesät
schon keimt es
seht ihr es nicht?
nur einen Augenblick
und das Angesicht der Erde
wird neu

Werkzeug
Arme bewirten.
Nackte bekleiden.
Kranke besuchen.
Tote begraben
Bedrängten zu Hilfe kommen.
Trauernde trösten. RB 4,14-19

Überwinden

„Nur für heute werde ich etwas tun, wozu ich keine Lust habe. Sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.“

09

Mittagshore 

erhitzte Gemüter
neigen das Haupt

die Stirn trägt Wunden
dein Wort lässt heilen
was Worte verletzten

zur Ruhe kommen
die Stille finden

Mitten am Tag
notwendig
Not wendend
heilend

die Stille gefunden
zur Ruhe gekommen

vergebende Worte
dein Wort, das vergibt
alle Schuld dieser Welt

als du dein Haupt neigtest
über erhitzte Gemüter

zur Mittagszeit

Werkzeug
Nicht stolz sein,
nicht trunksüchtig,
nicht gefräßig,
nicht schlafsüchtig,
nicht faul sein. RB 4,34-38

contentus sit monachus


Planen

„Nur für heute werde ich mir ein genaues Programm vornehmen. Auch wenn ich mich nicht genau daran halten werde – ich werde den Tag planen. Ich werde mich besonders vor zwei Übeln hüten: vor der Hetze und vor der Unentschlossenheit.“

10

Danke,

Herr, dass du unser Wollen in ein anderes Licht stellst
und voller Sanftmut
einen zarten Strich
durch unsre Pläne machst.

11

 

 

in aller Gelassenheit und im Gehorsam

cum omni mansuetudine et oboedientia

 

 

Werkzeug
Gottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen. RB 4,63

 


Mut

„Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, und mich an allem freuen, was schön ist. Und ich werde an die Güte glauben.“

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Werkzeug
Vor allem: Gott den Herrn, lieben
mit ganzem Herzen,
mit ganzer Seele
und mit ganzer Kraft.
Ebenso: Den Nächsten lieben wie sich selbst. RB 4,1f.

wie klopfte mir damals das Herz
bei den ersten Schritten
Einsamkeit und Gemeinschaft

„lass dich nicht sofort von Angst verwirren
fliehe nicht vom Weg des Heils
er kann am Anfang nicht anders sein als eng
folge mir nach“

Heimsuchung Gottes
Zeitenwende in seinem Zelt
Hände in Hände gelegt

welch unsagbares Glück:
hier brennt der Dornbusch

und das Herz schlägt mir noch heute


Vertrauen

„Nur für heute werde ich fest daran glauben – selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten – , dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.“

13

 

GEMEINSCHAFT ausbuchstabiert (mit RB 72) 

G ott fürchten

e inander selbstlos

m it glühender Liebe

E igenwillen aufgeben

i m gegenseitigen Gehorsam

n ichts vorziehen

s o gibt es den guten Eifer

c harakterliche Schwächen mit unerschöpflicher Geduld ertragen

H ilfe des Herrn erbitten

a uf die Weisung des Meisters hören

F ührung des Evangeliums

t äglich durch die Tat erfüllen

ecce quam bonum
Wurzel und Stamm
Grundstock für Generationen
im Vertrauen auf Gott
wachsen neue Triebe
getragen und gestützt
habitare in unum

Werkzeug
Seine Hoffnung Gott anvertrauen. RB 4,41

 

Von Sr. Raphaela Brüggenthies OSB

 

Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt.
Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. (Joh 10, 11-15)

Wären Sie nicht erstaunt, wenn jemand Ihnen sagte, dass der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier Sie persönlich kennt? Oder Thomas Gottschalk?
Sie wären sicher erstaunt, und nicht wenige würden sich geehrt fühlen.
Erstaunlich ist auch, was in der Bibel, im Buch Exodus, Gott zu Mose sagt: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid.“ (Ex 3,7) Und etwas weiter: „Das, was du jetzt verlangt hast, will ich tun; denn du hast nun einmal meine Gnade gefunden und ich kenne dich mit Namen. (Ex 33,17)
Stellen Sie sich das einmal vor: Der Schöpfer der Welt, der Herr des Himmels und der Erde, wendet sich dem Menschen zu und sagt ihm: Ich kenne dich, ich kenne deine Not… Und wenn die Bibel vom „kennen“ spricht, meint sie nicht irgendein Wissen oder eine intellektuelle Erkenntnis, sondern das Kennen findet im Innenraum einer Beziehung statt, es ist Ausdruck dieser Beziehung.
Deutlich wird das, wenn wir auf den Text aus dem Johannesevangelium schauen, den wir eben gehört haben. Dort sagt Jesus: Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.
Hören wir einmal genau hin: Jesus sichert uns zu, uns so zu kennen, wie der Vater ihn kennt und er den Vater kennt. Jesus und sein Vater kennen sich ja nicht, wie man halt jemanden so kennt, wenn man von ihm gehört hat. Jesus wurde bei der Taufe und bei der Verklärung von seinem Vater feierlich als sein Sohn anerkannt und bezeugt. Jesus und der Vater kennen sich, wie ein Vater und ein Sohn sich kennen. Und Kennen bedeutet: lieben.
Jesus sagt also: Ich kenne und liebe euch so wie ich den Vater kenne und liebe. Das ist kein Vergleich, sondern eine Gleichsetzung: die innige Beziehung Jesu zum Vater ist die gleiche, wie zu uns: wir sind da hineingenommen, sind Teil davon. Wir dürfen Gott „Abba – lieber Papa“ nennen. Wir sind wirklich und wahrhaftig Töchter und Söhne des Vaters im Himmel, sind wirklich und wahrhaftig Schwestern und Brüder Jesu.
Und Jesus sagt weiter: „Die Meinen kennen mich…“ Die „Meinen“ – das sind wir – aber kennen und lieben wir Jesus, so wie der Vater ihn kennt und liebt? Wenn wir da Zweifel und Fragen haben, stehen wir nicht alleine; auch den Jüngern ging es so. Man kann fast das Seufzen Jesu hören in der Frage: Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus?
Aber wir brauchen nicht verzagen: wir kennen Jesus, weil er selbst uns hilft, ihn kennen zu lernen. Seine Ostergabe an uns ist der Heilige Geist: SEIN Heiliger Geist, der uns alles lehren und in die ganze Wahrheit einführen will. Es ist der Geist der Liebe, die zwischen Vater und Sohn lebendig ist, es ist die Liebe selbst. Wir bräuchten nur offen zu sein, Sehnsucht nach ihm zu haben, „wahrhaft Gott suchen“, wie der Hl. Benedikt es ausdrückt. Das wäre das Entscheidende.
In dieser Zeit zwischen Ostern und Pfingsten werden wir in den Schriftlesungen der Liturgie darauf eingestimmt, den versprochenen Heiligen Geist zu erwarten, ganz sicher mit ihm zu rechnen. Und zugleich zu entdecken, dass er schon tief in uns lebendig ist und wirkt. Schon die Sehnsucht nach Gott ist eine Wirkung des Heiligen Geistes, wie Augustinus uns sagt.
Geben wir dieser Sehnsucht Raum, machen wir uns auf die Suche nach Gott, nach Jesus. Lesen wir in der Heiligen Schrift, um ihn besser kennenzulernen, und entdecken wir seine Spuren in unserem Leben. Wir können uns dabei jederzeit auf die Hilfe, die Stütze und das Feuer des Heiligen Geistes verlassen.
Seien wir uns auch gegenseitig Ermutigung und Stütze auf diesem Weg, und machen wir uns die Worte des Hl. Paulus zu Eigen, der im Philipperbrief schreibt: Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit ihm; sein Tod soll mich prägen (Phil 3,14). Amen.

Von Sr. Petra Knauer OSB

Das 53. Kapitel der Regel des hl. Benedikt ist ganz der Aufnahme der Gäste gewidmet. Die Gastfreundschaft wurde so von Anfang an zu den tragenden Grundpfeilern benediktinischen Lebens.

Um sich dem Thema Gastfreundschaft zu nähern, sollen zunächst die kulturellen und biblischen Grundlagen der Gastfreundschaft kurz in den Blick genommen werden. Xenos = Gast bedeutete ursprünglich im Griechischen der Fremdling, der Unbekannte, der Ausländer, der zunächst einmal Angst und Abwehr auslöste. Er war zunächst also der Feind, der in den eigenen Lebensraum eindringt und der als bedrohlich erfahren wird, weil er anders ist. Auch im Lateinischen bedeutete hostissowohl Feind als auch Fremder. Wenn wir also von Gastfreundschaft in der Antike wie auch in der Bibel sprechen, so darf dies keineswegs als etwas Naturgegebenes verstanden werden. Gastfreundschaft ist eine Kulturleistung ersten Ranges und gehört von alters her zu den prägenden Elementen der Gesellschaft. Neben den vielen Möglichkeiten der zwischen-menschlichen Beziehungen und Hilfe galt sie auch als Form religiöser und sozialer Verantwortung. Sie war keineswegs nur Zeichen liebenswürdigen oder großzügigen Umgangs miteinander, sondern war im wahrsten Sinne lebens-notwendig in einer Welt, in der die gewerbsmäßige Unterbringung von Fremden und Reisenden noch unbekannt war. Jeder, der die Grenzen seiner engeren Heimat, seines Vaterhauses oder seiner Vaterstadt verließ, musste und durfte sie in Anspruch nehmen. Sie war nicht nur gastliche Aufnahme und Bewirtung, sondern umfasste den absoluten Schutz für Leib und Leben. Insofern barg sie in sich immer schon einen existentiellen Kern. Von daher gesehen lag auch eine religiöse Deutung der Gastfreundschaft sehr nahe. Weiterlesen