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Das „Opus Dei“ als Mitte benediktinischen Lebens

Nichts ist für benediktinisches Leben so kennzeichnend wie das „Opus Dei“ (Werk Gottes). Wir denken dabei vor allem an den liturgischen Gottesdienst, das Stundengebet. Das „Opus Dei“ ist sowohl Werk Gottes selber als auch Werk für Gott. Benedikt übernimmt den Ausdruck aus der Tradition vor ihm; dort bezeichnete er das christliche oder Mönchsleben als solches, das sich dann im Gebet verdichtet. Benedikt ordnet mit äußerster Sorgfalt das gemeinsame Gebet der Mönche (vgl. Benediktusregel 8-20; 45; 47; 50; 52). Vergeblich sucht man in seiner Regel eine theologische Grundlegung des Gebetes, dafür aber werden Ablauf und Aufbau der einzelnen Gebetszeiten und die für ihren würdigen Vollzug erforderlichen Haltungen ausführlich geschildert. 

Das Gebet hat den Vorrang vor jeder anderen Tätigkeit (vgl. Benediktusregel 43,3), es bestimmt den Rhythmus des Tages, eröffnet, begleitet und beschließt ihn, das ganze Leben und jeder Dienst des Mönchs werden von ihm umrahmt und durchdrungen. Benedikt erweist sich darin als Empfänger, Hüter und Tradent alten monastischen Erbes. Die Mönchsväter betrachteten die Gottvergessenheit als die Quelle aller Sünde. Nur wer in allem Gott vor Augen hat und in seiner Gegenwart lebt, wird nichts gegen ihn tun. Der Aufforderung Jesu entsprechend, erblickten sie im unablässigen Gebet (vgl. Lk 18,1; 1 Thess 5,17) die Hauptübung des Mönchslebens. Durch den Erwerb der inneren Gebetsverfassung, die Praxis des Stundengebets und der „Meditation“ als halblauten, auswendigen Hersagens bestimmter Schriftworte suchten sie das Anliegen, ohne Unterlaß zu beten und an Gott zu denken, zu verwirklichen. Benedikts Auffassung vom „Opus Dei“ weiß sich dieser Überlieferung verpflichtet.

Er beginnt das Kapitel über „die Haltung beim Gottesdienst“ mit dem Hinweis auf die Gegenwart Gottes: „Überall ist Gott gegenwärtig, so glauben wir, und die Augen des Herrn schauen an jedem Ort auf Gute und Böse. Das wollen wir ohne jeden Zweifel ganz besonders dann glauben, wenn wir Gottesdienst feiern“ (Benediktusregel 19,1 f.). Gebet ist für ihn Höchstvollzug des Glaubens an den gegenwärtigen Gott. Es stellt den äußersten Ernstfall dessen dar, was das Leben eines Mönchs ausmacht: Wandel in Gottes Gegenwart. Beten heißt, bewußt und, soweit als möglich, in Gottes Gegenwart eingehen und darin aufgehen. Der Akzent beim Gottesbild der Regel und der alten Mönche liegt eindeutig auf der Gegenwart, nicht auf der Vergangenheit oder der Zukunft. Sie suchen und erfahren Gott nicht so sehr in der Erinnerung oder in der Erwartung, sondern im Hier und Heute ihres Daseins. Was es um die Gegenwart ist, wird von Gott her bestimmt. Im Gebet werden Gott und Gegenwart zusammengesehen und in ihrem Miteinander wahrgenommen, in ihrem Zusammenhang und in ihrer Verwiesenheit für den Glauben transparent. In ihm wird das Leben von der Perspektive des gegenwärtigen Gottes aus feiernd, dankend und heilend in den Blick genommen.

Den Grundakkord des benediktinischen „Opus Dei“ stellt das Motiv des Lobes, darin eingeschlossen der Anbetung und des Dankes dar. Wie dieses näher verstanden wird, kann man einer Regieanweisung entnehmen, die einen tiefen Blick in die Gebetsauffassung Benedikts tun läßt: „Sobald der Vorsänger es (= das Ehre sei dem Vater) anstimmt, erheben sich aus tiefer Ehrfurcht vor der heiligen Dreifaltigkeit sofort alle von ihren Sitzen“ (Benediktusregel 9,7). Gebet ist für Benedikt letztlich trinitarische Doxologie. Sinn des „Opus Dei“ ist es, Gott, dem allein Heiligen, jene Herrlichkeit zurückzugeben, die er selber ist und hat, die in der Schöpfung wie in der Heilsgeschichte, vor allem in Jesus Christus, aufleuchtet. Diese Zielangabe übersteigt alle innerweltlichen Zwecke und Ziele und bildet die eigentliche Bestimmung des Menschen. Die Verherrlichung Gottes ist Ausdruck der Freiheit, Dankbarkeit, Freude, Bewunderung, der Liebe und des Wohlgefallens. Hier kommen alle Dimensionen des Lobes zum Klingen. Es ist selbstlos und zweckfrei, gilt dem Gebet aller Gaben und bevorzugt ihn um seiner selbst willen. Die Mönche greifen darin den Auftrag des historischen Jesus und des erhöhten Herrn – den Namen des Vaters zu verherrlichen – auf und führen ihn im Geiste weiter. Die Offenbarung und Mitteilung der Herrlichkeit ist der eigentliche Ursprung und Inhalt des monastiscshen Betens. Es nimmt diese Herrlichkeit des Vaters durch den Sohn im Geist auf und gibt sie zurück (vgl. Benediktusregel 16,5). In den Psalmen als dem Grundtext des benediktinischen Gotteslobes geht der Mönch den Weg der Herrlichkeit Gottes in Schöpfung und Geschichte entlang und entfaltet kontemplierend ihre Dimensionen. Dieses Lob weist voraus und mündet ein in die „Aufhebung“ aller Wege des Gebetes in der ewigen Anbetung Gottes als ihrer Erhörung und Erfüllung. Die Herlichkeit Gottes allein bleibt, die zugleich das wahre Heil des Menschen darstellt.

Abt Christian Schütz OSB, Schweiklberg