„Der lebendige Gott, der alles durch sein Wort erschuf, führte durch dieses fleischgewordene Wort das menschliche Geschöpf, das sich in die Finsternis gestürzt hatte, zur Erlösung im Glauben zurück.“ (Sc II, 1)
Auf dieser Miniatur sind die Schöpfung und der Sündenfall, die Menschwerdung, die Erlösung und Verherrlichung in einem einzigen Bild dargestellt, das Hildegard, „vom geheimnisvollen Hauch befruchtet,“ schaute. Von dem helleuchtenden Feuerkreis in der oberen Bildhälfte, der den allmächtigen und lebendigen Gott bezeichnet, und der einen himmelblauen Lichtkreis in sich trägt, geht das Leben aus. Aus dem helleuchtenden Feuer mit der blauen Flamme im Inneren schlägt eine Lichtflamme nach unten in eine dunkle Luftkugel, die mit dem Schöpfungswerk Gottes angefüllt ist. Das Sechstagewerk der Schöpfung leuchtet in der Luftkugel in kleinen Bildern auf. Weiterlesen

„Der Mensch unterlasse nicht, mich, den einzigen Gott, in diesen drei Personen anzurufen. Ich habe sie dem Menschen geoffenbart, dass er um so heißer in der Liebe zu mir entbrenne, da ich ihm zuliebe meinen Sohn in die Welt sandte.“ (Sc II,2)

Hildegard schaute „ein überhelles Licht und darin eine saphirblaue Menschengestalt, die durch und durch im sanften Rot funkelnder Lohe brannte.“ Die Bildebene der Vision bringt am schönsten zum Ausdruck, wie sich die drei göttlichen Personen in ihrer Einheit gegenseitig durchdringen, ohne aufzuhören, Person zu sein, schreibt Michael Zöller in „Gott weist seinem Volk seine Wege“
Die Miniatur zeigt inmitten einer goldfarbenen Kreisfläche, umgeben von breitem silbernen Rand, die saphirblaue Menschengestalt. Von oben einströmendes Licht hebt deren Umrisse hervor. Weiterlesen

„Aus lebenden Seelen wird der himmlische Bau aus lebendigen Steinen errichtet. Wie eine riesige Stadt umfasst er die große Schar der Völker und wie ein weites Netz eine ungeheure Menge Fische.“ (Sc II,3)

Nachdem in den ersten beiden Miniaturen des zweiten Buches Scivias das Erlösungswerk des dreifaltigen Gottes erläutert wird, beschreiben die folgenden Bilder die Vergegenwärtigung der Erlösung in der Kirche und ihren Sakramenten. „Gott schenkt den Menschen durch die Kirche das Heil, indem er ihnen durch die Sakramente seinen Weg in die Nachfolge seines Sohnes eröffnet, sie auf ihm festigt und stärkt und die Menschen, wenn sie gesündigt haben, in der Buße wieder auf den Weg Gottes zurückführt.“ (Zöller, S. 248)
Die Miniatur zeigt in Teildarstellungen das Wesen der Kirche und das Sakrament der Taufe. Weiterlesen

„Wie die Kirche, die neue Braut des Lammes, vom Leuchten der Sonne der Gerechtigkeit überstrahlt und mit der Glut des Heiligen Geistes ausgestattet, zur Vollendung ihrer Schönheit gelangt, so muss auch der gläubige Mensch, der die Wiedergeburt in Geist und Wasser (die hl. Taufe ) empfangen hat, mit der Salbung des himmlischen Lehrers gestärkt werden.“
( Sc II, 4 )
Ein großer runder Turm aus einem weißen Stein mit der Frauengestalt, der Kirche, in der Menschen hindurchziehen, prägen diese Miniatur. Der Turm aus einem einzigen weißen Stein symbolisiert den Heiligen Geist in seiner leuchtenden Klarheit, der alle Geschöpfe umkreist. Aus den drei Fenstern des Turmes, die mit Smaragden besetzt sind (diese bedeuten die Tugenden und Mühen der Apostel) bricht ein heller Glanz hervor. Der Dreifaltige Gott tut sich in der Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes kund. Sowie die Kirche vom Heiligen Geist erfüllt, gestärkt und geführt ist, so sollen auch die Getauften gefirmt, d.h. mit Heiligem Geist erfüllt werden. Weiterlesen

Gott weist seine Wege in den Ständen der Kirche und ruft so alle Menschen in die Nachfolge seines Sohnes. Diese Darstellung vermittelt nur andeutungsweise, welche Durchblicke Hildegard zum Mysterium der Kirche geschenkt wurden.

„Betrachte nur Sonne, Mond und Sterne. Ich bildete die Sonne als Tageslicht, sie bezeichnet meinen Sohn, und Mond und Sterne, dass sie nachts leuchten. Der Mond bezeichnet die Kirche, die meinem Sohn in himmlischer Vermählung angetraut ist. Die Sterne deuten auf die Angehörigen der verschiedenen Ständen des kirchlichen Lebens hin.“ (II, 5)
Die Miniatur zeigt die Kirche als mystischen Leib, der von den Ständen der Weltlichen, der Kleriker, der Ordensleute gebildet wird. Weiterlesen

Diese Vision über den Ursprung der Kirche, über die Feier der hl. Messe und das Sakrament der Eucharistie steht in der Mitte des Buches Scivias und umfaßt die Hälfte des zweiten Teils. “Die Vergegenwärtigung des Heilswerkes vor Gott und den Gläubigen in der Eucharistiefeier erscheint als komplexes Beziehungsgeschehen zwischen Gott und der Kirche, indem sich die heilsgeschichtliche Vergangenheit, die Gegenwart und die eschatologische Bestimmung der Kirche in Gedächtnis, Opfer und Kommunion miteinander verbinden.“ (Michael Zöller S. 293 )
Die Kirche als Braut Christi wird unter dem Kreuz mit Fleisch und Blut ihres Bräutigams beschenkt und fordert diese Mitgift in der hl. Messe vor Gott ein. Weiterlesen

Diese Miniatur muss mit der vorausgegangenen gesehen werden.
Die Gläubigen sollen mit wahrer Andacht das Fleisch und Blut ihres Erlösers essen und trinken, der für sie gelitten und den zeitlichen Tod auf sich genommen hat. So sollen die Menschen das rechtmäßige Erbe im Glauben wiedererhalten.
„Esst im Glauben, die ihr durch die hl. Taufe meine Freunde geworden seid. Im Leib meines Eingeborenen genießt ihr das wahre Heilmittel, damit eure immer wiederkehrenden Vergehen barmherzig getilgt werden.“
Ein Priester steht am Altar in liturgischen Gewändern, um die göttlichen Geheimnisse zu feiern. Engeln sind anwesend mit einem hellen Lichtschein aus dem Himmel. Es vollzieht sich für die, die glauben, die Wiederherstellung zum Heil, zum Leben in Fülle mit dem Sohn Gottes.
Fünf Arten von Kommunikanten schaute Hildegard, entsprechend zu den fünf Sinnen, die vor Sünde bewahrt und von ihr gereinigt werden sollen. Weiterlesen

„Gott ordnet alles gerecht und ruft die gläubigen Völker zur Herrlichkeit des himmlischen Erbes. Doch der alte Betrüger, der im Hinterhalt liegt, versucht sie davon abzuhalten und wendet die Künste seiner Bosheit gegen sie auf. Er wird aber dennoch von ihnen besiegt. Sie nehmen das himmlische Vaterland in Besitz und er erduldet Höllenqualen.“

Dieses Thema der letzten Vision des zweiten Teils wird in zwei Miniaturen dargestellt. Es geht über das Wirken des Teufels und seine Laster und um den Kampf der Gläubigen gegen den Teufel. Zwar hat der Sieg des Sohnes Gottes die Macht des Teufels überwunden, das Böse jedoch nicht endgültig vernichtet. Daher stellt der Teufel den Menschen in der Welt nach. Er tritt als Kaufmann auf, der den Menschen seine Laster werbend empfiehlt. Weiterlesen

Die folgende Miniatur zeigt die Tätigkeit Satans in zwei Bildern.
Der untere Teil des Bildes:
Auf dem Marktplatz der Welt bietet der Teufel als Kaufmann seine Ware „sanftmütig“ auf zwei Tischen an: Reichtum, Vergnügungen, verschiedene Handelsgeschäfte. Der Verführer bietet seine Laster zum Tausch gegen das gute Gewissen an, indem er trügerisch seine Ware als gut und heilig vorgaukelt.
Manche Menschen laufen ganz schnell vorbei, weil sie Gott erkennen und unter den Geboten Gottes an den weltlichen Begierden vorbeigehen. Einige schlendern umher und verlegen sich aufs Verkaufen und Einkaufen. Durch die Lauheit ihres Herzens haben sie das himmlische Verlangen ihrer Seele erstickt und nähren im „Kaufen“ die Lüsternheit ihres Fleisches. Weiterlesen

Die Miniatur zeigt leider nur sehr unvollständig etwas von der Fülle und Tiefe des Visionstextes. Das Thema der Vision ist der Mensch im Lichtkreis Gottes: „Gott, der alles erschaffen und den Menschen für jene Herrlichkeit bestimmt hat, aus der der gefallene Engel mit seinen Nachahmern verstoßen wurde, ist von seiner ganzen Schöpfung mit größter Ehre und Furcht zu verehren und zu fürchten. Denn es ist recht, dass dem Schöpfer des Alls von seiner Kreatur Ehrfurcht erwiesen wird und er als Gott gläubig angebetet werde.“
Hildegard erblickte im Osten einen ungeheuer breiten und hohen eisenfarbenen Felsblock, über ihm eine glänzendweiße Wolke. Darauf stand ein runder Königsthron. Auf ihm thronte ein lebendiges Wesen von strahlender Herrlichkeit. Weiterlesen