Jahreschronik Advent 2013 – Advent 2014

CHRONIK 2014 ALS PDF-DOWNLOAD
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Liebe Mitbrüder und Mitschwestern,

liebe Verwandte und Freunde der Abtei St. Hildegard!
„Du krönst das Jahr mit deiner Güte,
deinen Spuren folgt Überfluss.“ Ps 64 (65),12
Diese Worte des Psalmisten, die wir uns jeden Dienstagmorgen in den Laudes zu eigen machen, stehen wie eine Einladung über unserem Jahresrückblick: die Einladung, die Spuren Gottes rückblickend zu erkennen und seine Güte zu preisen.
Denn auch das vergangene Jahr war wieder in vielerlei Weise „gekrönt“ und ließ uns die Wahrheit dessen erfahren, was uns Mutter Clementia als Jahresmotto mit auf den Weg gab: Ich bin der „Ich-bin-da“ (Ex 3,14)

Dezember 2013

In ihren Konferenzen hat uns Mutter Clementia immer wieder auf die von allen Seiten uns umschließende Gegenwart Gottes hingewiesen, der uns als Person begegnet und uns in Jesus Christus sein unverbrüchliches Ja gegeben hat. Verschiedene andere „Ich bin“-Worte hat Mutter Clementia das Jahr über beleuchtet wie z.B. „Ich bin der Herr, dein Arzt“ (Ex 15,26).
Trotz ihrer 91 Jahre nahm unsere Alt-Äbtissin Mutter Edeltraud noch einmal eine Einladung von Bischof Gregor Hanke nach Eichstätt an. Ansonsten wohnt sie auf unserer Krankenstation, freut sich über jeden persönlichen Austausch und nimmt trotz nachlassender Kräfte rege am Geschehen der Gemeinschaft und der Kirche teil. Ganz besonderes Interesse zeigt sie nach wie vor am Leben der anderen Klöster und Ordensgemeinschaften und pflegt viele Kontakte.
Ein Grund zu herzlicher Mitfreude mit unseren Schwestern in Marienrode bot die Einkleidung ihrer Postulantin Christine, die am Fest des hl. Nikolaus als Novizin den Namen Nicola-Maria erhielt.
Im Bereich ihrer Hildegardforschung wurde Sr. Maura das Buch „Wort Gottes. Die Offenbarungsreligionen und ihr Schriftverständnis“ im Dezember ausgehändigt. Dieser Band, der von Josef Rist in Verbindung mit Christof Breitsameter herausgegeben im Verlag Aschendorff/Münster erschien, enthält neben den Beiträgen von Richard Schaeffler, Christian Frevel, Thomas Söding, Michael Weinrich, Markus Knapp, Martin Klöckener, Felix Körner SJ usw. einen Aufsatz von Sr. Maura mit dem Titel „Christozentrische Anthropologie. Eine Studie zur modellhaften Schriftauslegung Hugos von Saint-Victor und Hildegards von Bingen“.
Dieser Aufsatz ist Sr. Maura besonders lieb geworden. Denn während sie sich in ihrer Dissertation auf die Differenzen konzentrierte, hebt sie hier die Gemeinsamkeiten der beiden von ihr sehr geschätzten mittelalterlichen Autoren hervor. Sie ist überzeugt, dass Hugo und Hildegard den kirchlichen Blick auf die Heilige Schrift exemplarisch zeigen, eben die christologische Schriftauslegung. Eine solche „Christusgelehrsamkeit“ fordert zugleich eine Umgestaltung in Christus. So lautet das Fazit: „Schriftauslegung vollzieht sich im Neuen Testament nicht mehr angesichts eines Textes, sondern in der Begegnung mit Jesus Christus, und vollendet sich, wenn der Mensch das Wort Gottes in sein eigenes Leben wahrhaftig aufnimmt und in der Tat inkarnieren lässt“ (S.114)
Abschied nehmen musste Sr.  Candida von ihrer Schwester, Frau Walburga Tooten, die nach langem Leiden am 16.12. zum Herrn heimging. Sr. Candida hatte sie kurz vorher noch besuchen können.
Eine Erleichterung für unsere älteren Mitschwestern sind zwei neue Duschkabinen mit barrierefreiem Zugang im Dormitorium, die noch vor Weihnachten eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben werden konnten.

Januar 2014

Vom 15.–18.1. war Prälat Professor Dr. Wendelin Knoch/ Bochum zu Fortbildungstagen bei uns zu Gast. Sein Thema “Das Zweite Vatikanische Konzil – Fundament aktueller geistlicher Formung“ gliederte er in vier Aspekte:

1. Die evangelischen Räte – Grundlage und fruchtbarer Impuls für persönliche monastische Alltagsformung (“Lumen Gentium” Nr. 43; “Perfectae Caritatis Nr. 12, 13 und 14);

2. Das monastische Leben als Dienst für die Kirche (“Christus Dominus”Nr.33);

3. Das monastische Leben, geformt durch die liturgische Praxis

(„Sacrosanctum Concilium” Nr. 36 + Nr. 116);

4. Das monastische Leben – Teil des kirchlichen Dienstes für die Menschen (“Gaudium et spes” Nr. 40).
Am 22.1.2014 erreichte uns die Nachricht vom Heimgang des seit vielen Jahren schwer an Parkinson erkrankten einzigen Bruders unserer Sr. Gisela, Herrn Klaus-Peter Happ. Er war im Alter von 66 Jahren nach einem qualvollen halben Jahr zwischen Intensivstation, Pflegeheim und Krankenhaus gestorben und ließ Sr. Gisela nun ohne Geschwister zurück. Unser betendes Gedenken begleitete sie in diesen schweren Tagen. Am gleichen Tag erfuhren wir auch vom Heimgang des unserem Hause sehr verbundenen Herrn Harald Maltry aus der Abtei Neuburg. Er möge in Frieden ruhen.
Im neuen Jahr hat Sr. Philippa zusätzlich eine Aufgabe übernommen. Schon im vorigen Jahr war sie zweimal als Moderatorin zu Gast bei Zusammenkünften des Generalrates der Franziskanerinnen von Gengenbach. In diesem Jahr nun ist daraus eine kontinuierliche Mitarbeit erwachsen. Ziel ist es dabei, die Arbeit des Generalrates an der Neufassung der Konstitutionen und an der Neuausrichtung der Kongregation zu moderieren und zu begleiten. Die „Franziskanerinnen vom göttlichen Herzen Jesu“ in Gengenbach sind uns seit Jahrzehnten verbunden und haben uns vor allem in der Nachkriegszeit und auch später viel Gutes getan. Deshalb hat Mutter Clementia auch nicht gezögert, als die Anfrage auf Sr. Philippa zukam. Für Sr. Philippa ist die Aufgabe eine Herausforderung und Bereicherung zugleich. Der erste Teil der gemeinsamen Arbeit – die Formulierung von spirituellen Leitlinien der Kongregation – hat ihr sehr viel Freude gemacht und sie so ganz nebenbei nicht wenige Parallelen zwischen der Benedikts- und der Franziskusregel und der Spiritualität der beiden Orden entdecken lassen. Wir freuen uns, dass eine ordensübergreifende Zusammenarbeit durch dieses Projekt gefördert wird und dass die alte Verbundenheit mit Gengenbach hierdurch neue Impulse erhält.

Februar

Unsere Jahresexerzitien begannen wir am 2.2. mit Abt Marianus Bieber/Niederaltaich. Er bot uns nach eigenem Bekunden „gute Hausmannskost“ nach der Regula Benedicti unter dem Thema „Ora et labora et lege“(„Bete und arbeite und lies“). Eine Woche lang führte er uns ganzheitlich und sehr konkret Raum und Zeit des benediktinischen Lebensentwurfs vor Augen und zeigte uns anhand der beiden „et“ (siehe Thema), wie sich die Gottes- und Nächstenliebe in unserem Alltag ausbuchstabiert.
Vom 12.–14.2. nahm Mutter Clementia in Gerleve an der Regimen-Sitzung der Beuroner Kongregation sowie an der gleichzeitig dort stattfindenden Tagung der AGZ (Arbeitsgemeinschaft Zukunft) der Kongregation teil. Beides diente der Vorbereitung des Generalkapitels.
Ein Schauspiel besonderer Art bot sich uns, als von einem Riesen-Autokran der Metallrahmen für den Übergang von der Pforte in unseren Gästetrakt (genannt „die Brücke“) in vier vorgefertigten Teilen punktgenau eingesetzt wurde – eine technische Meisterleistung.

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Ganz besonderen Anteil an der Fertigstellung unseres neuen Klosterladens und vor allem an dieser „Brücke“ hatten die Mitglieder unseres Freundeskreises. Seit vielen Jahren ist es ihnen ein Anliegen, dass Menschen mit Behinderung bei uns zu Gast sein können. Deshalb engagierte sich der Freundeskreis auch großzügig bei der Finanzierung der Stahl-Glas-Brückenkonstruktion, wofür wir sehr dankbar sind.
In diesem Jahr standen bei der Mitgliederversammlung des Freundeskreises auch turnusgemäß wieder Neuwahlen des Vorstands an. Der Beirat, in den in diesem Jahr der Rüdesheimer Bürgermeister Herr Volker Mosler und Herr Professor Gerd Weiß, der kürzlich in Ruhestand getretene oberste Denkmalschützer des Landes Hessen, neu berufen wurden, wählte erneut das Oberhaupt unserer Stifterfamilie, Alois Fürst zu Löwenstein, zu seinem Vorsitzenden. Frau Barbara Lehnard, die vor 13 Jahren schon Gründungsmitglied unseres Freundeskreises war, steht ihm wieder als Stellvertreterin zur Seite. Als Vorsitzender des Gesamtvereins wurde Georg Freiherr von Boeselager in seinem Amt bestätigt; als Schriftführerin Frau Bettina Gies. Herr Helmut Colloseus, der langjährige Schatzmeister unseres Vereins, trat in den wohlverdienten „Vereins-Ruhestand“. Ihm folgt nun Frau Susanne Zeidler nach. Wir wissen, dass das ehrenamtliche Engagement in unserem Freundeskreis für die Damen und Herren des Vorstands und des Beirats keineswegs selbstverständlich ist. Sie alle sind in ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern sehr engagiert und eingespannt. Umso mehr gilt ihnen unser Dank, unsere Anerkennung und unser Gebet. Möge Gott es ihnen in reichem Maße vergelten.
Aus wirtschaftlichen Erwägungen mussten wir uns leider von zwei Mitarbeiterinnen – einer in der Küche und einer im Klosterladen – trennen, was intern einige personelle Verschiebungen mit sich brachte. Sr. Lydia wechselte vom Laden wieder in die Küche, Sr. Petra gliederte sich ins Ladenteam ein, und als Hilfen für Sr. Francesca im Pfortenbereich setzen sich nun Sr. Ancilla, Sr. Maria Magdalena sowie ehrenamtliche Mitarbeiterinnen ein.
Eine „Stippvisite“ in Rom ergab sich Ende Februar für Mutter Clementia und Sr. Philippa. Schon Ende Januar hatte Mutter Clementia ganz unerwartet einen Brief von Papst em. Benedikt XVI. erhalten. Darin lud er sie zusammen mit Sr. Philippa für den 27.2. zu einem privaten Besuch bei ihm in das kleine Kloster „Mater ecclesiae“ in den Vatikan ein. Zwei Jahre nach der Heiligsprechung und Erhebung unserer Klosterpatronin zur Kirchenlehrerin wollte der Heilige Vater noch einmal an die Ereignisse des Jahres 2012 erinnern und sie gemeinsam mit uns vor seinem geistigen Auge Revue passieren lassen. Wir freuten uns über die große Ehre, die uns allen mit dieser Einladung zu Teil wurde, und so flogen Mutter Clementia und Sr. Philippa für zwei Tage in die Ewige Stadt. Am späten Nachmittag des 27.2. fanden sich die beiden pünktlich an der Porta Sant‘ Anna ein, wo sie von einem freundlichen Schweizer Gardisten empfangen und per Auto quer durch die vatikanischen Gärten zum Kloster „Mater Ecclesiae“ gefahren wurden. Als Gastgeschenk hatten sie ein Exemplar der Faksimile-Ausgabe unseres illuminierten SCIVIAS-Kodex der hl. Hildegard dabei. Papst Benedikt begrüßte seine Gäste ohne jedes Protokoll in ganz privatem Rahmen. Er freute sich sichtlich über das Faksimile und versicherte, dass er es in seinem Arbeitszimmer nicht nur auflegen, sondern auch lesen und in aller Ruhe studieren und betrachten wolle. Mehr als eine Stunde nahm sich der Heilige Vater Zeit, erkundigte sich nach den Auswirkungen der Kirchenlehrererhebung der hl. Hildegard in unserem Bistum und in unserer Abtei und nach dem Stand der Hildegardforschung. Mutter Clementia und Sr. Philippa waren erstaunt, wie hervorragend Papst Benedikt über die deutsche Kirche und die Situation in unseren benediktinischen Klöstern informiert war und wie interessiert und aufmerksam er die Anliegen aufnahm, die sie ihm vortrugen. Als die beiden das Kloster „Mater ecclesiae“ verließen, leuchtete die Peterskuppel wunderschön im warmen Abendlicht. Das Licht spiegelte die Gefühle ihres Herzens wider. Voll Dankbarkeit fühlten sie sich erwärmt und gestärkt von dieser unvergesslichen Stunde.

März

In ihrer Ansprache zum Aschermittwoch legte uns Mutter Clementia das erste und vierte Regelkapitel ans Herz.
Zur geistlichen Vorbereitung auf das im Oktober stattfindende Generalkapitel griff sie die Anregungen unseres Abtpräses Albert auf und empfahl uns, der Frage nach der Zukunft unserer Gemeinschaft und unserer je eigenen Sehnsucht innerhalb des benediktinischen Lebens nachzugehen. In verschiedenen Gesprächen und gemeinschaftlichem Austausch stellten wir uns der Frage, wie wir unser Leben in der Zukunft sehen und welche Entwicklungen wir schon jetzt gestaltend vorbereiten können.
Am 6.3. hielt Mutter Clementia im Rahmen der Akademie-Reihe: „Die Zeichen der Zeit erkennen; die Orden und ihre Antworten auf die Nöte dieser Zeit“ im Haus am Dom/Mainz einen Vortrag mit dem Titel „Bete und arbeite – die Benediktiner“. Passend zur liturgischen Zeit bot Sr. Hiltrud in unserem Gästebereich einen Fastenkurs nach Hildegard von Bingen an. Dieser Kurs sowie auch andere Angebote im Gästehaus sind sehr gefragt und immer rasch ausgebucht. Besonders die „Ora et labora“-Wochen, die von Sr. Francesca und wechselnden Mitschwestern betreut werden, erfreuen sich großer Beliebtheit.
Die Vorgänge in unserem Bistum Limburg um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst haben wir mit großer Betroffenheit verfolgt. Als am 25.3. Rom endgültig seinen Rücktritt akzeptierte und Weihbischof Manfred Grothe aus Paderborn zum Administrator der Diözese ernannte, teilten wir die Hoffnung der Gläubigen, dass sich die Wogen nun glätten würden und neues Vertrauen aufgebaut werden kann.
Vom 24.–27.3. fand in unserer Abtei ein Kurs zur Fortbildung für Priester und pastorale Mitarbeiter/Innen des Bistums Augsburg statt. Der Leiter, Dr. Anton Schuster, der für die berufsbegleitende Qualifizierung in der Diözese verantwortlich ist, hatte Sr. Maura gebeten, diese Frühlingstage mit Vorträgen, Workshops und spirituellen Angeboten über Hildegard als Kirchenlehrerin zu gestalten. Die neun Teilnehmer/Innen griffen mit Begeisterung all die Impulse auf und entdeckten dabei, dass Hildegards Theologie aus ihrer benediktinischen Lebensform heraus zu verstehen ist. Daher wurde die Verbindung von klösterlichem Ambiente einschließlich der Teilnahme an den Chorgebeten und der wissenschaftlich fundierten Hinführung zu Hildegard als sehr positiv empfunden. Diese intensiv erfüllte Zeit hat sowohl die Teilnehmer als auch Sr. Maura nachhaltig bereichert, so dass uns auch nach Monaten noch Echos auf diese Fortbildung erreichen.
Das extrem warme Frühjahr bescherte uns eine Fülle an Blumen und Blüten und ließ vor allem an den Obstbäumen einen reichen Fruchtansatz entstehen.

April

Leider kein Aprilscherz war am 1.4. ein Sturz von Mutter Edeltraud, bei dem sie sich aber gottlob „nur“ das rechte Handgelenk brach – was sie in ihrer Mobilität, gestützt auf ihren Rollator, aber kaum einschränkte. Bei dieser Gelegenheit möchten wir gerne auch die übrigen Bewohnerinnen unserer Infirmerie in den Blick nehmen:
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 10.46.55Unsere Seniorin Sr. Susanna, die zielstrebig auf ihren 100. Geburtstag zugeht und immer noch viele Menschen mit ihren geistlichen Texten beschenkt; unsere erblindete Sr. Angela, die im treuen Gebet des Rosenkranzes die ihr empfohlenen Anliegen vor Gott trägt und in ihrer Muttersprache Italienisch noch lebendige Telefongespräche mit ihren ehemaligen Schülerinnen führt; unsere Sr. Maria-Hildegard, die sorgsam und liebevoll viele Dienste für die älteren Schwestern und in der Restaurierungswerkstatt erledigt; unsere Sr. Martina, die feinfühlig und freundlich überall mit dabei ist und als getreue Begleiterin von Sr. Maria-Regina noch kleine Arbeiten im Vestiar verrichtet; unsere Sr. Teresa, die wach und interessiert am aktuellen Tagesgeschehen teilnimmt und sich gleichzeitig auch unserer Hausgeschichte widmet, wo sie schon beachtliches Material zusammengetragen hat; und dann noch unsere Sr. Walburga, deren erstes Jahr auf der Krankenstation auch schon zum letzten wurde.
Zu Sr. Mauras Freude wurde im zweiten Heft des diesjährigen „Erbe und Auftrag“ der Vortrag abgedruckt, den sie letztes Jahr zur Präsentation der Faksimile-Edition des Illuminierten Scivias-Kodex im Kloster Eberbach gehalten hatte: „Kirchbauten, Buchstaben, Theologie. Die dreifache Rezeption des Rupertsberger SCIVIAS-Kodex“. Nach Meinung der Herausgeber der Zeitschrift greift der Vortrag nämlich eine Frage auf, die unsere Klöster besonders beschäftigt: Wie können wir unser Erbe nicht nur konservatorisch aufbewahren, sondern auch lebendig in der heutigen Zeit weitergeben? Der fruchtbare Rezeptionsprozess des Scivias zeigt spannend die enge Verflochtenheit von materieller und geistiger Kultur, was ein typisch benediktinisches Phänomen darstellt. Sowohl im 12. als auch im 20. Jahrhundert ging es darum, den Aufbau der neuen Abtei mit der inneren Aneignung der Tradition zu verbinden. Das ist unsere Aufgabe auch in der dritten Rezeptionsphase, die die Erhebung Hildegards zur Kirchenlehrerin und unseren Neubau beinhaltet und sie in einen konstruktiven Zusammenhang stellt: Es geht nicht mehr nur darum, Hildegards Erbe für das eigene Kloster zu erhalten, sondern darum, eine Öffnung zu vollziehen.
Unsere Oblatengemeinschaft traf sich vom 4.–6. zu einem Wochenende, wobei der Prolog der Regel des hl. Benedikt beleuchtet wurde. Frau Dr. Regina Heyder/ Bonn hielt am 5.4. einen Vortrag für den Freundeskreis zum Thema „Konzilsmütter – das Engagement von Katholikinnen beim Zweiten Vatikanum“. Zu unserem Erstaunen erwähnte sie in diesem Zusammenhang auch unsere verstorbenen Mitschwestern und Hildegardforscherinnen Marianna Schrader und Adelgundis Führkötter, die sie als „stark motivierende Stimmen“ akzentuierte.
Am Nachmittag des 11.4. bot sich uns – durch Vermittlung des Referats Gerechtigkeit und Frieden im Bischöflichen Ordinariat Mainz – die Möglichkeit der Begegnung mit einer kleinen Gruppe älterer Damen und Herren aus Polen, die als Zeitzeugen über ihr Leben und Leiden in Konzentrationslagern und Ghettos berichteten und anschließend für Fragen engagiert zur Verfügung standen. Wir waren beeindruckt und bewegt vom Lebenszeugnis dieser Menschen.
Der fraglose Höhepunkt des April war der 60. Geburtstag von Mutter Clementia am 25.4. Schon am Vormittag gaben sich unser Ortsbürgermeister Herr Volker Mosler und Vertreter der politischen und kirchlichen Gemeinde ein Stelldichein, stimmgewaltig begleitet vom Eibinger Männergesangverein. Am Abend waren alle Festgäste und der Konvent zu einem Opus in die Kirche eingeladen: Verschiedene Mitschwestern hatten zu den Fresken an den Seitenwänden unserer Kirche Meditationen verfasst, die mit den entsprechenden Schriftzitaten und passenden Choral-Gesängen vorgetragen wurden, eingerahmt von dem Ruf „Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat“, in den jeweils alle einstimmten. Der Tag endete mit der gemeinsam gesungenen Komplet in der Kirche.
Der folgende Tag gehörte Mutter Clementias Familie, die nach und nach eintraf. Nach der Vesper fanden sich alle ihre Gäste zu einem gemeinsamen Abendessen mit dem Konvent im Gästerefektorium ein. Bei Zwiebelkuchen und frischer Mai-Bowle kam es so zu einer herzlichen und ungezwungenen Begegnung mit Mutter Clementias zahlreicher Verwandtschaft. Am Ende dieser Mahlzeit sangen wir einen Glückwunsch-Kanon, vielstimmig und klangvoll unterstützt durch ihre musikalische Familie.

Mai

Vom 1. bis 8. Mai nahmen Sr. Katharina und Sr. Raphaela an der Junioratswerkwoche in Hübingen teil, die in diesem Jahr unter dem Thema „Gottesbilder der Bibel“ stand. Sr. Mirjam konnte ihre Studienzeit leider nicht unterbrechen und musste schweren Herzens zuhause bleiben. Als fachkundige Referentin führte Frau Anneliese Hecht vom Bibelwerk Stuttgart durch die Tage und sorgte durch einen großen Methodenreichtum dafür, dass scheinbar vertraute Texte neu gelesen, scheinbar bekannte Bibelszenen in neuem Licht gesehen werden konnten.
Von der bunten Vielfalt der Teilnehmerinnen konnten wir uns am Sonntag, den 4.5., ein eigenes Bild machen, als die Gruppe ihren diesjährigen Ausflug zu uns in die Abtei machte: mit den insgesamt 25 Schwestern aus zehn benediktinischen Klöstern feierten wir gemeinsam die Eucharistie und zeigten ihnen nach dem Mittagessen im Refektorium die allgemeinen Räume des Klosters, verschiedene Arbeitsbereiche und den Neubau des Klosterladens. Das sonnige Wetter lud zum Verweilen im Klostergarten ein, so dass es genügend Gelegenheit gab, um sich an gute alte Zeiten zu erinnern, diverse „Hübingen-Geschichten“ auszutauschen und einander näher kennenzulernen.
Schon vor drei Jahren, im Vorfeld der Erhebung Hildegards zur Kirchenlehrerin, war eine intensive Zusammenarbeit mit dem Hugo von Sankt-Viktor-Institut, namentlich mit Prof. Dr. Pater Rainer Berndt SJ, in St. Georgen/Frankfurt entstanden. Diese Beziehung hat sich über das große Ereignis im Jahre 2012 hinaus fortgesetzt und sich auch in diesem Jahr weiter entfaltet. Als Pater Berndt uns vom 9.–11.5. besuchte, unterstrich er noch einmal mehr die Bedeutung, die unserer Abtei in der theologischen Erforschung Hildegards zukommt. An dieser Stelle danken wir Pater Berndt herzlich für die Kooperation und seine tatkräftige Unterstützung. Dies konkretisierte sich im Sommersemester darin, dass Sr. Maura regelmäßig an den Institut-Sitzungen teilnahm und durch Fachdiskussionen und anregenden Austausch in der Mediävistik weitergebildet wurde.
Auch das Theologiestudium von Sr. Maura an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen ist eine Konsequenz aus der Erhebung Hildegards zur Kirchenlehrerin. In den vergangenen Semestern erbrachte sie die erforderlichen Seminarscheine, z.B. in Dogmatik, Exegese des Neuen Testamentes, Religionsdidaktik. Zügig legte sie einen großen Teil der Fachabschlussprüfungen ab, die letzten beiden stehen im Wintersemester bevor. Angesteckt durch die mittelalterlichen Autoren, gilt Sr. Mauras Vorliebe dem Alten Testament, so nahm sie begeistert an den Exegese-Vorlesungen von Pater Prof. Dieter Böhler SJ teil. Mit besonderem Eifer beschäftigte sie sich mit dem Kirchenrecht bei Pater Prof. Ulrich Rhode SJ. Parallel zu ihrem Studium erhielt Sr. Maura für das Sommersemester schon zum dritten Mal einen Lehrauftrag in Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. So hielt sie abwechselnd mit Pater Berndt alle vierzehn Tage eine Vorlesung zur Philosophiegeschichte des Mittelalters mit dem Titel: „Sein und Erkennen. Einführung in die Geschichte der Philosophie vom 5. bis zum 15. Jahrhundert“. Die Studenten schätzten die quellenorientierte Vorgehensweise der Vorlesungen und empfanden – nach eigenen Worten – Sr. Mauras Enthusiasmus als ansteckend.
Am 10.5., dem zweiten Jahrestag der Heiligsprechung unserer Klosterpatronin, trat Frau Nicole Günther, unsere frühere Buchhändlerin im Klosterladen, bei uns ein. Leider musste sie schon nach gut zwei Wochen erkennen, dass ihr Weg nicht in ein monastisches Leben unserer Prägung führt.
Über die Eheschließung unseres Koches, Herrn Paul Korn mit seiner Frau Christine am 15.5. freuten wir uns ganz besonders und wünschten dem jungen Paar alles erdenklich Gute.
Für Sr. Josepha wurde im Mai erneut ein langer Klinikaufenthalt notwendig. Wir möchten bei dieser Gelegenheit gerne allen Ärzten und Pfleger/Innen des SCIVIAS-Krankenhauses St. Josef in Rüdesheim sowie der Horst-Schmitt-Kliniken und des St. Joseph-Hospitals in Wiesbaden von Herzen danken für ihre kompetente und menschliche Betreuung unserer Kranken.
Am 16.5. unternahm eine Gruppe von Mitschwestern den Jahresausflug zur Abtei Neuburg in Heidelberg. Die herzliche Aufnahme und die Begegnung mit den Mitbrüdern dort waren für alle eine bereichernde Erfahrung. Vielen Dank an Abt Franziskus und den Konvent!
Frau Dr. Claudia Sticher/Mainz konnten wir am 17.5. zu einem Vortrag für den Freundeskreis über das Thema „Realsymbole des Hl. Geistes: ein Streifzug zum Thema Wasser durch das Alte und Neue Testament“ begrüßen. Und am nächsten Tag fand in unserer Kirche ein Konzert des Ensembles ChorART Rheingau statt: „Cantate Domino“ mit Werken von Distler, Monteverdi, Hassler, Schütz, Mendelssohn, Pachelbel und Bach zur österlichen Zeit.

Die Möglichkeit, unseren stimmlichen Einsatz in der Liturgie zu verbessern, ergab sich am 23.5. und am 13.6 bei einer Lektoren-Schulung mit Frau Patricia Nell und durch das regelmäßige Angebot der Stimmbildung bei Frau Elisabeth Scholl-Pöllmann. Beiden Damen sind wir für ihr Engagement sehr dankbar.
Am letzten Tag im Mai machten unsere neuen „Nachbarn“, die vietnamesischen Zisterziensermönche von Nothgottes, bei uns ihren Antrittsbesuch. Mit Hilfe von Dolmetschern kam bei der Begegnung mit ihnen ein kleines Gespräch zustande. Dabei erfuhren wir, dass die Mitbrüder zunächst nicht in der Pastoral eingesetzt werden sollen – und auch erst noch die deutsche Sprache lernen müssen. Im Juli soll ihre Zahl von sechs auf zwölf Mönche aufgestockt werden. Wir freuten uns, dass auf diese Weise in der alten Klosteranlage von Nothgottes wieder junges monastisches Leben eingezogen ist.
Von der Wallfahrtsseelsorge am Schrein der hl. Hildegard in Eibingen, die Sr. Hiltrud nach wie vor mit viel Liebe und großem Enthusiasmus wahrnimmt, gibt es einige interessante Zahlen: insgesamt kamen 84 Gruppen zu Vorträgen und 49 zu Eucharistiefeiern – darunter Gruppen aus den USA, Schweiz, Österreich, Frankreich, Spanien, Kolumbien, Polen Korea, Hongkong. Das Spektrum reichte dabei von Motorradfahrern über Kolping– und Frauengruppen bis hin zu Weinkonventen und ökumenischen Gruppen, nicht gerechnet die Betreuung spontaner Gruppen und Einzelpersonen.

Außerdem war Sr. Hiltrud immer wieder bereit, an verschiedenen Kursen, Tagungen und Gesprächskreisen teilzunehmen und auch Vorträge zu halten. Dies alles zeigt, wie das Interesse an unserer heiligen Patronin und neu ernannten Kirchenlehrerin Hildegard nach wie vor ungebrochen ist und immer weitere Kreise zieht.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch Frau Annemarie van Assendelft einen herzlichen Dank sagen, die nicht müde wird, das ganze Jahr hindurch Gruppen kenntnisreich durch unsere Kirche zu führen. Auch in diesem Jahr stand sie wieder vielen hundert Menschen Rede und Antwort und hat dabei nicht nur über die Ausmalung unserer Kirche gesprochen, sondern auch über unser klösterliches Leben und die Geschichte von St. Hildegard.

Juni

Bildschirmfoto 2014-12-18 um 10.52.05Eines der Jubelfeste dieses Jahres war der 90. Geburtstag von Sr. Candida, die noch immer erstaunlich rüstig ist und den Festtag am 1.6. sichtlich genoss. Leider konnte ihre 96-jährige leibliche Schwester, Sr. Maria Tooten OSU, nicht kommen. Zum kleinen Festopus in der Abendrekreation war auch das mit Sr. Candida befreundete Ehepaar Simonsen aus Bonn geladen. Herr Simonsen spielt ausgezeichnet Geige, und so erklang im Zusammenspiel mit Mutter Clementia (Querflöte), Sr. Agatha (Cello) und Sr. Raphaela (Klavier) wieder einmal eine schöne Hausmusik. Diese war der Rahmen für eine Powerpoint-Darbietung mit dem Thema: Die vier Jahreszeiten – gesehen in unserem herrlichen Garten und auf dem Friedhof. Sr. Candida als langjährige Friedhofsgärtnerin freute sich königlich und ließ uns wissen, dass sie auch noch für die „100“ bereit wäre.
Vom 2.– 5.6. fuhr Mutter Clementia zur Deutschen Ordensoberen-Konferenz (DOK) nach Vallendar und anschließend zur Regimen-Sitzung nach Maria Laach.
Eine Anerkennung ihres künstlerischen Wirkens erfuhr Sr. Christophora durch die Einladung zur Ausstellung „Verklärung“ im Rahmen des „Chemin d’Art Sacré“ im Elsass. Die von Juni–Oktober 2014 dauernde, erfolgreiche und viel besuchte Ausstellung in Lautenbach war vom Bistum Straßburg organisiert worden. Auch die Gestaltung eines Kreuzwegs für die Gemeinde Rothenbach/ Westerwald, bei der auf jeder Station ein Ortsteil von Rothenbach dargestellt ist, sowie ein großes Relief „Rast auf der Flucht“ für einen Kindergarten in Heidelberg gehörte neben kleineren, privaten Aufträgen zu Sr. Christophoras künstlerischen Arbeiten des Jahres.
In der Woche nach Pfingsten, vom 10.–13.6., nahm Sr. Lydia als Vorsitzende der ARGE an der Oblatenrektorenkonferenz auf dem Jakobsberg teil. Sie koordinierte den Austausch über die Arbeit als Oblatenrektor/in, über das 50. Kapitel der RB und die Regularien. Einen Vortrag für den Freundeskreis hielt am 14.6. der Islam-Fachmann P. Prof. Christian Troll SJ/Frankfurt zum Thema: „Der Islam und der christliche Glaube“. P. Troll lebte und lehrte viele Jahre in islamischen Ländern, spricht mehrere orientalische Sprachen, und unterhält eine interessante Website: www.antwortenanmuslime.de
Wie immer im Sommer, so folgten auch dieses Mal wieder viele Mitarbeiter, Freunde und Nachbarn mit ihren Familien unserer Einladung zum „Nachbarschaftstreffen“ am 22.6. Nach der Vesper wurden alle bei einem kleinen Steh-Empfang in unseren neuen, noch leeren Ladenräumen begrüßt. Interessiert und fachkundig wurden dann die Ergebnisse der mittlerweile abgeschlossenen Bauarbeiten in Augenschein genommen. Der obere Hof – die „Terrasse“ – hatte durch eine ansprechende Begrünung von Sr. Beatrix seinen letzten Schliff erhalten und bot einen schönen Anblick. Nach dem Abendessen mit einem leckeren Buffet unseres Kochs, Herrn Korn, beendeten wir dankbar den schönen Abend um 20.30 Uhr mit der Komplet, an der die indischen Schwestern aus dem Rüdesheimer Krankenhaus und die vietnamesischen Zisterzienser von Nothgottes im Chorgestühl teilnahmen.
Mit einem kleinen Festopus in der Abendrekreation gedachten wir des Namenstages unserer Alt-Äbtissin Mutter Edeltraud am 23.6. In der Woche darauf wurde unter tatkräftigem Einsatz von Sr. Andrea, Sr. Thekla und unserem Mitarbeiter, Herrn Waldek Sulek, ein spezielles Granulat und eine extensive Dachbegrünung auf dem Flachdach des neugebauten Ladens aufgetragen.

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Am Herz-Jesu-Fest, dem 27.6., wählten unsere Mitschwestern in Marienrode Sr. Mirjam Zimmermann, die bisherige Cellerarin, zur neuen Priorin. Sie löste damit Sr. Maria-Elisabeth Bücker ab, die vom Gründungsbeginn im Mai 1988 an dieses Amt inne hatte.  Als „Mutterkloster“ nahmen wir an allem lebhaften Anteil und gratulierten Sr. Mirjam und den Mitschwestern herzlich zu ihrer Wahl und wünschten ihnen viel Segen.
Der Vortrag „Und das Wort ist Text geworden und hat unter uns gewohnt – der lauschende Oblate in der Welt“, den P. Michael Casey OSCO auf dem Weltkongress der Oblaten 2013 in Rom gehalten hatte, diente als Grundlage für das Thema „Lectio Divina“ des Oblatenwochenendes vom 27.–29.6.

Bildschirmfoto 2014-12-18 um 10.57.12Zur Vorbereitung auf die Feier ihrer ewigen Profess und als Dank an die Gemeinschaft hatte Sr. Raphaela in den Fensternischen des Kreuzgangs selbst kreierte Text-Foto-Kollagen aufgestellt. Als Leitmotiv dienten ihr die „10 Gebote der Gelassenheit“ von Johannes XXIII und das vierte Kapitel der Benediktsregel. Die liebevoll und künstlerisch interpretierten Ideen machten uns allen große Freude und können inzwischen auch auf unserer Homepage angeschaut und nachgelesen werden.

Juli

Am 2.7., dem Fest Mariä Heimsuchung, dem großen Gedächtnistag unserer Gemeinschaft, stand P. Jean-Pierre Kwambamba aus Kongo/Rom als Hauptzelebrant am Altar und begleitete uns mit P. Anselm nach der Eucharistiefeier in den Kreuzgarten, wo wir wie immer das feierliche „Magnificat“ vor dem Gründungskreuz sangen. Einige Worte von Mutter Clementia deuteten den Tag im Licht des Evangeliums: das Sich-auf-den-Weg-Machen Marias als Bleiben und sich dennoch in Offenheit für Gottes Auftrag aufmachen zur Hilfe anderer; sowie das Heimkehren und Durchhalten.
Das Rheingau-Musik-Festival gab am Abend des 3.7. seine erste Vorstellung in unserer Kirche mit dem Ensemble „New York Polyphony“, einem amerikanischen Herren-Quartett. Sie boten in stimmlicher Perfektion mittelalterliche englische Gesänge dar – für Kenner und Liebhaber der a-capella-Musik ein Ohrenschmaus. Das Publikum dankte mit gutem Applaus.
Die Reihe der Konzerte in unserer Kirche wurde am 6.7. fortgesetzt mit dem Kammerorchester CAMERATA RHEINGAU unter Mitwirkung unserer Stimmbildnerin, Frau Elisabeth Scholl-Pöllmann. Es kamen Werke von C.Ph.E.Bach, J.G. Zechner und R. Schumann zu Gehör.
Das Hochfest des hl. Benedikt, 11.7., brachte uns einen der großen Höhepunkte des Jahres: die feierliche Profess und monastische Weihe unserer Schwester Raphaela Brüggenthies. Abt Benedikt Müntnich/Maria Laach stand der Weihehandlung vor, ihn begleiteten P. Erasmus Tripp (Gerleve), Pastor Stefan Gosmann (Rietberg), Pastor Christian Städter (Brakel) und Diakon Heinz Kaupenjohann (Rietberg). Unser Spiritual P. Anselm sorgte als Zeremoniar für einen guten Ablauf. Unter den zahlreich erschienenen Gästen befand sich nicht nur ihre große Familie, sondern auch Freunde aus Kindertagen und Studienzeiten, aus Frankreich und ein Bus voller Pilger aus der Heimatpfarrei. Der jüngste Besucher zählte gerade einmal ein Jahr! In seiner Predigt ging Abt Benedikt auf Sr. Raphaelas Professspruch: „Ego dilexi te“ – „Weil ich dich liebe“ (Jes 43,4) ein und verband diesen mit Gedanken zur Bergpredigt. Alle Gäste fühlten sich durch das Miterleben dieser Feier ermutigt und im Glauben neu bestärkt.

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Beim anschließenden Sekt-Empfang hatten alle die Gelegenheit, die Neu-Professe zu beglückwünschen, bevor es zum gemeinsamen Mittagessen ging. Wer wollte, konnte sich nach dem Essen einer Führung durch die am Kreuzgang gelegenen Räume unseres Klosters anschließen. Vor der Vesper gab der ehemalige Orgellehrer von Sr. Raphaela, der Konzertorganist Engelbert Schön (Rietberg), ein Orgelkonzert mit Werken von J. S. Bach und französischen Komponisten – und als Zugabe eine beeindruckende Improvisation über den Hymnus: „Veni creator spiritus“.
Am 16.7. hielt Sr. Maura einen Vortrag über die Disziplin nach Hildegard von Bingen für Soldatinnen, die im Rahmen ihrer Ausbildung „Innere Führung“ unsere Abtei besuchten. Die jungen Frauen waren sehr aufgeschlossen und stellten interessiert Fragen nicht nur über Hildegard, sondern auch über das klösterliche Leben. Besonders die Frage nach Sinn und Glück beschäftigte sie auch noch bei dem anschließenden lockeren Beisammensein.
Dem neuen Abt von Tholey, P. Mauritius Choriol OSB, der am 22.7. von seiner Gemeinschaft gewählt wurde, wünschten wir die Gaben des Heiligen Geistes und viel Segen.

Sr. Christophora war ab Sommer vermehrt bei der Betreuung unserer alten und kranken Mitschwestern in der Infirmerie tätig; dazu kommen schon seit Jahren als Unterstützung Schwestern des Ambulanten Pflegedienstes „Pflege Daheim“. Sie übernehmen auch Fahrten zu den Ärzten oder kleinere Ausflüge in die Umgebung. Wir sind für diese Hilfe und fachkundige Beratung sehr dankbar.

August

Am 1.8. machten sich Sr. Innocens, Sr. Dominica und Sr. Hiltrud nach Marienrode auf, um in Vertretung unserer ganzen Gemeinschaft an der Einführung von Sr. Mirjam als neuer Priorin teilzunehmen. Im feierlichen Gottesdienst am 2.8., dem Bischof Norbert Trelle von Hildesheim und Abtpräses Albert vorstanden, wurden der Dank für Sr. Maria-Elisabeths Amtszeit und die Bitte um Segen für die neue Priorin vor Gott getragen. Sr. Maria Elisabeth kam dann für einige Zeit zu uns in ihr „Mutterkloster“.
„Was lange währt, wird endlich gut!“ Dieses Sprichwort kam vielen von uns in den Sinn, als am 4. und 5. August das gesamte Sortiment des Klosterladens auf die neuen Verkaufsflächen umgeräumt wurde. Sr. Katharina und ihre Mitstreiterinnen hatten alle Hände voll zu tun, Kisten und Wägen voll Büchern, Kerzen, Devotionalien, Non-book-Artikeln, Dinkelprodukten und Weinflaschen in die neuen, großzügigen Räume zu karren und in die zum großen Teil neuen Möbel einzuräumen.
Mit diesem letzten Bauabschnitt, der insgesamt knapp zwei Jahre gedauert hatte, ging nun auch unser gesamtes Bauprojekt des Um- und Neubaus des Gästebereiches zu Ende, dessen Planung vor mehr als zwölf Jahren begonnen hatte. Auch die neue Kelterhalle ist nun fertig. Großzügig und funktional gestaltet ist sie eine wesentliche Erleichterung für die Kellerarbeit – vor allem während der Weinlese. In der Abendrekreation konnten alle Schwestern den neu eingerichteten Laden, über den jede begeistert war, und die neue Kelterhalle besichtigen.
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 10.59.54Groß war auch die Dankbarkeit, dass die lange Bauzeit unter Leitung von Sr. Scholastica und zuletzt auch von Sr. Andrea nun ein glückliches Ende gefunden hatte. Letztere feierte übrigens am 9.8. ihren 50. Geburtstag – auf dem „Schafshof“ und zusammen mit ihrer großen Familie. Auch wir sorgten mit einem heimlich im Feriendomizil aufgebauten „Gabentisch“ für eine gelungene Überraschung.
Im Sommer erschien der Band 7 der Gesamtausgabe „Hildegard von Bingen. Werke“ im Beuroner Kunstverlag: „Das Buch der Lebensverdienste –
Liber vitae meritorum.“ Dieses Werk ist tatsächlich aus der Mitte unserer Gemeinschaft entstanden. Unsere Sr. Angela erstellte die kritische Edition des lateinischen Textes im Corpus Christianorum – der Band wurde im Jahre 1995 veröffentlicht. Als sie, die erfahrene Hildegard-Forscherin, vor zwölf Jahren Sr. Maura in die Welt Hildegards einführte, steckte sie ihre junge Mitschwester mit ihrer Liebe zum Liber vitae meritorum an. Sie lenkte Sr. Mauras Aufmerksamkeit auf die philologischen Feinheiten, die geistliche Aussagekraft und die lebensweltliche Bedeutung dieses Werkes. Deshalb machte sich Sr. Maura mit Freude und Dankbarkeit an die Übersetzung. Während sie viele Monate lang daran arbeitete, erfuhr sie vielfältige Hilfe: Sr. Raphaela korrigierte mit viel Mühe und Sorgfalt den Text. Pater Berndt stand ihr bei, sooft Sr. Maura sich mit schwierigen Fragen an ihn wandte, und schließlich übernahm er die endgültigen Lektoratsarbeiten. Herr Klemens Weiß, der Ansprechpartner seitens des Verlags, begleitete den Weg vom Manuskript bis zum fertigen Buch mit engagierter Hilfsbereitschaft und entsprechenden Fachkenntnissen.
Als vor fünf Jahren die Idee einer deutschen Gesamtausgabe der Werke Hildegards reifte und „Scivias – Wisse die Wege“, der erste Band, im Beuroner Kunstverlag 2010 tatsächlich erschien, konnte noch niemand ahnen, dass die Veröffentlichung der einzelnen Bände die offizielle Heiligsprechung Hildegards und ihre Erhebung zur Kirchenlehrerin begleiten würde. Diese historischen Ereignisse im Jahre 2012 haben der Rezeption von Hildegards Werken zu einem neuen Aufschwung verholfen, da angesichts der Tatsache, dass Hildegard als Lehrerin der universalen Kirche anerkannt wurde, immer mehr Menschen nach zuverlässigen Werkausgaben fragen. So erfüllt diese Gesamtausgabe eine bedeutsame, höchst aktuelle Aufgabe, wenn sie nun alle Schriften der Kirchenlehrerin Hildegard in neuen bzw. revidierten deutschen Übersetzungen zur Verfügung stellt. Acht Bände liegen bereits vor und es sind noch zwei weitere geplant (Bd. 9: „Katechesen – Kommentare – Lebensbilder“; Bd. 10: „Das prophetische Vermächtnis Hildegards von Bingen“).
Neue Aspekte über die „Behandlung der lateinischen Sprache in den Kompositionen des Gregorianischen Chorals und die Frage der Übersetzungen“ lieferte uns in einem sehr interessanten Vortrag am 21.8. Herr Dr. Rumphorst/Berlin.
Mit unserem Oblaten und langjährigen Freund des Hauses, Pfarrer Ralf Hufsky, trauerten wir am 27.8. um seinen Vater, der nach langer Krankheit verstarb. R.i.p.
Auch von unserer Sr. Simone kamen Ende August schlechte Nachrichten. Sr. Philippa berichtete, dass ihre Kräfte sehr plötzlich dramatisch nachgelassen hätten.
In den letzten Augusttagen gab es gleich mehrere Unternehmungen: Sr. Lydia fuhr mit einer kleinen Oblatengruppe zu einem länger geplanten Ausflug zur Abtei Neuburg nach Heidelberg, und Sr. Andrea und Sr. Thekla nahmen wieder einmal mit unseren Wein- und Dinkel-Produkten am Dahlheimer Klostermarkt teil.
Während der Abtswahl in Maria Laach vertrat Altabt Pius Engelbert/Gerleve, unseren Spiritual P. Anselm, und erfreute uns mit seinen geistreichen Ansprachen. Ihm und P. Elmar Salmann/Gerleve danken wir an dieser Stelle für ihre nie erlahmende Bereitschaft, in der Ferienzeit immer wieder zu uns zu kommen und uns mit ihrem priesterlichen Dienst und einem Anteil an den Früchten ihrer geistigen Arbeit zu beschenken.
Früchte gab es auch in unserem Garten viele zu ernten. Der hohe Fruchtansatz vom Frühjahr hatte zur Folge, dass beim Steinobst viele tragende Äste abbrachen. Der kalte und nasse Sommer ließ überdies viele Früchte faulen oder verhinderte die volle Reife. Dennoch ergab es einen überdurchschnittlichen Ertrag und für unsere Obstbrände konnte ca. 2500 l Maische erstellt werden.

September

Am 2.9. vereinigten wir uns im Gebet mit unseren Laacher Mitbrüdern, die P. Prior Albert Sieger OSB zum Prior-Administrator für drei Jahre wählten. Am Nachmittag des 4.9. besuchte uns P. Otto Betler OSB/St. Ottilien mit zwei Novizen zu einem Kennenlernen und kleinen Austausch.

Mit großer Freude nahm Sr. Maura die Einladung von Äbtissin Christiana Reemts OSB/Mariendonk an. Sie fuhr am 4.9. an den Niederrhein und wurde von den Mitschwestern sehr gastfreundlich empfangen. Am Abend hielt Sr. Maura vor der Mitgliederversammlung Pro Mariendonk, an der auch die Mitschwestern teilnahmen, einen Vortrag mit dem Titel „Die Dimensionen der Liebe in der Unversehrtheit des Glaubens. Die Wegweisungen der Kirchenlehrerin Hildegard“. Am nächsten Tag wurde sie gebeten, im Konvent einen Impuls zu geben. Dazu wählte Sr. Maura ein benediktinisches Thema: „Das Verhältnis des Menschen zur Zeit. Benediktinische Entwürfe im 12. Jahrhundert“. Es war eine sehr lebhafte und bereichernde Begegnung mit den Mitschwestern in Mariendonk, an die sich Sr. Maura gerne erinnert.
Am 5.9. haben wir im Seitenschiff unserer Kirche eine neue Ausstellung über Leben und Werk der heiligen Hildegard eingeweiht, die Sr. Philippa zusammen mit den Verantwortlichen der Erwachsenenbildung im Bistum Limburg erarbeitet hat.

Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.00.55Mit einem kleinen Festakt, bei dem Weihbischof Dr. Thomas Löhr den Festvortrag hielt, präsentierten wir die Schau der Öffentlichkeit. Seither ist das Interesse ungebrochen rege. Es vergeht kein Tag, an dem nicht viele Besucher und Pilger die 15 großformatigen Schautafeln in aller Ruhe betrachten, lesen und anschließend darüber ins Gespräch kommen. Den Ausstellungsmacherinnen ist es gelungen, Hildegards Person und vielgestaltiges Werk in komprimierter Form so darzustellen, dass jeder es verstehen kann und sich angesprochen fühlt. Inzwischen ist die Ausstellung in mehreren Exemplaren in den „hildegardischen“ Bistümern Limburg, Mainz, Trier und Speyer in den Gemeinden unterwegs und bereits bis 2017 weitgehend ausgebucht. Im nächsten Jahr wird sie dann auch in den Bistümern Eichstätt und München/Freising sowie in Österreich zu sehen sein.
Ebenso gut wie die neue Ausstellung wird auch der neue Hildegard-Wanderweg angenommen, den die Stadt Rüdesheim in Zusammenarbeit mit der Landschaftsarchitektin Barb Mehrens und mit Sr. Philippa entworfen und gestaltet hat. Der 6,7 km lange Rundweg startet am Fähranleger der Personenfähre Bingen/Rüdesheim und führt über den Adlerturm und die Pfarrkirche St. Jakobus durch die Weinberge hinauf zu unserer Abtei und anschließend wieder hinunter über die Wallfahrtskirche mit dem Schrein der hl. Hildegard zur Brömserburg. An den Sehenswürdigkeiten und schönsten Aussichtspunkten erhalten die Wanderer jeweils auf Schautafeln einen Einblick in das Leben Hildegards und die Landschaft in ihrer Zeit. Beides zusammen – Ausstellung und Wanderweg – sind nun viel genutzte Anziehungspunkte, die unserer Abtei manche neue Besucher und Freunde bescheren.
Am Nachmittag unseres Kirchweihfestes, dem 7.9., gab das „Ensemble Cosmedin“ ein Konzert in unserer Kirche. Es wurden Mariengesänge der hl. Hildegard und anderen Komponisten mit kleiner instrumentaler Begleitung zu Gehör gebracht.
Am 13.9. wurden wir dankbar Zeugen der Oblation von Frau Christine Krempel, Gemeindereferentin aus Hattersheim. Zu der Feier in unserer Kirche waren auch ihre Familie und viele Vertreter ihrer Gemeinde gekommen. Als Oblatin wird sie den Namen „Francesca“ tragen.
Einer der glanzvollen Höhepunktes des Jahres war zweifellos die feierliche Eröffnung unseres neuen Klosterladens am 13.9. P. Elmar Salmann nahm um 11.00 Uhr vor zahlreichen Gästen und interessiertem Publikum die Segnung der neuen, 350qm großen Räumlichkeiten vor. In seiner Ansprache bezeichnete er den Laden als eine „Nahtstelle, wo sich Innenwelt und Außenwelt im Kloster treffen“. Das internationale touristische Sprachengewirr der Besucher und Kunden rangiere „zwischen Babel und Pfingsten“. „Der Laden als Wirtschaftsbereich dient dazu, unseren Lebensunterhalt zu sichern“, erklärte Mutter Clementia und erinnerte an den Grundsatz, dass wir Benediktiner von der eigenen Hände Arbeit leben sollen.
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Die hellen, nach einem einheitlichen Farbkonzept gestalteten Verkaufsräume gefielen nicht nBildschirmfoto 2014-12-18 um 11.01.13ur Gästen und Kunden, auch das Ladenteam um Sr. Katharina nahm dankbar die Arbeit in dem schönen und ansprechenden Ambiente auf. In unseren Klosterladen integriert ist eine neue, großzügig angelegte Vinothek, wo unsere Kunden beraten werden und die Weine auch verkosten können. Am Wochenende der Einweihung waren alle Besucher eingeladen, sich an Dinkelsuppe und Klosterwein, sowie Kaffee und Kuchen im Innenhof des Gästehauses rund um den schönen Teich zu stärken. Der anhaltend starke Zulauf an Kunden, vor allem auch aus unserer näheren Umgebung, zeigt uns, dass der neue Klosterladen gut aufgenommen wurde.

 

 

 

Am Nachmittag des 13.9. hielt P. Elmar dann noch einen Vortrag zum Thema „Die Religiosität Thomas Manns“, zu dem unser Freundeskreis eingeladen hatte.
Noch ein „Glanzlichtlein“ gab es an diesem denkwürdigen Wochenende: am 14.9. kam Marleen, die erste Tochter unseres Kochs, Herrn Korn, und seiner Frau Christine zur Welt. Herzlichen Glückwunsch! Wie dicht Leben und Tod zusammenliegen können, wurde uns deutlich, als am gleichen Tag noch die Mutter von P. Elmar verstarb. R.i.p.

Das Hochfest unserer Patronin am 17.9. verlief bei strahlendem Sommerwetter in seinen gewohnten Bahnen. Dem Pontifikalamt am Morgen in der Eibinger Wallfahrtskirche stand Bischof Ambrogio Spreafico/Italien vor. Durch seine Mitarbeit in der Heiligsprechungs-Kongregation vor drei Jahren war sein Interesse an der hl. Hildegard geweckt worden. Am Mittag hielt unsere Sr. Placida in der Abteikirche einen Vortrag über das benediktinische Leben, der bei den Zuhörern guten Anklang fand. In der Reliquienfeier am Nachmittag predigte Bezirksdekan Georg Franz, Priesterlicher Leiter des Pastoralen Raumes Rüdesheim/Lorch/Geisenheim. Der Festtag fand wie alljährlich seinen Abschluss in unserer Abteikirche mit der feierlichen Vesper, an der auch Damen und Herren des Ritterordens vom Heiligen Grab in Jerusalem in Ordenstracht teilnahmen. Unser neuer Klosterladen und eine provisorische „Cafeteria“ in den alten, leer stehenden Ladenräumen, waren begehrte Anlaufstellen an diesem Tag.
Unsere Klosterstiftung Sankt Hildegard beging in diesem Jahr ihr fünfjähriges Bestehen. Das zarte Pflänzchen hat sich inzwischen gut etabliert und ist bei potentiellen Stifterinnen und Stiftern ein Begriff. Besonders froh und dankbar waren wir im Frühjahr über eine große Zustiftung aus der Schweiz. Eine Dame, die auf dem Weg über die hl. Hildegard an Sr. Philippa verwiesen wurde und ihr seit 1997 treu geblieben ist, hat uns damit zu Ostern beglückt. So konnte Sr. Philippa dem Kuratorium berichten, dass sich das Stiftungsvermögen in den ersten fünf Jahren sehr gut entwickelt habe. Die geduldige, sehr persönliche Betreuung und Begleitung der Stifterinnen und Stifter hat sich erneut als richtig erwiesen. Anlässlich ihrer diesjährigen Sitzung bestätigten die Kuratoren denn auch Sr. Philippa für weitere fünf Jahre in ihrem Amt als Stiftungsvorstand. Dr. Karl Graf zu Eltz war ebenfalls gerne bereit, den Vorsitz des Stiftungskuratoriums auch in den nächsten fünf Jahren zu übernehmen. Wir sind froh über seine engagierte Hilfe und auch darüber, dass wir auf diesem Weg den Kontakt zur Familie unserer verstorbenen Sr. Monika zu Eltz so intensiv pflegen können.
Sr. Maura war am 17.9. in „Sachen Hildegard“ unterwegs. Die Jesuiten in Göttingen, die sich in der Cityseelsorge engagieren, organisieren jährlich einen Hildegard-von-Bingen-Tag in ihrer St. Michael-Gemeinde. Dieses Jahr sprach Sr. Maura nach der Heiligen Messe als Referentin vor zahlreichen Interessierten im Gemeindesaal. Ihr Vortrag lautete: „Der Mensch in der Mitte der Schöpfung. Die Dimensionen der Liebe nach der Kirchenlehrerin Hildegard“. Ihre Worte bewegten die Zuhörer sehr, so dass sich daraufhin eine rege Diskussion entfaltete und die anschließenden Gespräche bis spät in die Nacht hinein dauerten. Mit beeindruckenden Erlebnissen von Göttingen und der Tätigkeit der Jesuiten kehrte Sr. Maura nach Hause.
Am 20.9. sang der Chor der anglikanischen Episcopal-Gemeinde „Christ the King“/Frankfurt bei uns wieder einmal den Evensong, den wir statt unserer Vesper gerne mitfeierten.
Wie jedes Jahr standen auch die folgenden Wochen ganz im Zeichen unserer Trauben. Dazu berichtet unsere Winzerin, Sr. Thekla: Der 2014er Jahrgang hat uns Winzern wieder einiges abverlangt. Das Jahr begann mit einem viel zu milden Winter, der eigentlich gar nicht so genannt werden konnte. Das Frühjahr folgte dann viel zu früh und ließ die Reben zwei Wochen eher als im langjährigen Mittel austreiben. Das „zu früh“ zog sich fast durch die ganze Vegetationszeit. Im Mai/Juni war es dann viel zu trocken und gerade in jungen Weinbergsanlagen fehlte das notwendige Wasser. Die Monate Juli/August brachten zwar den langersehnten Regen, aber es regnete dann zu viel, 2–3 mal so viel wie in normalen Jahren! Die Trauben wurden immer dicker, da sie das Wasser regelrecht aufsogen. Sie wurden stramm und prall und drohten kurz vor dem Reifebeginn zu platzen. Zudem hatten Pilzkrankheiten in dem feuchten-warmen Klima beste Bedingungen. Da wir unsere Weinberge immer gezielt mit Begrünung einsäen, wird viel Wasser aufgefangen; damit kann Schlimmeres verhütet werden.
Die Lese der Spätburgundertrauben begann dann am 23.9. und hat uns eine gute Menge an Rotwein, aber auch Weißherbst eingebracht. Mit der Rieslinglese ging es weiter und am 8.10. konnten wir unseren Herbstschluss feiern. Wie in jedem Jahr wurden die zuletzt geernteten Trauben unter dem Geläut aller unserer vier Glocken heimgefahren. Mit einem Gebet und dem „Großer Gott, wir loben dich“ dankten wir dem Geber aller Gaben für die glückliche Ernte des Jahres. Anschließend wurde in fröhlicher Runde mit allen Lesehelfern – unter denen in diesem Jahr besonders unsere vietnamesischen Klosternachbarn hervorzuheben sind – und den Schwestern gemeinsam gegessen und getrunken.
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.05.33Die Erntemenge war in diesem Jahr endlich wieder bei einem normalen Maß angelangt und bestand zu 95% aus Spätlese-Qualität. Außerdem haben wir wieder bei den unterschiedlichsten Weinwettbewerben unsere Weine angestellt und wurden mehrfach ausgezeichnet. So z.B. bei der Hessischen Landesweinprämierung 2014, bei der wir acht Goldmedaillen, drei Silbermedaillen und eine Bronzemedaille erhielten. Aber auch bei internationalen Wettbewerben wie „Best of Riesling 2014“ und „Mundus Vini 2014“ gewannen wir mehrere Medaillen. Ein sehr schöner Erfolg!
Die Zeitschrift „Der Feinschmecker“ zählt uns zu den besten Weingütern in Deutschland und der „Gault Millaut Wein Guide 2014“ gibt uns ein „Träubchen“. Für uns sind diese Auszeichnungen ein Hinweis darauf, dass wir mit unserer Arbeit in Weinberg und im Weinkeller auf einem guten Weg sind.
Da Sr. Mirjam noch mitten in ihrem Studium ist und dieses nicht sinnvoll unterbrochen werden kann, verlängerte sie ihr Triennium am Fest der hll. Erzengel in einer kleinen Zeremonie auf der Abtei um ein Jahr.

 

Oktober

Im Oktober war Sr. Maura wiederum unterwegs im Dienste Hildegards. Diesmal führte ihr Weg ins Bildungshaus Mariatrost nach Graz. Diesem Studientag mit dem Titel „Hildegard von Bingen. Im Herzen der Schöpfung: Natur – Gott – Mensch“ gingen lange Vorbereitungsarbeiten voraus. Sie verliefen aber so angenehm, dass es der Bildungsreferentin Frau Mag. Anna Ebenbauer und Sr. Maura jeweils eine große Freude bereitete, einander persönlich kennenzulernen. Angesichts der großen Zahl der Teilnehmer, die sich von Hildegard angesprochen fühlten und zum Studientag angemeldet hatten, war auch die Leitung des Bildungshauses sehr zufrieden. Der Tag begann mit einem Vortrag, in dem Sr. Maura das Menschenbild und das Weltverständnis Hildegards skizzierte, und am Nachmittag übernahm sie einen der Workshops. Über ausgewählte Texte aus dem Scivias entstand ein überraschend angeregtes Gespräch mit den Teilnehmern mit vielen tiefgreifenden Einsichten. Der durch und durch gelungene Tag wurde mit einer Bildmeditation als Rückblick und mit einer Reflexion auf den je eigenen Glaubensweg als Ausblick abgerundet. Die Atmosphäre des Hauses, die Freundlichkeit der Mitarbeiter und die Begeisterung der Teilnehmer gefielen Sr. Maura so sehr, dass sie sofort zusagte, ein weiteres Mal im Bildungshaus Mariatrost ein Seminar über Hildegard zu halten.
Im gleichen Monat erhielt Sr. Maura ein Autorenexemplar von „Studienbuch Hermeneutik. Bibelauslegung durch die Jahrhunderte als Lernfeld der Textinterpretation. Portraits – Modelle – Quellentexte“, herausgegeben von Susanne Luther und Ruben Zimmermann (im Gütersloher Verlagshaus). Zu diesem Band, der einen Überblick über 2000 Jahre Schrifthermeneutik von der Patristik bis zur Postmoderne bietet, hat sie zwei Kapitel beigesteuert: „Hildegard von Bingen (1098–1179). Prophetie als Schriftauslegung” und „Hugo von Saint-Victor (+ 1141). Ordnung und Methode der Schriftauslegung“. Dieses Buch ist geeignet zum Hochschulunterricht, aber auch zum autodidaktischen Studium, weil es neben der Vorstellung der einzelnen Autoren und der Einführung in ihre Texte auch Aufgaben zusammen mit Lösungen enthält.
Am Abend vor Mutter Clementias Weihetag (3.10.) wurde ein kleines Opus mit dem Thema „Überblendungen – oder: Jesus ähnlich werden“ geboten. Zu fotografischen Aufnahmen des Altarmosaik-Kreuzes von San Clemente/Rom, unseres Statio-Kreuzes und der Kreuzwegstation „Simon von Cyrene“, die in verschiedenen Kombinationen übereinander geblendet wurden, kamen vier erläuternde Texte und eine meditative Schlussmusik.
Nach einem kräftezehrenden Kampf gegen ihre langjährige Parkinson-Erkrankung wurde Sr. Simone am Abend des 12.10. erlöst und ging sanft hinüber in den Frieden Gottes. Ihr reiches und ungewöhnliches Leben sowie ihr liebevolles und feines Wesen und Wirken in unserer Gemeinschaft werden in einer eigenen Chronik am Ende dieses Jahresrückblicks gewürdigt.
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.07.01Sr. Simones trotz allem doch ziemlich plötzlicher und rascher Heimgang hat auch das Leben Sr. Christianes in unserer „kleinen Dekanie“ im Ostflügel der Abtei deutlich überschattet. Trotz ihrer inzwischen weit fortgeschrittenen Demenzerkrankung hat sie das Sterben Sr. Simones durchaus wahrgenommen und vermisst sie nun schmerzlich. Bis zuletzt hat sie in ihrem Rollstuhl täglich zweimal am Bett Sr. Simones gestanden und deren Hand gehalten. Drei Tage vor ihrem Tod hat Sr. Simone sich dann von ihr verabschiedet und ihr ein letztes gutes Wort geschenkt. Fast neun Jahre lang haben die beiden zusammen mit Sr. Philippa nebeneinander die Heilige Messe per Übertragungsanlage gehört. Wenn Sr. Christiane von ihren täglichen Ausfahrten in den Garten zurückkam, war Sr. Simone immer da. Sie war präsent und vertraut bis zum Schluss und nun ist ihr Platz leer. Es ist schwer, sich in die Gedankenwelt eines demenzkranken Menschen hineinzuversetzen, der sich nicht äußern kann und in allem auf Hilfe angewiesen ist. Aber eines erleben wir doch immer neu: es gibt eine geistige Dimension im Menschen, die auch durch eine noch so schwere Krankheit nicht zerstörbar ist.
Zu Sr. Simones Beisetzung am 15.10. kamen viele Menschen aus Nah und Fern. Beim Auferstehungsamt konzelebrierten sieben Priester, unter ihnen Abt Franziskus Heereman OSB/Neuburg. Bewegend und schwer war für viele der Abschied am Grab, vor allem für Sr. Simones Schwestern Jotti und Gudi, die zusammen mit ihren Kindern und Enkeln aus Holland angereist waren.
Am nächsten Tag fuhren Mutter Clementia und Sr. Katharina dann mit eintägiger Verspätung nach Beuron zur Regimen-Sitzung und dem bevorstehenden Generalkapitel unserer Kongregation. Die Beiträge der einzelnen Gemeinschaften zu den Fragen, die Abtpräses Albert in seinem Brief „Jetzt ist die Zeit der Gnade! – Zukunft gestalten“ gestellt hatte, waren die Grundlage für die Gespräche der Oberen und Konventvertreter/Innen auf dem Generalkapitel. Am Ende erhob sich die Frage, was die Mitglieder von dem, was sie beraten, beschlossen und erfahren hatten, mit in ihre Gemeinschaften nehmen konnten. So entstand ein Brief, der nun in den einzelnen Konventen als Grundlage für das gemeinsame Weitergehen genutzt werden kann. Folgende Schlüsselthemen wurden dort zusammengetragen:
1. Elemente geistlicher Lebensgestaltung

2. Das Zusammenleben von Jung und Alt

3. Lebensräume zur Stärkung des einzelnen und der Gemeinschaft

4. Vernetzung – Leben in konzentrischen Kreisen

5. Beuroner Kongregation: Hilfe untereinander.
Am 16.10. starb ganz plötzlich P. Andreas Maria Michael zu Eltz OSB, Mönch der Abtei Ettal. Wir trauerten um ihn mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums unserer Klosterstiftung, Dr. Karl Graf zu Eltz, und der ganzen Familie unserer verstorbenen Sr. Monika zu Eltz. Möge der Heimgegangene in Gottes ewigem Frieden ruhen.
Sr. Dominica feierte ihren 70. Geburtstag am 19.10. zusammen mit ihrer Zwillingsschwester in Kentucky/USA, wo die dritte der Schwestern wohnt. Unsere Glückwünsche erreichten sie trotzdem – ad multos annos! Gleich weiter mit den runden Geburtstagen ging es am 21.10., als Sr. Barbara die 40 erreichte.
Als P. Anselm am 1.1.2013 seinen priesterlichen Dienst in unserer Abtei begann, wussten wir, dass er nur für eine begrenzte Zeit bei uns bleiben wollte. Seinen Wunsch, nach langen Jahren wieder in sein Heimatkloster Maria Laach zurückzukehren, hatte er immer wieder geäußert. So traf es sich gut, dass Abt Benedikt nach Beendigung seines äbtlichen Dienstes gerne als Spiritual in unsere Abtei kommen wollte. Da die Laacher Gemeinschaft und der neugewählte Prior-Administrator zustimmten, wurde Ende Oktober der Wechsel vollzogen: P. Anselm kehrte in sein Professkloster zurück und Altabt Benedikt zog bei uns ein.
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.08.41Am 25.10. verabschiedeten wir P. Anselm beim gemeinsamen Abendessen und in der Rekreation und versuchten, unserem Dank durch ein Buchgeschenk und eine musikalische Darbietung Ausdruck zu verleihen. P. Anselm hat uns immer durch seine sorgfältig vorbereiteten, an der Liturgie orientierten Einführungen und Predigten in der täglichen Eucharistiefeier beeindruckt. Bei seinen monatlichen Konferenzen ließ er uns teilnehmen an seinen Entdeckungen in der geistlichen Literatur und an seinem großen Interesse an Kunst und Kunstgeschichte. Vielen Dank für alles, P. Anselm!
Wir wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, einen Mitbruder aus einem Kloster für den Dienst des Hausgeistlichen in einem Frauenkloster freizustellen. Umso mehr freuten wir uns und dankten P. Prior-Administrator Albert und den Mitbrüdern in Maria Laach, dass Abt Benedikt nun in Eibingen sein kann. Er kommt schon seit über 30 Jahren als Extraordinarius regelmäßig zu uns. Wir freuen uns auch, dass Abt Benedikt sich bereit erklärt hat, nicht nur unserem Konvent, sondern auch Gästen und anderen Suchenden Wegbegleitung anzubieten.
Dies ist auch der Moment, den vielen Priestern zu danken, die als Beichtväter oder geistliche Begleiter schon jahrelang zu uns kommen: Pfarrer Schickel, Pfarrer Bardenhewer, Pfarrer Hufsky und P. Max Rademacher OFM aus Fulda. Ein besonderer Dank gilt aber den Franziskanern von Marienthal, die immer bereit waren, in Notsituationen einzuspringen, und wir so noch nie auf eine Eucharistiefeier verzichten mussten.
Sr. Lydia nahm vom 20.–22.10. an der 59. Gesamtkonferenz der katholischen Militärgeistlichen, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten in Berlin teil. Das Thema: „Lessons learned?“ nahm starken Bezug auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Einer der interessantesten Punkte war die Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Gerhard Justenhoven (Institut für Theologie und Frieden), Winfrid Nachtwei MdB 1994–2009/Die Grünen und General a.D. Egon Ramms. Dabei kamen Details sowohl aus dem Deutschen Bundestag als auch aus dem Einsatzgebiet über den Einsatz in Afghanistan zur Sprache. Und es wurde bedauernd festgestellt, dass die Bundeswehr ihre „Lektion wohl nicht gelernt hat“. Weitere Schwerpunkte der Tagung waren die Arbeit am päpstlichen Schreiben „Evangelii Gaudium“ sowie ein Pontifikalamt mit Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck.
Noch einmal fuhr der Erntemonat Oktober die Ernte eines Lebens ein: unsere Sr. Walburga wurde am 28.10. im Rüdesheimer Krankenhaus zum Herrn heimgerufen, nachdem sie sich von den Folgen eines Sturzes nicht mehr erholen konnte. Auch ihrer gedenken wir in einer eigenen Totenchronik am Ende dieses Jahresrückblicks.

November

Trotz der düsteren Stimmung des Novembers beging Sr. Maura einen heiteren 40. Geburtstag. Eine überdimensionale Lebensuhr und die Attrappe eines gut bestückten Bücherregals schmückten zur Feier des Tages ihre Zimmertür.
Abschied nehmen hieß es am 4.10. von Pfarrer Holger Daniel aus Lorch, der für den pastoralen Raum Rüdesheim-Lorch-Geisenheim zuständig gewesen war und nun demnächst eine Pfarrei in Frankfurt übernehmen soll. Doch vorher wird er eine Auszeit bei einem befreundeten Priester in Sizilien verbringen, um das kirchliche Leben und die Strukturen dort kennenzulernen. Wir wünschten ihm von Herzen Gottes Segen!
„Höre mit dem Ohr deines Herzens“ lautete der Vortrag von Sr. Mary John Mananzan auf dem Weltkongress der Oblaten 2013 zum Thema „Lectio Divina“ und „Actio“. Dieser war die Grundlage für einen regen und intensiven Austausch während des Wochenendes unserer Oblatengemeinschaft vom 7.–9.11.

Schon während seines Aufenthaltes bei uns im August hatte Altabt Pius ein Treffen mit der Leiterin des Verlags Franz Schmitt, Frau Sabine Schmitt, und Sr. Maura arrangiert. Bei dieser Gelegenheit sprachen sie zu dritt über das Projekt, die Cluniazensischen Bräuche, verfasst von Udalrich von Zell im 11. Jahrhundert, im Corpus Consuetudinum Monasticarum zu edieren. Die persönliche Begegnung erfreute sowohl Sr. Maura als auch Frau Schmitt, und sie konnten einander wertvolle weiterführende Hinweise geben, was die Gestaltung der Edition belangt. Im Hinblick auf dieses groß angelegte Projekt begann Sr. Maura im Herbst dieses Jahres mit der Erforschung der Handschrift: Bibliothèque national de France 15032. Da es sich um eine Handschrift aus der Abtei Saint-Victor handelt, helfen ihr Pater Berndt und die Mitarbeiter/innen des Hugo-Instituts mit ihren Fachkenntnissen und Erfahrungen bei der historischen Untersuchung und theologischen Deutung dieser Handschrift. So kann Sr. Maura ihre paläographischen Kenntnisse auf den neuesten Stand bringen und die kirchengeschichtlichen Methoden erlernen, die sie für die Aufarbeitung der ca. 20 Handschriften des Udalrich-Textes braucht.
Neben ihren anderen Verpflichtungen arbeitete Sr. Maura seit anderthalb Jahren an einem Hildegard-Band für die Reihe „Zugänge zum Denken des Mittelalters“, die von ihrer ehemaligen Doktor-Mutter, Frau Prof. Dr. Mechthild Dreyer, im Verlag Aschendorff herausgegeben wird. Die Arbeiten stehen kurz vor dem Abschluss. Frau Dr. Renate Maier, ein Mitglied des Deutschunterstützerkreises in Sankt Georgen, übernahm ehrenamtlich die Korrekturlektüre. Unser herzlicher Dank gilt ihr für ihre großzügige Hilfsbereitschaft. Der Band, der eine an den Quellen orientierte Hinführung zu Hildegards Leben und Werk in die Hand geben will, fasst die aktuellen Entwicklungslinien zusammen und stellt neue Ergebnisse vor, die sich dem Aufschwung der Hildegard-Rezeption der letzten Jahre verdanken.

Dankbar konnten wir am 8.11. auf das 40-jährige Bestehen unserer Restaurierungswerkstatt zurückschauen, die 1974 von Weihbischof Walther Kampe, Limburg, eingeweiht worden war. Sr. Benedicta Dieckmann, Sr. Teresa Tromberend, Sr. Simone Weinkopf und Sr. Mirjam Scholten bildeten das erste Team des neuen Arbeitsbereiches, das nach Rücksprache mit dem Bistum Limburg seither im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz die Archivalien der deutschen Bistümer restauriert. Wir dankten allen, die am Aufbau und Weiterbestehen dieses Arbeitsbereiches beteiligt waren und gedachten derer, die schon in die Ewigkeit gerufen wurden. Sr. Teresa ist nun die letzte lebende Mitschwester der ehemaligen Gründungsgruppe. Mit großem Interesse begleitet sie von ihrer Zelle aus das Geschehen in der RW. Unser Dank gilt auch Herrn Archivdirektor Dr. Braun/Mainz, der als Koordinator die Aufträge der deutschen Bistümer an uns vermittelt. Für das gute Einvernehmen und das uns entgegengebrachte Vertrauen der Bistümer sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Die RW berichtet weiter: „Aus dem schnell verfliegenden Arbeitsalltag seien hier noch einige Besonderheiten genannt. In den Monaten Februar/März verbrachte Frau Friederike Nithack ein vierwöchiges Praktikum bei uns. Dank für ihren engagierten und frohen Einsatz – und alle guten Wünsche für ihren Berufsweg! An einem Juliwochenende trafen wir uns wie letztes Jahr in einem kleinen Restauratorinnenkreis, um uns diesmal mit der Siegelrestaurierung zu befassen. Herr Dag Ernst Petersen, ehemals Herzog August Bibliothek/ Wolfenbüttel, hielt im Oktober einen internen intensiven Kurs bei uns über Japanpapier-Laminate und die Fertigung eines Pergamentbandes. Soweit die Zeit es erlaubte, führte er uns begeisternd in die Einbandgeschichte ein. Für beide Treffen sind wir sehr dankbar. Im Juli bzw. August mussten wir Abschied nehmen von Frau Linda Elmersson und Frau Anna Weinberger, deren Zeit bei uns zu Ende ging. Wir danken beiden Mitarbeiterinnen und wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.“
Für Sr. Jutta bot sich zweimal die Gelegenheit zu fortbildenden Praktika: Vom 14.– 26.7. konnte sie sich in der Restaurierungswerkstatt der Universitätsbibliothek Tübingen unter der Anleitung von Frau Rachel Dipper insbesondere mit Pergamenteinbänden befassen, und vom 17.– 30.8 war sie am Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut in Stuttgart, wo sie unter dem Schwerpunkt der Papierrestaurierung von Frau Cornelia Bandow viele interessante Arbeitsgänge und grundsätzliche Methoden lernen durfte. Wir danken den Instituten in Tübingen und Stuttgart herzlich für diese Möglichkeit, insbesondere den kompetenten Restauratorinnen Frau Dippel und Frau Bandow.

Zur schönen und guten Gewohnheit sind nun schon die Besuche von Altabt Christian Schütz OSB/Schweiklberg geworden, der diesmal vom 10.–14.11. bei uns weilte und mit uns in drei Abendvorträgen das Thema „Mönchsein als Christusnachfolge“ vertiefte.
Auch in diesem Jahr ließ es sich der Männergesangverein Cäcilia aus Eibingen nicht nehmen, sein großes Jahreskonzert im Kloster zu präsentieren. Zahlreiche Zuhörer/Innen fanden sich am 16.11. bei uns ein, um den mit viel Enthusiasmus vorgetragenen Darbietungen zu lauschen.
Vom 17.–20.11. durften wir Gastgeber für das Jahrestreffen des Beirates der AIM/Paris sein. Abtprimas Notker Wolf OSB, Sister Judith Anne Heble OSB/USA, Moderatrix der CIB, der Generalabt der Zisterzienser, der Generalprokurator der Trappisten und mehrere Präsides der großen internationalen Kongregationen waren angereist. Bei einem gemeinsamen Abendessen und während der Rekreation gab es Gelegenheit zu anregendem und geschwisterlichem Austausch.

Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.09.38Abtprimas Notker brachte dabei seine Dankbarkeit für den herzlichen Empfang, die Gastfreundschaft und die „gepflegte“ Liturgie zum Ausdruck – und dankte Mutter Clementia und dem ganzen Konvent ausdrücklich für die Freistellung von Sr. Gisela als Generalsekretärin der AIM. Als solche half Sr. Gisela im Juli zum zweiten Mal mit bei dem Kurs „Leadership and Rule of St. Benedikt“ in Rom und verbrachte im September zwei Wochen in Rom für das CIB Symposium „Listen with the ear of your heart“. Eine ihrer Aufgaben ist es auch, Spenden für große internationale Projekte zu finden. Doch während einerseits die Mitbrüder von Lérins/ Frankreich regelmäßig Hilfsaktionen organisieren, lässt andererseits im Allgemeinen die Bereitschaft zu teilen immer mehr nach.

 

Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.11.55Am 22.11. luden wir mit der Aktion „Glühs(c)hoppen“ vor allem die Menschen aus unserer Nachbarschaft und der näheren Umgebung ein, um bei Glühwein und heißen Waffeln unseren neuen Laden besser kennenzulernen. Das Angebot wurde sehr gut angenommen und hat uns wieder einmal gezeigt, wie sehr die Menschen hier am Ort Anteil nehmen an „ihrer“ Abtei und wie gerne sie zu uns kommen.
Mutter Clementia fuhr am 24.11. mit Abtpräses Albert nach Kloster Engelthal, um ihn bei der Visitation zu unterstützen.
Den Übergang vom alten zum neuen Kirchenjahr bildete noch einmal die hl. Hildegard in einem von Sr. Hiltrud gestalteten Einkehrwochenende zum ersten Advent. So wollen wir auch diese Chronik mit einem Gebet schließen, das Sr. Hiltrud vielen Menschen mit auf den Weg gegeben hat:
„Hildegard, du Lehrmeisterin des gelungenen und erfüllten Lebens, begleite uns Menschen mit deiner Weisheit, mit deinem Licht von Gott, damit wir alle heimfinden in das Herz Gottes; sind wir doch geschaffen und berufen, Gott zu schauen und sein Lob mit den Engeln zu vollenden. Amen.“
Ihnen allen wünschen wir von Herzen, dass Sie „heimfinden“ mögen in das Herz Gottes, so wie er ja uns schon längst gefunden und heimgesucht hat in seinem geliebten Sohn.

Ihre Schwestern der Abtei St. Hildegard

 

 

 

Doce me facere voluntatem tuam,

quia Deus meus es tu (Psalm 143,10).

Lehre mich, deinen Willen zu tun; denn du bist mein Gott.

 

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Sr. Simone Edith Weinkopf OSB

* 02.09.1931          + 12.10.2014

In der Woche, in der Sr. Simone im Sterben lag, stimmten die Vögel allmorgendlich vor ihrem Fenster ein vielstimmiges Konzert an. Wie im Frühling ging es da zu, obwohl es doch bereits Mitte Oktober war. Ein Hauch von Lächeln überzog dann jedes Mal Sr. Simones Gesicht, und es war, als ob sie sagen wollte: „Sie wissen doch: ich bin ein Frühlingsmensch; ich mag den Herbst nicht“. In der Tat: Obwohl sie im Herbst geboren ist, hat Sr. Simone die dritte und vierte Jahreszeit nie gemocht. Kein Wunder, denn in ihrer Heimat Indonesien gab es sie nicht. Hier gab es nur Regen- und Trockenzeiten und beide waren immer grün.
Edith Maria Anna Weinkopf wurde am 02. September 1931 in Batavia, dem heutigen Jakarta geboren. Sie war die Erstgeborene. Zeit ihres Lebens blieb sie die große Schwester, immer besorgt um die beiden jüngeren Schwestern Jotti (Liselotte) und Gudi (Gudrun) und vor allem um ihren kleinen Bruder Peter, der ein Nachkömmling war und der Ältesten wohl am ähnlichsten.
Sr. Simones Eltern stammten aus Troppau im Sudetenland. Der Vater, Hans Weinkopf, war als Geodät Anfang der 20er Jahre nach Niederländisch-Indien gegangen, um dort in den Tropen als Landvermesser zu arbeiten – nach fünf Jahren Kriegsgefangenschaft in Sibirien hatte er sich geschworen, nie wieder frieren zu wollen. Die Kinder liebten und verehrten ihren Vater sehr. Er konnte wunderbar Geschichten erzählen, war klug, belesen, unendlich geduldig, taktvoll und leise, zugleich aber auch preußisch korrekt, geradlinig und pflichtbewusst. Er besaß große Autorität weit über die Familie hinaus. Er achtete und respektierte jeden Menschen gleich welcher Herkunft, Hautfarbe oder Nationalität und hielt seine Kinder dazu an, stets dasselbe zu tun.
Die Mutter, Edith Weinkopf, geb. Leonhartsberger, war ausgebildete Opernsängerin und eine selbstbewusste, starke, fröhliche und offene Frau mit wienerischem Temperament und Charme. Sie war 17 Jahre jünger als ihr Mann und den Töchtern eine junge, fast schon schwesterliche Mutter. Oft war der Vater monatelang auf Expedition im Urwald unterwegs, und so mussten Mutter und Töchter oft allein ihren Mann stehen. Die Familie wohnte zunächst in Batavia und zog später nach Lembang um, einem Bergort mit herrlichem Klima und mitten in paradiesischer Landschaft. Hier besuchten Sr. Simone und ihre Schwester Jotti die Schule. Die Familie wohnte gegenüber der Sternwarte, die schon früh das Interesse der kleinen Edith für Astronomie weckte. Sr. Simone kannte den Sternenhimmel wie ihre Westentasche und stand auch im Alter bei klarem Wetter noch oft am Fenster, um ihn zu beobachten. In Lembang verbrachte Edith, wie sie oft sagte, die glücklichsten Jahre ihrer Kindheit – inmitten der Familie und zusammen mit Hunden, Katzen, Schafen, Pferden und Papageien. Edith war eine Naturliebhaberin, alles Lebendige und alles, was grünte und blühte, war ihr Element. Vor allem aber war sie eine Leseratte; sie las bis in die Nacht hinein mit Taschenlampe unter der Bettdecke, und schon damals konnte sie nicht einschlafen ohne mindestens zwei Bücher unter dem Kopfkissen zu haben. Während ihre Schwestern auf Bäume kletterten und auf Pferderücken saßen, verzog sie sich lieber in ihr Zimmer und musste von ihrer Mutter nicht selten mit sanfter Gewalt ins Freie getrieben werden.
Im Sommer 1940 wurde das glückliche Familienleben jäh beendet. Im Mai war die deutsche Wehrmacht in Holland eingefallen, so dass auch in Indonesien aus Freunden plötzlich Feinde wurden – eine Erfahrung, die Sr. Simone nie vergessen hat und die sie immer neu erschauern ließ. Der Vater wurde als Deutscher interniert, obwohl er die holländische Staatsangehörigkeit angenommen hatte. Die Mutter durfte mit den drei Töchtern in Lembang bleiben. Ende 1941 wurde Niederländisch-Indien von den Japanern besetzt; die Familie überlebte, verlor allerdings ihr Haus und ihren gesamten Besitz und musste zeitweise im Lager leben. Als die Japaner später in Ost-Java eine deutsche Kolonie mit einer Schule gründeten, zog die Familie nach Sarangan. Hier erhielten Sr. Simone und ihre beiden Schwestern, wie sie später in ihrem Lebenslauf berichtete, einen sehr guten und intensiven Unterricht. Nach der Kapitulation Japans im August 1945 wurde die „Republic Indonesia“ proklamiert. Sr. Simone schreibt dazu: „Wir lebten nun im Herzen der Republik, von der deutschen Gemeinschaft waren etwa 100 Leute übrig; es war ein etwas primitives Leben, aber für uns Kinder herrlich. Alle drei Wochen kam ein Priester uns besuchen, wir gingen zur hl. Kommunion und 1946 kam dort mein Bruder zur Welt“.
1948 gab es in Indonesien einen Putschversuch der kommunistischen Partei. Die Familie kam wie ein Wunder mit dem Leben davon. Eine Scheinerschießung der ganzen Familie am 24. Dezember 1948 hat sich unauslöschlich in Sr. Simones Erinnerung eingraviert. Nie mehr in ihrem Leben, so erzählte sie oft, habe sie so große Angst gehabt wie in dieser Situation. Als Indonesien 1949 unabhängig wurde, zog die Familie nach Bandung, wo der Vater Direktor des Geodätischen Institutes wurde. Sr. Simone besuchte dort das niederländische Gymnasium und legte 1951 als Zweitbeste des ganzen Landes ihr Abitur ab. Anschließend studierte sie zwei Jahre an der Kunstakademie – wie sie selbst schreibt „nicht sehr ernsthaft“, aber doch so, dass sie ausgezeichnet zeichnen lernte und diese Kunstfertigkeit auch in ihren Klosterjahren auf vielfältige Weise anwenden konnte. Noch in ihrem letzten Lebensjahr malte sie gerne kleine Bilder mit biblischen Szenen, die ihr besonders lieb waren.
1952 verstarb die Mutter im Alter von 42 Jahren ganz plötzlich an den Folgen einer Operation. Diese „Katastrophe“ sollte das Leben der Familie von Grund auf ändern. 1954 nahm der Vater ein Jahr Urlaub und flog mit seinen Kindern nach Europa. Über Zürich ging die Reise nach Hamburg, wo die einzige Schwester der Mutter nach der Vertreibung aus dem Sudetenland lebte. Ende Oktober kam die Familie dort an; bekleidet mit leichter Sommergarderobe, denn Winterkleidung gab es in Indonesien nicht und keines der Kinder hatte sich je vorstellen können, was Kälte bedeutet. „Nicht einmal im Kloster habe ich so sehr gefroren wie damals“, erzählte Sr. Simone.
In Hamburg lernte sie schon bald Brigitte Isenbart kennen, unsere spätere Sr. Johanna, mit der sie eine über 50 Jahre währende Freundschaft verband. In der Totenchronik für Sr. Johanna schrieb Sr. Simone 2009: „Zwischen Magistra und Zelatrix herrschte ein herzliches Vertrauensverhältnis. Nur in einem Punkt waren sie sich nicht immer einig: Sr. Simone war für Sr. Johanna zu nachgiebig und zu österreichisch; Sr. Johanna für Sr. Simone zu streng und zu preußisch. Gelegentlich an Karneval spielten sie einige Szenen aus Manzonis „Herr und Frau Veneranda“, wobei jedem klar war, dass sie nur sich selbst spielten.“
In Hamburg begann Sr. Simone auch ihre Ausbildung zur Bibliothekarin und machte damit ihr Hobby zum Beruf. 1958 legte sie ihr Examen ab und bekam eine erste Stelle in Wolfsburg. Im April 1959 kehrte sie nach Hamburg zurück – an die „Hamburger – Öffentlichen Bücherhallen“. Eine damalige Kollegin schrieb uns in ihrem Kondolenzbrief: „In allen Bücherhallen, in denen sie gearbeitet hat, waren die Räume, besonders die Fensterbänke, voll von prächtig gedeihenden Blumen, wie vorher und nachher nie wieder. Und wenn bei der Pflege mal eine Vase umfiel oder ein Schreibtisch überflutet wurde, war uns das immer ein Vergnügen und Anlass zu Hilfsbereitschaft. Allein ihre Gegenwart war nämlich eine Freude.“ Ein halbes Jahrhundert später konnte man übrigens mit Sr. Simone durchaus noch dieselben Erfahrungen machen.
In ihrem Examenszeugnis, das sonst voll des Lobes war, fand sich ein bemerkenswerter Satz: „Fräulein Weinkopf weigert sich, die Leser pädagogisch zu beeinflussen.“ In dieser Hinsicht ist Sr. Simone sich zeitlebens treu geblieben. Auch später als Novizenmeisterin und Begleiterin vieler Menschen weigerte sie sich konsequent, ihr Gegenüber „pädagogisch zu beeinflussen“. Sie hatte Verständnis für jeden und alles und „suchte auch dann noch zu verstehen, wenn andere sich schon längst an den Kopf gefasst hätten“, wie es in einem Kondolenzbrief heißt.
Am 31. Dezember 1962 – bei Eis und Schnee – trat Sr. Simone in unsere Abtei ein. Schon als Zehnjährige hatte sie das Ordensleben beeindruckt, als sie anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes zum ersten Mal Ordensfrauen begegnete. Später, als sie schon in Europa war, verbrachte sie einen Urlaub in der Abtei Säben/Südtirol. Ganz in der Nähe, in Meran, lebte inzwischen ihre geliebte Tante Anni, die den Kindern nach dem Tod der Mutter eine Art Ersatzmutter gewesen war. In Säben lernte sie das benediktinische Leben kennen und lieben. Hier fühlte sie sich zum ersten Mal für die monastische Lebensform berufen, und der Gedanke hat sie, wie sie selbst schrieb, „von da an nicht mehr losgelassen“. Sie las nun konsequent die Heilige Schrift, die Benediktsregel und Thomas von Kempens Nachfolge Christi. Bis zu ihrem Eintritt dauerte es aber noch drei Jahre, „weil ich“, wie sie selbst schreibt, „noch lange Widerstand geleistet habe“. „Ich ging dann, weil ich wusste, dass Gott es wollte … und weil ich dachte, ich könnte im Kloster allen alles sein“.
In der ersten Zeit hatte sie es nicht leicht. Alles war so anders, als sie es gewohnt war. Vor allem die „Klausur der Zeit“, wie sie sie nannte, machte ihr zu schaffen. Immer und für alles war die Zeit zu kurz, und deshalb kam Sr. Simone auch zeitlebens auf die letzte Minute. Besonders liebte Sr. Simone von Anfang an unsere Liturgie. Sie war bis ins hohe Alter immer im Chor und sang viele Jahre begeistert in der Schola. Sie bereitete sich akribisch auf das Offizium vor und ärgerte sich, wenn z.B. unsere Sr. Caecilia, charismatisch wie sie war, ihre Chorbücher falsch oder gar nicht eingelegt hatte.
Im Noviziat – sie war die erste Novizin von Sr. Magistra Edeltraud – beschäftigte sie sich viel mit den alten Mönchsvätern. Die „Apophthegmata Patrum“ (Weisung der Väter) wurden ihr zu ständigen Begleitern. Besonders schätzte sie auch die „Institutiones“ (Von den Einrichtungen der Klöster) und die „Collationes“ (Unterredungen mit den Vätern) von Johannes Cassian; sie empfahl diese Schriften auch später als Magistra oft ihren Novizinnen als Weisung für ihr Leben. Die Bibliothek war nach dem Chor Sr. Simones bevorzugter „Lebens-raum“; sie kannte die gesamte Literatur in- und auswendig und hatte immer Berge von Büchern auf ihrem Schreibtisch. Wohl keiner, der mit ihr Kontakt hatte, wird nicht mindestens eine Karte von ihr mit einem schönen Gedicht oder einem aussagestarken Text bekommen und aufbewahrt haben. Ganz besonders werden uns ihre vielen selbstgemachten Gedichte und „Opera“ in Erinnerung bleiben. Bis kurz vor dem jeweiligen Festtag einer Mitschwester, meistens bis in die Nacht hinein, dichtete Sr. Simone oder stellte Texte zusammen, um der Mitschwester eine Freude zu machen. Dabei wurde die Aufmerksamkeit immer auf das Besondere und die Eigenart der Betreffenden gerichtet. Im Letzten war jedes ihrer Opera aber ein Dank an Gott, der gerade diese Mitschwester in unsere Gemeinschaft gerufen hat.
Am 29. Juni 1968, dem Fest der Apostel Petrus und Paulus, legte Sr. Simone ihre feierliche Profess ab. Ihr Professspruch „Doce me facere voluntatem tuam, quia Deus meus es tu – Lehre mich deinen Willen zu tun; denn du bist mein Gott“ wurde ihr zum Lebensmotto. Sie strebte danach, Gott zu gefallen und seinen Willen zu tun – auch dann, wenn er sie, wie einst ihrem Namenspatron verheißen, führte, wohin sie nicht wollte. Dabei war und blieb sie immer die Suchende, Fragende und auch Zweifelnde. Nicht selten haderte sie mit Gott, vor allem dann, wenn sie Unschuldige leiden sah oder ungerechte Verhältnisse nicht ändern konnte. Jede Art von Unfrieden war ihr ein Gräuel; sie liebte die Harmonie und konnte schlecht Nein sagen. „Mein Platz“, so sagte sie oft, „war immer der zwischen allen Stühlen“. Deshalb stellte sie sich den Himmel als einen Ort vor, „an dem man jedem gerecht werden kann ohne einen anderen zu enttäuschen“.
Viele Jahre arbeitete Sr. Simone in der Buch- und Kunsthandlung, die damals noch klein und beschaulich war. Ab 1974 baute sie zusammen mit Sr. Teresa und unseren verstorbenen Mitschwestern Benedicta Dieckmann und Mirjam Scholten die Restaurierungswerkstatt auf. Auch an der Pforte und in der Gästebegleitung war sie Jahre lang eingesetzt. Viele Menschen hat sie über lange Zeit begleitet, hat ihnen Exerzitien gehalten oder ihnen einfach nur zugehört. „Es gab immer ein gutes Wort, einen Rat, einen Buchtipp oder einen Trost. Sie erspürte, was der Mensch, dem sie begegnete, brauchte. Sie hat meinem Leben Weisung und Richtung gegeben und ist vielen zum Segen geworden“, schrieb eine Oblatin.
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.15.23Sr. Simones ganze Leidenschaft aber war und blieb immer der Garten. Unsere alte Sr. Josefine, die sie liebte und verehrte, lehrte sie alles, was eine Gärtnerin über Blumen, Kräuter und Gemüse wissen muss. Noch im Frühsommer dieses Jahres topfte Sr. Simone vom Rollstuhl aus eine Unmenge kleiner Tomatenpflanzen um. Sr. Beatrix hatte ihr alles dafür Notwendige auf einem langen Tisch vorbereitet, und Sr. Simone war glückselig, noch einmal mit ihren Händen so richtig in der Erde „wühlen“ zu dürfen. Früher lagen ihr die kleinen Pflanzen immer besonders am Herzen. Wer Sr. Simone je über den Mistbeeten längs auf einem Brett liegen sah, der wird sich erinnern, wie hingebungsvoll sie ihre Zöglinge hegte und pflegte. Als die Mistbeete im Zuge unserer Bauarbeiten weichen mussten, war das für Sr. Simone ein herber Verlust. Mitten im Getöse und Getriebe der Bauarbeiten legte sie damals noch ein neues kleines Beet mit drei Pfingstrosen an. Sie war eben widerständig und hartnäckig und besaß zudem die Gabe, sich auch an kleinen Dingen zu freuen.

À propos Rosen: die vielen Rosen in unserem Garten haben wir Sr. Simone zu verdanken. Sie kannte jede einzelne beim Namen und wusste genau, wann sie gepflanzt wurde. Kein Wunder also, dass auf ihrem Grab schon der erste Rosenstock seinen Platz gefunden hat. Kein Wunder auch, dass in einem der Kondolenzschreiben zu lesen war: „Sr. Simone ist heimgegangen in den Paradiesgarten, wo ihr Gärtner schon auf sie wartete.“
Am Martinusfest, dem 11. November 1980, wurde Sr. Simone von Mutter Edeltraud zur Novizenmeisterin ernannt. Obwohl sie sich immer überfordert fühlte mit dieser Aufgabe, nahm sie die Ernennung im Vertrauen auf Gottes Beistand an. Einziger Trost war ihr der Text einer Antiphon zum Martinusfest: „Domine, si adhuc populo tuo sum necessarius, non recuso laborem“ (Herr, wenn ich deinem Volk noch nützlich bin, verweigere ich die Arbeit nicht).
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.17.05Fast 13 Jahre lang prägte Sr. Simone eine ganze Generation von Novizinnen. Sie verstand sich immer als Begleiterin auf dem Weg, nie als Meisterin, und hat den Neulingen ihre Liebe zur Regel des hl. Benedikt und ihre Freude an der Liturgie mit großem Eifer weitergegeben. Alle, die bei ihr Novizin waren, werden sich lebhaft daran erinnern, dass Sr. Simone immer mit einem großen Stapel Bücher unter dem Arm zum Unterricht kam und dass sie alljährlich im Advent jeden Abend zu Beginn der Rekreation mit den Neulingen die Responsorien der Weihnachtsvigilien übte. In ihren Konferenzen sprach sie oft von der Treue im Kleinen; die Alltäglichkeiten waren ihr genauso wichtig und selbstverständlich wie die großen Dinge des Lebens. Ein besonderes Herzensanliegen war ihr die Einheit von Gebet, geistlicher Lesung und Arbeit in unserem Leben. Immer wieder erinnerte sie uns daran und warnte uns davor, ein Element gegen das andere aufzurechnen.
Als Magistra und Wegbegleiterin entfaltete Sr. Simone wohl eine weitaus größere Wirkung als sie selbst es je gedacht hätte. Ihre diskrete, taktvolle und unaufdringliche Art, die den anderen ganz in die Freiheit entließ, hat ihrem Gegenüber viel abverlangt. Immer ging es ihr darum, von sich weg auf Gott zu verweisen. In ihrem Sein und Tun atmete Sr. Simone Weite, manchmal auch einen Hauch von Distanz. Sie gab Raum zum Wachsen und Reifen und lehrte weniger durch Worte als durch ihr Leben. Das Entscheidende aber war: sie ließ jeden sein, wie er ist, und machte jedem Mut, so zu werden, wie Gott sich ihn gedacht hat.
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.17.21Von 1978 bis 2000 war Sr. Simone Subpriorin. Sie führte den Konvent souverän und klug durch die Monate des Interregnums in der so schwierigen Zeit im Jahr 2000 und tat dies ganz im Vertrauen auf die Führung und die Barmherzigkeit Gottes. Einige Male nahm sie als Konventvertreterin an den Generalkapiteln der Beuroner Kongregation teil. Sechs Jahre lang arbeitete sie in der Liturgischen Kommission der Vereinigung der deutschsprachigen Benediktinerinnen (VBD) mit. In den anderen Klöstern und in der Beuroner Kongregation war sie sehr geschätzt, nicht zuletzt auch durch die Noviziatswerkwochen in Hübingen, die sie viele Jahre lang inhaltlich geplant und verantwortlich geleitet hat.
Von Oktober 2000 bis Ende 2004 hat Sr. Simone Mutter Clementia in den ersten Jahren ihrer Amtszeit als weise und erfahrene Priorin zur Seite gestanden. Alle Aufgaben, die eine Priorin neben ihrem eigenen Arbeitsbereich hat, setzen die Fähigkeit voraus, zuzuhören und zusammenzuarbeiten. Dies erfordert Rücksicht auf die anderen und einen wachen Blick für die größeren Zusammenhänge. Sr. Simone konnte ihre eigenen Wünsche und Pläne denen der anderen und der Gemeinschaft stets zu- und unterordnen. Sie tat dies ganz selbstverständlich und ohne viel Aufhebens.
So war sie auch im Jahr 2005 sofort und gerne bereit, noch einmal Neuland unter die Füße zu nehmen und Sr. Philippa bei der Betreuung und Versorgung von Sr. Christiane zu helfen. Deren schwere Demenzerkrankung hatte es erforderlich gemacht, für sie einen geschützten Lebensbereich einzurichten. Sr. Simone war der geistig-geistliche Mittelpunkt dieser kleinen „Dekanie“.
Während des Konventamtes saß sie fast neun Jahre lang neben Sr. Christiane und hörte mit ihr und Sr. Philippa zusammen die Heilige Messe per Übertragungsanlage. Sie saß oft still bei Sr. Christiane, las ihr vor, betete mit ihr und konnte auch in den ersten Jahren noch helfen, ihr die Mahlzeiten zu reichen oder mit ihr spazieren zu gehen. Ihre eigene schwere Parkinsonerkrankung trug sie dabei mit Tapferkeit und Geduld und mit einer guten Portion Humor, der auch über sich selbst lachen kann. In den letzten drei Jahren nahmen Sr. Simones Kräfte stetig ab, geradezu parallel zur Minderung der Kräfte von Sr. Christiane. Dennoch war sie durch ihr bloßes Dasein für die kleine Dekanie eine große Stütze bis zuletzt. Sie nahm all ihre Kräfte zusammen, um bis zum Schluss noch an einigen Gebetszeiten im Chor, an den Mahlzeiten im Refektorium und an Veranstaltungen des Konventes und des Freundeskreises teilzunehmen. Hierin kam noch einmal ihre ganze menschliche Größe und ihr monastisches Gespür zum Ausdruck. In Sr. Philippa fand sie dabei eine treue Begleiterin und Stütze bis zum letzten Atemzug.
Ende August dieses Jahres ging alles dann ganz schnell. Sr. Simone sah ihrem Sterben sehr bewusst und entschieden entgegen. Sie wollte nie lange ein Pflegefall sein, und sie wollte in ihrer vertrauten Umgebung sterben, in der Zelle, in der sie einst vor 50 Jahren nach ihrer ewigen Profess schon einmal gewohnt hatte. Hier schloss sich für sie ihr Lebenskreis. Sie empfing zusammen mit Mutter Edeltraud und Sr. Christiane das Sakrament der Krankensalbung, danach erwartete sie, wie sie selbst sagte, „ohne Angst und voll Neugier“ die endgültige Begegnung mit ihrem Schöpfer. Sie verabschiedete sich von ihren geliebten Geschwistern, von ihren Äbtissinnen, von vielen Mitschwestern und von ihrer kleinen Dekanie. In den letzten Tagen wurde sie ganz still und schien nur noch zu lauschen. Ein einziges Wort kam noch über ihre Lippen: „In illa die“ (An jenem Tag…), der Anfang der 1. Antiphon des 1. Adventsonntags. Ihr ganz persönlicher Advent war gekommen.
In einem Film des Hessischen Rundfunks über unser Klosterleben aus dem Jahr 2002 wurde Sr. Simone interviewt (http://www.abtei-st-hildegard.de/?portfolio=hessenschau-noviziat). Dort sprach sie, in Gartenkleidung an den Mistbeeten sitzend, u.a. darüber, dass sich die Novizen erst einmal in das klösterliche Leben einleben müssen „das ja total anders ist als ihr Leben draußen … und das ja auch ein bisschen verrückt ist“. Trotz aller Hilfe und Begleitung sei es aber wichtig zu betonen: „Das Eigentliche müssen sie selber machen“. Es klingt wie ein Vermächtnis. Trotz Fragen und Zweifeln komme aber dann im Leben irgendwann die Gewissheit, „dass man innerlich seinen Frieden findet, dass man sagt, es stimmt, es stimmt für mich so.“ Für Sr. Simone hat es am Ende gestimmt. Sie hat ihren Frieden gefunden. Mit einem tiefen Atemzug hauchte sie am späten Abend des 12. Oktober ihr Leben aus. Am Morgen nach ihrem Tod und noch drei Tage danach zogen große Scharen von Zugvögeln über unser Kloster hinweg nach Süden. Das hätte Sr. Simone gefallen…
R. i. p.

 

 

 

Diligam te! (Psalm 17,1)
Ich will dich lieben!

 

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Sr. Walburga Hannelore Storch OSB

* 22.10.1930               + 28.10.2014

Unsere Sr. Walburga starb am Morgen des 28. Oktober während unseres Konventamtes im Rüdesheimer Krankenhaus. Das passte zu ihr, denn Zeit ihres Lebens liebte sie die Liturgie. Sie war ihr Lebensinhalt bis zuletzt. Obwohl wir leider in ihrer letzten Stunde nicht bei ihr sein konnten, starb sie Gott Dank nicht allein, sondern umgeben von den Ärzten und dem Pflegepersonal. Dass sie während unserer heiligen Messe heimging, war und ist uns ein Trost.
Die letzten Lebensjahre, besonders das vergangene Jahr, waren für Sr. Walburga nicht leicht. Mit vielen Veränderungen in der Liturgie, im alltäglichen Leben und in der Gemeinschaft tat sie sich sehr schwer. Trotzdem nahm sie, solange sie konnte, treu am Chorgebet und an der täglichen Eucharistiefeier im Chor teil. Diese Treue war kennzeichnend für sie, und für dieses Zeugnis sind wir ihr dankbar.
Sr. Walburga trug schwer unter der Last ihrer zunehmenden Altersschwäche. Viele Male kam sie im letzten Jahr zu Mutter Clementia und wollte ihr etwas sagen, aber als es dann soweit war, hatte sie das Eigentliche vergessen. Sie hat diesen Zustand sehr bewusst wahrgenommen und darunter gelitten. Immer wieder äußerte sie den Wunsch, Gott möge sie bald holen. Dieser Wunsch ist ihr nun erfüllt worden.
Schauen wir auf das Leben von Sr. Walburga zurück. Abt Benedikt Müntnich OSB, unser neuer Spiritual, hat es in seiner Ansprache im Requiem für Sr. Walburga sehr treffend zum Ausdruck gebracht: „Über Sr. Walburgas Leben lag ein großer Schatten.“ Und dieser Schatten hatte einen Namen: Vertreibung.
Sr. Walburga und ihre Familie mussten nach dem Krieg das Schicksal der Vertriebenen teilen. Liest man ihren Lebenslauf, den sie selbst geschrieben hat, dann versteht man manche ihrer Verhaltensweisen besser. Sr. Walburga liebte das Vertraute und Sichere und tat sich mit Veränderungen jeglicher Art sehr schwer. Sie hat aber dennoch immer wieder versucht, manchmal zögernd, manchmal widerständig, sich auf Neues einzulassen.
Sr. Walburga lebte in unserer Gemeinschaft sehr bescheiden und anspruchslos. Ihre Ferien verbrachte sie zumeist in einer kleinen Hütte mit dem Namen „Ranft“ in unserem eigenen Garten. Im Heiligen Jahr 2000 durfte sie allerdings mit dem Oblatenkreis und einigen Mitschwestern nach Rom wallfahren, was für sie ein, wenn nicht der Höhepunkt ihres Lebens war.
Einmal im Jahr traf sie sich mit ihren Klassenkameradinnen in Königsstein. Sr. M. Michaelis, eine Ursuline und Sr. Walburgas alte Lehrerin, war bis zu ihrem Tod der Mittelpunkt dieser Klassentreffen und wurde von allen sehr verehrt. Aber auch nach ihrem Tod blieb der Kontakt zwischen den Schülerinnen lebendig.
Sr. Walburga wurde am 22. Oktober 1930 als erstes Kind der Eheleute Franz und Anni Storch in dem schönen Städtchen Trautenau im südöstlichen Riesengebirge geboren und auf den Namen Hannelore getauft. Der Vater war Latein- und Musiklehrer und nebenbei als Chorleiter und Organist an der Erzdekanatskirche in Trautenau tätig. Hannelore wurde schon als kleines Mädchen mit auf die Orgelempore genommen, weil Vater und Mutter im Kirchenchor mitwirkten.
Im August 1934 wurde ihre Schwester Doris geboren, die für Sr. Walburga zu einer echten Spielgefährtin wurde. Die Eltern erwarben mit den Großeltern zusammen eine kleine Villa mit Garten außerhalb der Stadt. Die Kinder hatten dort ein eigenes Beet und mussten auch die Haustiere versorgen.
1938 ging Sr. Walburga zur ersten heiligen Kommunion. Die Eltern luden zu ihrer Erstkommunion die ärmste Mitschülerin aus der Klasse ein und statteten sie dazu wie ihr eigenes Kind mit allem aus. Mit acht Jahren erhielt Hannelore von ihrem Vater den ersten Blockflöten- und Klavierunterricht, später folgte auch Unterricht auf der Geige. Da Sr. Walburga aber nicht gerne übte, wurde der Unterricht bald wieder aufgegeben. Allerdings entdeckte sie in dieser Zeit dafür ihre Begeisterung für das Lesen.
Nach dem vierten Schuljahr wechselte Hannelore auf die Oberschule. Im April 1940 starb ihr kleiner Bruder als Säugling. 1943 wurde ihr Vater zur Wehrmacht eingezogen und mit 41 Jahren einem Lazarettzug zugeteilt, der Verwundete von allen Fronten in die Heimat zurückbegleitete.
Am 09. Mai 1945 wurde Sr. Walburgas jüngster Bruder Udo geboren. Am selben Tag rückte die russische Armee mit Panzern in Trautenau ein. Die Menschen, auch die Familie von Sr. Walburga, erlebten furchtbare Tage und Wochen. Am 23. Juni 1945 wurde die Bevölkerung dann von den Tschechen aus Trautenau vertrieben. Innerhalb weniger Stunden mussten sie ihre Häuser und Wohnungen verlassen und durften nur das mitnehmen, was sie tragen konnten. Sr. Walburga wurde von ihrer Mutter und den Geschwistern getrennt. Man trieb Letztere zum Bahnhof, während Sr. Walburga mit anderen in ein Lager der tschechischen Stadt Jicin gebracht wurde, circa 50 km von Trautenau entfernt. Die Kinder und Jugendlichen schliefen zu zweit in doppelstöckigen Betten; die Verpflegung war sehr schlecht. Sonntagsmittags mussten sie in einer Arbeitskolonne in glühender Hitze auf dem Marktplatz Unkraut zwischen den Pflastersteinen jäten. Am Tag darauf wurde Sr. Walburga dann als Zwangsarbeiterin auf einen Bauernhof verschleppt. Sie lernte melken, half der Bäuerin bei den Hausarbeiten und musste am Nachmittag aufs Feld. 13 Monate verdiente Sr. Walburga sich ihr Brot mit den niedrigsten Arbeiten und wurde dabei auch noch von den drei Söhnen des Bauern immer wieder belästigt. Acht Monate lang hatte sie keinerlei Kontakt zu ihrer Familie. Man vermutete, dass diese nach Sibirien verschleppt worden sei.
Mit Hilfe ihres Onkels, der wie Sr. Walburga zur Zwangsarbeit eingesetzt war, gelang es ihr Anfang August 1946 endlich frei zu kommen. Mit seiner Familie und den Großeltern schloss sich Sr. Walburga einem Flüchtlingstreck nach Westen an. Nach einer 14–tägigen Zeit der Quarantäne in einem Umsiedlerlager bei Magdeburg ließ man sie nach Elsterberg im Vogtland reisen. Dort waren ihre Mutter und die Geschwister nach der Vertreibung gelandet. Obwohl die Mutter nur eine kleine Rente bezog, besuchten Sr. Walburga und ihre Schwester nun die Oberschule in Greiz/Thüringen. Sie hatten einen Schulweg von sechs Kilometern, den sie täglich zu Fuß zurücklegten. Der strenge Winter 1945/46 ohne genügend Heizmaterial und mit nur schmaler Lebensmittelzuteilung war für die Familie eine Zeit großer Not.
Über den Suchdienst des Roten Kreuzes fand die Familie schließlich den Kontakt zum Vater, der unterdessen bei Neapel aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war. Er kam nach Königsstein im Taunus und Ende 1947 traf sich die Familie nach einer langen Odyssee dort wieder. Der Vater unterrichtete nun wieder Latein und Musik – am Albertus-Magnus–Kolleg für die Heimatvertriebenen, die Priester werden wollten. Sr. Walburga und ihre Schwester Doris besuchten das Gymnasium der Ursulinen in Königsstein. Durch Klassenfahrten lernte sie die Abtei Maria Laach und die Burg Rothenfels kennen.
1950 wurden Hannelore und ihre Schwester von Bischof Wilhelm Kempf gefirmt. Von da an besuchte Sr. Walburga täglich die heilige Messe. Ein Einkehrtag in Maria Laach und eine Messe in der Krypta der Abteikirche hinterließen in Sr. Walburga tiefe Spuren und weckten in ihr den Wunsch Benediktinerin zu werden. 1950 kam sie dann zum ersten Mal nach Nothgottes und besuchte von dort aus ohne Wissen ihrer Eltern unsere Abtei. Am 02. Oktober 1951 erhielt sie von Mutter Regintrudis die Aufnahme und trat am 14. September 1952 bei uns ein.
Sr. Walburga schreibt in ihrem Lebenslauf: „Am leichtesten fiel mir von Natur aus das Silentium [Schweigen] und der Gehorsam „sine mora [ohne Zögern]“. Sie betont aber durchaus auch selbstkritisch, dass sie das „sine mora“ manchmal so wörtlich nahm, dass sie darüber den Sinn des gesamten Auftrags vergaß…
Am 16. August 1953 wurde Sr. Walburga zusammen mit Sr. Mechthildis Terwelp eingekleidet; am 18. August 1954 legten beide Mitschwestern ihre Triennalprofess ab. Sr. Mechthildis verließ unsere Gemeinschaft dann aber vor der ewigen Profess.
Am 07. September 1957 feierte Sr. Walburga ihre ewige Profess. Nach der üblichen Umarmung im Kapitel konnte sie von Mutter Regintrudis, die bereits im Sterben lag, noch den Segen empfangen. Als die Festgäste sich am Nachmittag verabschiedeten, läutete die Totenglocke für Mutter Regintrudis.
Dazu schreibt Sr. Walburga: „Der Herr hatte seine getreue Dienerin, die erste Mutter unseres Hauses, heimgerufen ins himmlische Jerusalem. So wurde das Kirchweihfest 1957 für unsere Gründeräbtissin der Tag seliger Vollendung, für mich aber der Beginn eines Lebens als Braut Christi, gemäß meinem Professspruch: Diligam te.“
Sr. Walburga war viele Jahre im Obstgarten und später in der Imkerei beschäftigt. Sie half außerdem in der Infirmerie, im Hühnerstall und in der Küche. Von 1991–1998 arbeitete sie in der Bibliothek und beteiligte sich lange Jahre an der Vorbereitung der Liturgiepläne. Sr. Walburga liebte unsere Liturgie und war lange Zeit Kantorin. Noch im hohen Alter hatte sie eine schöne Stimme und sang gerne eine Lektion in den feierlichen Vigilien der Hochfeste.
Eine besonders kostbare Zeit war für Sr. Walburga die Zeit der charismatischen Bewegung, die auch in St. Hildegard in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Einzug hielt. Sie blieb der damals gegründeten Gebetsgruppe treu bis zum Schluss.
Ebenso begeistert war sie, als wir uns Mitte der achtziger Jahre für die Gründung von Marienrode entschieden. Sie meldete sich in der Gründungs- und Aufbauphase freiwillig zu Arbeitsferien und beschnitt zusammen mit Sr. Placida im Winter 1987 bei Schnee und Eis die Bäume im dortigen Klostergarten.
Bildschirmfoto 2014-12-18 um 11.24.02Viele Jahre hindurch hat Sr. Walburga auch treu Dienst getan an unserem Gartentor. Sie erwies den dort läutenden Menschen und Lieferanten gerne Gastfreundschaft und war lange Jahre mittags im Pförtnerhäuschen anzutreffen.
Ihre besondere Liebe aber galt in den letzten 20 Jahren der heiligen Hildegard und ihrem Werk. Da sie eine gute Lateinerin war, beteiligte sich Sr. Walburga an den Übersetzungen der theologischen Werke Hildegards. Im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 1998 übersetzte sie das Hauptwerk der heiligen Hildegard „Scivias“.
Später nahm sie dann den umfangreichen Briefwechsel in Angriff. In ihrer Einleitung zu dem Band schrieb Sr. Walburga: „Für mich selbst war die nicht immer leichte, doch sehr reizvolle Übersetzung des gesamten Briefwerks der Schutzpatronin unseres Klosters und ersten Äbtissin unserer benediktinischen Gemeinschaft eine große Bereicherung. Und ich fühle mich ihr inzwischen nach mehr als 50 Jahren des Ordenslebens mehr denn je verbunden: in der Liebe zur Natur, zur lateinischen Liturgie, die unser Leben zusammen mit der Regula Benedicti prägt, und nicht zuletzt in der Freude am Gesang zu Gottes Ehre und Verherrlichung im Herzen unserer Mutter Kirche.“
Große Freude hatte sie auch daran, ein kleines Buch mit Gebeten der hl. Hildegard zusammenzustellen. Dieses ist inzwischen in mehreren Auflagen und Sprachen erschienen.

Sr. Walburga hat auch selbst eine Reihe von Gebeten verfasst. Vielleicht kommt in ihnen ihre Persönlichkeit und ihre Frömmigkeit am besten zum Ausdruck. So wie in folgendem Gebet:

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Dein Wille geschehe

Mir gescheh` nach deinem Willen.

Wie das Heil sich soll erfüllen,

weißt, Herr Jesus, Du allein.

Jetzt, und bis zum Ende mein

will ich nur noch dir gefallen!

Muss ich auch durchs Dunkel wallen,

drück das Kreuz ich fest an mich;

werd ich stolz, dann schlage mich,

doch vom Boden heb mich auf!

Sieh`, ich nehm den Kampf in Kauf,

falschen Frieden will ich nicht.
Schlägt man mich ins Angesicht,

weiß ich: so ist es dein Wille,

und ich halt mit Wonne stille.

Tut mir dein Vergessen weh,

Herr, dein Wille mir gescheh`!

Eigenwill‘ und Sträuben mein

Nimm von mir – mein Herz ist dein!

Eins mit dir im Denken, Tun,

darf ich liebend in dir ruh‘n,

und – wie ich mich danach seh`n –

froh mit dir zum Vater geh`n.
R. i. p.